Auf Zürichs teuerster Wiese stehen nun Klimabäume

Die Stadt Zürich pflanzt immer mehr Klimabäume, auch auf der Pestalozziwiese. Wir waren dabei.

Neubepflanzung der Pestalozzianlage
Während der finalen Etappe der Umgestaltung der Pestalozzianlage werden die letzten zwei von insgesamt sieben Bäumen gesetzt. (Bild: Sophie Wagner / Tsüri.ch)

Es ist halb zehn Uhr morgens. Auf dem abgesperrten Gelände zwischen Globus und Bahnhofstrasse – mitten in der Zürcher Innenstadt – fahren die ersten Bagger auf. Begleitet von Arbeiter:innen in orangen Sicherheitswesten, welche sich in die saftigen Frühlingsfarben der Umgebung einreihen. Einer unter ihnen ist Oliver Bütikofer.

Er ist Projekt- und Bauleiter der Uniola AG und koordiniert die Baumpflanzung. Bütikofer sagt: «Wir brauchen mehr Biodiversität in der Stadt. Baumreihen mit nur einer Baumart sind nicht mehr zeitgemäss».

Darum läuft seit Anfang Jahr die Umgestaltung der Pestalozzianlage. Laut der Stadt Zürich soll die bekanntlich teuerste Wiese Zürichs dadurch klimafreundlicher werden. Unter anderem durch Klimabäume. Das sind Baumarten, die besonders resistent gegenüber extremen Wetterbedingungen. Mit ihren ausladenden Kronen spenden sie Schatten und verbessern dadurch mitunter das Klima in der Stadt.

Zwei solcher Bäume – eine ungarische Eiche und eine rumelische Kiefer – werden nun nacheinander mit einem Kran vom Transporter geladen. Auf der Wiese sind bereits Löcher vorbereitet und nach nur eineinhalb Stunden stehen beide Bäume in der Erde. 

Die Gesamtleitung des Projekts liegt beim Tiefbauamt, auch Fachpersonen der Grün Stadt Zürich (GSZ), und der Uniola AG sind Teil des Projektteams. Nach der Fertigstellung unterhaltet die Grün Stadt Zürich die Anlage.

Klimabäume im Trend

Im April Bäume zu pflanzen, sei tendenziell spät, erklärt Bütikofer. «Der optimale Pflanzzeitpunkt ist während der Vegetationsruhe, also nachdem im Herbst die Bäume die Blätter abgeworfen haben, bis sie wieder austreiben.» Jedoch seien Klimabäume derzeit besonders gefragt, wodurch es zu Lieferverzögerungen käme.

«Ein Baum braucht zur Produktion in der Baumschule etwa 14 bis 15 Jahre, um zu wachsen. Das bedeutet, Baumschulen müssen frühzeitig Trends erkennen und darauf reagieren», sagt Bütikofer.

Oliver Bütikofer. Er ist Projekt- und Bauleiter der Uniola AG
Oliver Bütikofer, Projekt- und Bauleiter der Uniola AG begleitet die Baumpflanzung der Pestalozziwiese. (Bild: Sophie Wagner/ Tsüri.ch)

Die neuen Bäume in der Pestalozzianlage stammen zwar aus einer Baumschule im Thurgau, doch allgemein gelte: «Wenn Schweizer Baumschulen nicht über die gewünschte Baumart oder Grösse verfügen, beziehen sie diese aus Baumschulen aus dem nahen Ausland», erklärt GSZ auf Nachfrage. 

Laut Bütikofer gewöhnen sich Jungbäume besser an die Umgebung, weshalb sie bei der Bepflanzung ausgewachsenen Bäume vorgezogen werden. Das Problem sei jedoch, dass es ziemlich lange dauere, bis solche kleinen Bäume auch nur annähernd die Kühlwirkung ausgewachsener Bäume erreichen würden.

Die ungarische Eiche werde bereits nach 50 Jahren schon eine stattliche Grösse haben, sagt Bütikofer, während die Seile der zusammengebundenen Krone der jungen Eiche durchschnitten werden. «Ihre maximale ökologische Wirkung erreicht sie erst in rund 80 Jahren.»

Beim Ersetzen alter Bäume gelte es, den Umfang der Baumkrone genau zu messen und sie durch einen Baum gleicher Grösse zu ersetzen. Zum Beispiel müsse eine ausgewachsene Eiche durch drei oder vier kleinere Bäume ersetzt werden, je nach Umfang. «So wird das Kronenvolumen von dem gefällten Baum schneller erreicht», erklärt Bütikofer.

Neubepflanzung der Pestalozzianlage
Nach rund eineinhalb Stunden stehen Eiche und Kiefer in der frischen Erde zwischen Bahnhofstrasse und Globus. (Bild: Sophie Wagner/ Tsüri.ch)

Rückgang des Stadtgrüns auf Privatgrund

Trotz solcher Massnahmen nimmt die begrünte Fläche in der Stadt tendenziell ab – besonders auf Privatgrundstücken. Im Abstand von vier Jahren werden sowohl der Baumbestand als auch die Kronenfläche in Zürich erfasst. Die Auswertung der Stadt Zürich von 2018 bis 2022 zeigt: Vor allem im Siedlungsgebiet ist die Fläche der Baumkronen um rund 64 Hektar geschrumpft – das entspricht einer Fläche von rund 91 Fussballfeldern.

Deshalb hat der Stadtrat neue Vorschriften zum Schutz der Bäume beschlossen: Seit März dürfen Bäume mit einem Stammumfang ab 100 Zentimetern im gesamten Stadtgebiet nur noch mit Bewilligung gefällt werden, davon ausgenommen sind Bäume im Wald und im Strassenraum.

«Wo ein Baum stehen kann, ist nicht nur eine ästhetische Frage, sondern eben auch eine der Machbarkeit.»

Oliver Bütikofer, Projekt- und Bauleiter der Uniola AG

Weiter will die Fachplanung Stadtbäume die beschattete Fläche in der gesamten Stadt von rund 15 Prozent im Jahr 2022 auf 25 Prozent im Jahr 2029 erhöhen. Konkret: Von etwa 1170 Fussballfeldern auf rund 1870.

Tiefgaragen als Hindernis

Die Klimakrise trifft Städte wie Zürich besonders hart. Zwischen Beton und Asphalt staut sich die Hitze, die Luft zirkuliert schlechter als auf dem Land – sogenannte Hitzeinseln entstehen. Doch gerade dort, wo es mehr Bäume bräuchte, ist es oft schwierig, neue zu pflanzen, erklärt Projektleiter Oliver Bütikofer. «Vor allem Tiefgaragen machen es kompliziert.» Diese würden sich oft über ganze Parzellen hinaus erstrecken und lassen kaum Platz für Wurzeln lassen. Das gelte auch für einen Teil der Pestalozziwiese.

Die Tiefgarage vom Globus befindet sich unter einem Teil vom Park, zeigt Bütikofer mit einer schweifenden Handbewegung auf der Pestalozziwiese. «Wo ein Baum stehen kann, ist nicht nur eine ästhetische Frage, sondern eben auch eine der Machbarkeit.»

Die neuen Bäume, Sträucher, Bänke und selbst der neue Naturbelag auf den Gehwegen soll schon bald von Besucher:innen genutzt und bestaunt werden. Laut Carla Nägeli vom Tiefbauamt Zürich soll die Anlage, im komplett neuen Image, pünktlich zu Ostern wieder betretbar sein.

Ohne deine Unterstützung geht es nicht

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Medien. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Mittlerweile sind 2000 Menschen dabei und ermöglichen damit den Tsüri-Blick aufs Geschehen in unserer Stadt. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 2500 – und mit deiner Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für Tsüri.ch und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 8 Franken bist du dabei! Natürlich jederzeit kündbar!

Jetzt unterstützen!
Sophie Wagner

Ausbildung als Polygrafin EFZ an der Schule für Gestaltung in Bern und aktuelle Studentin Kommunikation mit Vertiefung in Journalismus an der ZHAW Winterthur. Einstieg in den Journalismus als Abenddienstmitarbeiterin am Newsdesk vom Tages-Anzeiger, als Praktikantin bei Monopol in Berlin und als freie Autorin beim Winterthurer Kulturmagazin Coucou. Seit März 2025 als Praktikantin bei Tsüri.ch

tracking pixel

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare