Warum ich als junger Unternehmer für den Rentenausbau bin

Die 13. AHV-Rente sei für die Unternehmen zu teuer und für die Jungen unfair, weil sie damit die Pensionär:innen finanzieren. Stattdessen müsste man das Rentenalter erhöhen. Das ist alles Unsinn. Ein Kommentar von Simon Jacoby.

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Die Jungen finanzieren die Rente der Alten – und irgendwann ist man selber alt. (Bild: Unsplash)

Es gibt ein Totschlagargument, mit dem sich in der Vergangenheit diverse Abstimmungen gewinnen liessen: Schadet der Wirtschaft. Damit hat man es sogar geschafft, dass die Stimmbevölkerung 2012 gegen fünf Wochen Ferien und damit gegen die eigenen Interessen stimmte. Inzwischen haben die meisten Firmen freiwillig eine fünfte Ferienwoche eingeführt und die Wirtschaft brummt weiter. 

Bei der kommenden Abstimmung über die Einführung der 13. AHV-Rente zeichnet sich ein enges Rennen ab. Es könnte sein, dass «Schadet der Wirtschaft» ausnahmsweise nicht zieht. Die Gegner:innen des Rentenausbaus versuchen die Schweizer:innen dennoch mit der Angst vor dem wirtschaftlichen Abstieg zu ködern: Wird die Initiative angenommen, braucht es eine Zusatzfinanzierung. Darum steigen die Lohnabzüge (teuer für Unternehmen und Angestellte) und die Mehrwertsteuer. Zudem sei es unfair, dass die Jungen für die Alten schuften müssen. Beides ist falsch.

Ich selber bin von den höheren Lohnabzügen im Falle eines Ja gleich doppelt betroffen. Als Unternehmer weiss ich, was höhere Kosten bedeuten – sie schränken den Handlungsspielraum ein. Und als Lohnempfänger will ich natürlich auch nicht, dass der Betrag kleiner wird, der auf meinem Konto eingeht. Aber die Abzüge für die Rente sind keine unsinnigen Zahlungen. Es ist nicht einfach Geld, das verschwindet. Die Abzüge sind eine wirkungsvolle Massnahme gegen Altersarmut.

Vielleicht sind auch einfach die Löhne zu tief, wenn die zusätzlichen Abzüge schmerzen? Kann sein, dass dies bei einigen der Fall ist. Doch dann müssen wir schauen, dass die Löhne und dann die Renten steigen – nicht, dass die Alten arm bleiben. 

Die lautesten Vertreter:innen der Wirtschaft vergessen oft, dass die Unternehmen auch eine Verantwortung haben. Die Sozialpartnerschaft ist ein Gesellschaftsvertrag, diesen gilt es einzuhalten, von beiden Seiten. Die paar zusätzlichen Franken an die AHV werden kein Unternehmen in den Abgrund zwingen und auch der Wirtschaft nicht schaden. 

Vielleicht reduzieren sie hier und dort den Gewinn ein ganz klein wenig. Aber wenn die Schweizer Firmen finanziell so schlecht aufgestellt sind, dass deren Angestellte im Alter arm sind, dann stimmt etwas nicht im System – dann ist der Gesellschaftsvertrag futsch.

Mit 34 Jahren bin ich zwar nur noch mittel jung, aber wenn es heisst, der Rentenausbau sei unfair, weil die Jungen bezahlen müssen, fühle ich mich trotzdem angesprochen. Denn ich habe noch rund 30 Jahre vor mir, in denen ich arbeiten und einzahlen muss. 

Ich will in keiner Gesellschaft leben, in der die Alten, die ihr Leben lang gearbeitet haben, von Altersarmut bedroht sind. Als Junger, der in die AHV einzahlt, schäme ich mich, wenn ich von armen Rentner:innen höre. Es macht mich traurig, wenn Alte nicht ins Kino, nicht in die Ferien oder nicht ins Restaurant können. Ich bin gerne bereit, monatlich ein paar Franken mehr abzudrücken, um wenigstens ein bisschen Linderung zu schaffen.

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