Jetzt auch die NZZ: Trotz Kurzarbeit soll Gewinn ausgeschüttet werden
An der Generalversammlung vom Samstag, 18. April 2020, will die NZZ AG pro Aktie 200 Franken Gewinn ausschütten. Dies, obwohl das Personal wegen der Corona-Krise auf Kurzarbeit gesetzt wurde. Ist das noch liberal oder einfach nur opportunistisch? Ein Kommentar von Simon Jacoby.
Vergangene Woche war es die TX-Group (Tamedia), jetzt zieht der Verlag der «alten Tante» nach: Für das Geschäftsjahr 2019 sollen total 8 Millionen Franken in die Taschen der Aktionär*innen fliessen. Dies, obwohl auch die Neue Zürcher Zeitung unter der aktuellen Corona-Krise leidet, Werbeausfälle zu beklagen hat und das Personal darum auf Kurzarbeit gesetzt hat.
Ob dieses Vorgehen erlaubt sei, wurde an einer Pressekonferenz des Bundes gefragt. Die Antwort: Es sei eine moralische Frage, ob man vom Staat via Kurzarbeit Geld erhalte und dann trotzdem Dividenden ausschüttet.
Nicht alle Aktionär*innen der NZZ sind mit der Gewinnausschüttung einverstanden.Veit Dengler, der frühere CEO der Unternehmensgruppe, stellte sich auf Twitter öffentlich gegen das Vorhaben. Das Unternehmen brauche alle Reserven für diese unbestimmt lange und schwierige Zeit. Der frühere Chef der Firma postet zudem den gesamten «Aktionärsbrief»:
Gegenüber der Republik sagte ein anderer Aktionär der Firma: «Der Journalismus bräuchte das Geld ganz dringend, denn die Zahlen sind nicht gut. Die Corona-Krise sorgt zwar für einen temporären Leserzuwachs, aber diese digitalen Abos können den Wegfall der Inserate niemals kompensieren. Diese Millionen, die sie jetzt ausschüttet, bräuchte die NZZ ganz dringend. Während ich Ihnen gleichzeitig versichern kann: Kein einziger unserer Aktionäre hätte die Dividende nötig.»
Dass die NZZ also vom Staat Geld bekommt und gleichzeitig Geld aus der Firma zieht, irritiert nicht nur auf einer «moralischen» Ebene. Die Zeitung publizierte verschiedene Artikel und Kommentare, in welchen die Redaktor*innen davon abraten, während Kurzarbeit Dividenen auszuschütten. Zum Beispiel hier, mit dem Titel: «Zurückhaltung bei den Dividenden ist jetzt angebracht».
Zudem rühmt sich die Zeitung als Speerspitze des Liberalismus, kritisiert staatliche Interventionen und Marktregulierungen so oft sich die Möglichkeit bietet. In Zeiten wie diesen zeigt sich: Mit Opportunismus lassen sich die Taschen einfacher füllen als mit Liberalismus.
Wir finden: Es ist nicht nur eine «moralische» Frage, es vor allem auch eine Frage, die eine gründliche Recherche verdient. Darum haben wir am Mittwoch ein Recherche-Crowdfunding gestartet.
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