«Eine Rendite gibt es auch, ohne dass Menschen aus der Stadt getrieben werden»

Stadtrat Daniel Leupi ist dafür zuständig, dass bis im Jahr 2050 ein Drittel aller Zürcher Wohnungen gemeinnützig sind. Im Interview spricht er über seine Pläne, über den knappen Boden, über aktive Pensionskassen und warum die Stadt keine Bodenbesitzer*innen enteignen kann.

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Stadtrat Daniel Leupi (Grüne) spricht im Interview über günstigen Wohnraum in Zürich. (Bild: Elio Donauer)

Simon Jacoby: Im September hat die Stadt neue Zahlen publiziert: Trotz 2'400 neuen Wohnungen innert drei Jahren stagniert der Anteil gemeinnütziger Wohnungen bei gut 26 Prozent. Warum?

Daniel Leupi: Das Leben in der Stadt Zürich ist sehr attraktiv. Deshalb und wegen dem Wirtschaftsboom, den die Bilateralen ausgelöst haben, wollen immer mehr Menschen hier leben. Dies führt dazu, dass die renditeorientierten Bauträger auch immer mehr Wohnungen bauen und der gemeinnützige Anteil stagniert. Die Stadt bemüht sich sehr und wir befinden uns in einer aktiven Phase des gemeinnützigen Wohnungsbaus. Dank den 2'400 neuen Wohnungen können rund 10’000 Menschen neu gemeinnützig wohnen. Aber für alle reicht es nicht, der Boden ist zu knapp.

Wie wollen Sie es trotzdem schaffen, dass bis 2050 ein Drittel der Wohnungen gemeinnützig sind?

Wir machen was wir können und optimieren laufend unsere Aktivitäten. Dank der klaren Zustimmung der Zürcher*innen bei der Abstimmung im letzten September hat der Stadtrat neu grössere Kompetenzen beim Kauf von Liegenschaften. Zudem versucht die Stadt auf eigenen Arealen mehr Wohnraum zu schaffen und neue Areale verdichtet zu entwickeln. Ein Beispiel dafür ist das Projekt mit 700 neuen Wohnungen an der Thurgauerstrasse, dessen Gestaltungsplan das Stimmvolk Ende November angenommen hat. Es gibt aber auch bremsende Faktoren, wie beispielsweise am Friesenberg, wo das Gericht die Schutzwürdigkeit der alten Bauten der Familienheim-Genossenschaft über das Bedürfnis nach neuem Wohnraum für mehr Menschen gestellt hat.

Bei der Präsentation der neuen Zahlen haben Sie gesagt, Sie seien nicht sehr optimistisch. Haben Sie das Drittelsziel aufgegeben?

Nein, aber ich weiss nicht, wie sich die nächsten 30 Jahre entwickeln, das ist eine lange Zeit! Aktuell machen wir was wir können, genauso wie die privaten und renditeorientierten Bauträger auch. Um den Anteil auf einen Drittel zu erhöhen, müssten wir daher nicht nur aktiv, sondern hyperaktiv sein. Nicht nur bei der Schutzwürdigkeit, auch beim Preis sind uns da Grenzen gesetzt. Weil es in Zürich fast kein unbebautes Bauland mehr gibt, sind die Preise enorm hoch. Wenn wir Privaten Land und Liegenschaften abkaufen, müssen wir in den allermeisten Fällen auch die damit verbundenen Renditen bezahlen und könnten im Anschluss dann keine günstigen Wohnungen anbieten.

Wenn wir die gemeinnützigen Bauträger im weiteren Sinn mitrechnen, liegen wir bei knapp 30 Prozent!

Daniel Leupi

Die Stadt macht bisher das Offensichtliche: neue Wohnungen bauen, verdichten und so weiter. Wäre es nicht an der Zeit, kreative oder stärkere regulatorische Methoden anzuwenden?

Theoretisch ginge das schon, aber Sie vergessen, dass wir nur eine Gemeinde sind, also auf der tiefsten politischen Ebene. Wenn Bund und Kanton keine Grundlagen dafür schaffen, hat die Stadt Zürich keine Möglichkeit zu stärkeren regulatorischen Massnahmen, wie beispielsweise Enteignungen.

Eine Deckelung der Mieten, wie das aktuell in Berlin umgesetzt wird, wäre in Zürich also nicht umsetzbar?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir dafür eine gesetzliche Grundlage haben. Das müsste vom Bund oder mindestens vom Kanton kommen.

Wie wäre es, wenn Sie nur noch die Baugesuche von gemeinnützigen Bauträgern bewilligen würden?

Das können wir nicht machen, damit würden wir die Rechtsgleichheit aufheben. Zudem soll die Stadt Zürich eine Wohnstadt für alle sozialen Schichten sein und bleiben.

Was passiert, wenn die Stadt das Ziel nicht erreicht? Pech gehabt?

Das kann ich im Moment nicht sagen, wir haben noch 30 Jahre Zeit. Derzeit befinden wir uns in einem wirtschaftlichen Boom, das war aber nicht immer so. Als ich 1995 nach Zürich kam, gab es eine Stadtflucht. Viele Familien mit Kindern zogen aus der Stadt. Dies hat sich extrem gewandelt. Wenn die Entwicklung so weitergeht, dann wird es in der Tat schwierig. Aber wir bleiben dran.

Ein Problem bei der Zielsetzung ist die Definition: Weil die Wohnungen gemeinnützig sein müssen, also nur eine Kostenmiete erhoben werden darf, fallen viele private, aber auch jene der PWG weg.

Dieses Problem habe nicht ich geschaffen. Die politischen Kreise hinter der damaligen Initiative haben als Messgrösse die Kostenmiete in die Gemeindeordnung geschrieben. Also fallen die Wohnungen der PWG und beispielsweise auch der Stefan à Porta-Stiftung weg. Wenn wir die gemeinnützigen Bauträger im weiteren Sinn mitrechnen, liegen wir bei knapp 30 Prozent!

<div style="background-color:#3dafe8;color:white;font-weight:bold;padding:10px"> Podium: Wie schaffen wir das Drittelsziel? </div> <div style="font-size:18px;padding:10px;background-color:#dddddd"> Was können wir konkret tun, um den gemeinnützigen Wohnungsbau zu fördern? Am 3. Dezember diskutieren Vertreter*innen von Stadt, Genossenschaften und Pensionskassen im Kulturpark wie wir das Drittelsziel erreichen können. <br> <br> <b>Teilnehmer*innen: </b> <br> Anita Wymann - Präsidentin Wogeno <br> Astrid Heymann - Direktorin Liegenschaften Stadt Zürich <br> Mario Schnyder - Leiter Immobilien Pensionskasse NEST <br> <br> Donnerstag 3. Dezember 2020, 19:00 Uhr, Kulturpark, Pfingstweidstrasse 16, 8005 Zürich <br> </div>

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Die PWG, die A Porta-Stiftung und weitere Private beweisen, dass es möglich ist, mit günstigen Mieten Geld zu verdienen. Wie arbeitet die Stadt mit privaten Bauträgern zusammen?

Es sind nicht nur Wohnungen mit Kostenmiete günstig, das ist so. Ich stimme Ihnen zu, es gibt viele Private, die verantwortungsvoll mit den Mieten umgehen. Gleichzeitig gibt es die institutionellen Anleger, die Wahnsinns-Preise zahlen und so Einzelpersonen die Liegenschaften abkaufen. Die Stadt ist mit der gesamten Branche im Gespräch, beispielsweise mit dem halbjährlichen Echoraum, wo wir uns mit allen Bauträgern und politischen Sprachrohren austauschen.

Welche Rolle spielen die Pensionskassen, welche einen gesetzlichen Renditedruck haben?

Die institutionellen Anleger üben in der Stadt Zürich einen unglaublichen Preisdruck aus. Letztlich gibt es auch einen Druck, unsere Renten zu sichern. Da ist es ein Grundproblem, dass es im aktuellen Tiefzinsumfeld fast nur noch Aktien und Immobilien gibt, um die Renditen zu erzielen. Das ist ein Problem, doch es rechtfertigt nicht alles, was aktuell passiert. Eine vernünftige Rendite gibt es auch, ohne dass Menschen aus der Stadt getrieben werden, weil sie die Mieten hier nicht mehr zahlen können.

Wieso greift die Stadt hier nicht regulierend ein?

Das Sozialdepartement handelt dort, wo es Wucher gibt und geht dann rechtlich gegen die Besitzer vor; Stichwort Gammelhäuser. Aber nur ein sehr kleiner Teil der Vermieter*innen betreibt Wucher, die meisten Wohnungen mit Mieten über dem Median sind noch im gesetzlichen Rahmen. Dann haben wir keine Möglichkeiten einzugreifen.

Steigende Mieten sind auch eine Folge des intransparenten Immobilienmarktes und des nicht wirklich öffentlichen Grundbuches. Sogar der Bund fordert mehr Einsicht ins Grundbuch, um Geldwäsche zu verhindern. Ist der Grundbesitz und der Immobilien-Markt zu wenig transparent?

Ich stehe hinter der Forderung, dass unser Grundbuch wie in anderen Kantonen auch digital zugänglich gemacht wird. Aber ich glaube auch, dass der Effekt auf die Mieten nicht wahnsinnig gross ist. Die beiden wichtigsten Treiber der hohen Mieten sind, dass die Stadt sehr attraktiv ist und der Wirtschaftsboom. Durch den Zuzug übersteigt die Nachfrage nach günstigem Wohnraum das Angebot bei Weitem. Darauf versucht die Politik so gut wie möglich zu reagieren.

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