Petition fordert Enteignung der CS-Immobilien
Die UBS wird durch die CS-Übernahme zur grössten Akteurin auf dem Immobilienmarkt. Schweizweit würde die Bank über 50’000 Wohnungen besitzen. Dagegen wurde nun die Petition «Credit Suisse Immobilien enteignen und vergesellschaften!» lanciert.
Die Bodenpreise und die Mieten steigen seit Jahren, Menschen werden aus der Stadt gedrängt und nun wird die UBS zur grössten Akteurin auf dem Wohnungsmarkt in Zürich und der ganzen Schweiz.
Denn die Grossbank übernimmt neben Kund:innen und Konten auch die Immobilien der Credit Suisse. Die Rede ist von über 50’000 Wohnungen. Politisch hat dieser Fakt bereits für Wirbel gesorgt. So verlangte etwa die grüne Nationalrätin Natalie Imboden mehr Transparenz vom Bundesrat und reichte eine Interpellation ein. «Mit der neuen Bank entsteht ein Renditemonster», sagte Imboden zum Blick.
Zusammen mit weiteren Akteur:innen schweizweit haben nun Personen aus dem Zürcher Mietenplenum eine Aktion gestartet. Mit der Petition «Credit Suisse Immobilien enteignen und vergesellschaften!» wollen sie langfristig bezahlbaren Wohn- und Arbeitsraum sichern.
«Die Schweizer Bevölkerung finanziert die Übernahme der CS mit. Eine Vergesellschaftung der CS-Immobilien wäre nur fair», sagt Antonia Steger vom Petitionskommitee.
Faktisch besitzt die CS zwar nur drei Liegenschaften in Zürich, wie der Tages-Anzeiger schreibt. Doch die UBS wie auch die CS sind im Hypothekargeschäft tätig und verwalten grosse Immobilienfonds. Die CS macht dies mit der bereits erwähnten Credit Suisse Funds AG. Durch die Übernahme würde die UBS 54 Prozent des Nettovermögens aller Immobilienfonds schweizweit kontrollieren. Ausgedrückt in Wohnungen umfasst das Portfolio der CS Immobilienfonds laut der Petitions-Seite gut 22’670 und jenes der UBS gegen 27’810 Wohnungen. Durch die CS-Übernahme wird die UBS mit gut 50’480 Wohnungen zu einem Immobilien-Giganten. Im Blick war gar von etwa 60’000 Wohnungen die Rede.
Um zu verhindern, dass dies geschieht, fordern die Petitionär:innen ein schnelles Vorgehen. Zuerst sollen die Liegenschaften verstaatlicht, also vom Bund übernommen werden, danach streben sie lokale Lösungen an. Heisst: Längerfristig sollen die CS-Immobilien an Gemeinden, Genossenschaften, Stiftungen oder neue Organisationsformen gehen. «Dieser zweite Schritt soll offen partizipativ funktionieren. Das bedeutet, dass gemeinsam mit Stadtbewohner:innen und lokalen Akteur:innen entschieden wird, was mit diesen Häusern passieren soll», so Steger.
Der Eindruck einer dominanten Position von der UBS am Schweizer Immobilienmarkt sei falsch, lässt die Bank auf Anfrage ausrichten. Generell könne die Bank zum jetzigen Zeitpunkt aber noch keine Angaben machen, wie sich die geplante Übernahme der CS auf das Immobiliengeschäft der UBS auswirken werde. Der Sprecher betont zudem, dass die Banken nicht selbst in Immobilien investieren, sondern ihre Anlagestiftungen und Immobilienfonds. Eigentümer:innen dieser seien die Anleger:innen.
Die CS nahm innerhalb der Frist keine Stellung zur Anfrage.
Die Petition löst die Wohnungsnot in Zürich nicht
Dass die beiden Grossbanken eine wichtige Rolle auf dem Immobilienmarkt spielen, ist nicht neu. Eine Auswertung vom Recherchekollektiv Reflekt aus dem Jahr 2021 zeigte, dass der Zürcher Wohnungsmarkt von der Versicherung Swiss Life und den zwei Banken UBS und CS dominiert werde. Die UBS und die CS besitzen über mehrere Fonds, Anlagestiftungen oder betriebsinterne Pensionskassen fast 3700, respektive 2400 Wohnungen. Mit der Übernahme fliessen auch diese zusammen. Laut aktuellen Zahlen der Petitionär:innen sind diese Zahlen leicht zurückgegangen. Die UBS wäre mit 5850 Einheiten aber immer noch die grösste Akteurin auf dem Zürcher Wohnungsmarkt.
Die Petitionär:innen sehen ihre Forderung als einen wichtigen Schritt gegen die aktuelle Wohnungskrise. Damit entstünde zwar kein zusätzlicher Wohnraum, doch schweizweit würden rund 23'000 Wohnungen der Spekulation entzogen. «Wir behaupten nicht, dass die Vergesellschaftung der CS-Immobilienfonds alleine die Wohnungskrise lösen kann», sagt Sabeth Tödtli, ebenfalls vom Petitionskomitee. Steger fügt an: «Die Interessen der Grossbanken und ihren Fonds sind von der Rendite getrieben. Durch Enteignung und Vergesellschaftung können wir nachhaltigen und bezahlbaren Wohnraum sichern. Auch für die Stadtentwicklung ist es fatal, wenn zu viele Liegenschaften bei einem Player liegen.» Je grösser Akteur:innen seien, desto mehr Einfluss haben diese auf die Entwicklung einer Stadt. Als Beispiel nennen sie die Küngenmatt, ein Bauprojekt der Pensionskasse Credit Suisse.
«Enteignungs-Fantasien» haben einen schweren Stand
Auch wenn Rufe nach Regulierung genügend vorhanden sind, hat Immobilienexpertin Karin Weissenberger kürzlich in einem Interview gegenüber Tsüri.ch betont, wie hart der Stand für Enteignungen in der Schweiz sei. Der freie Markt wird hochgehalten. «Enteignungs-Fantasien, wie sie die Linke pflegen, lassen sich mit dem Schweizer Eigentumsverständnis kaum vereinbaren», sagte Weissenberger.
Das Petitionskomitee bevozugt daher auch den Begriff der Vergesellschaftung statt der Enteignung. Im Grunde zielen die Begriffe auf dasselbe ab, doch die Wirkung ist eine andere. «Beim Begriff Enteignung denken viele daran, dass man einem etwas wegnimmt. Hingegen ist die Vergesellschaftung etwas Positives – man gibt etwas der Gesellschaft zurück», erklärt Steger.
Aber was ist eigentlich eine Enteignung?
Von einer Enteignung ist immer dann die Rede, wenn der Staat einem:einer Privaten Eigentum abkauft und so wegnimmt. Grundsätzlich ist das Eigentum durch die Verankerung in der Bundesverfassung sehr gut geschützt. Dennoch gibt es Situationen, in denen es zur Enteignung kommen kann. Im Bundesgesetz über die Enteignung steht etwa, dass ein öffentliches Interesse an der Enteignung vorhanden sein müsse und sie verhältnismässig sein muss. Für den Bau von beispielsweise wichtigen Infrastrukturen kann der Bund Land enteignen. Dies passiert etwa beim Strassenbau. Als Gesellschaft sind wir auf Strassen, Bahnlinien oder Leitungen angewiesen, sie entstehen nicht im luftleeren Raum.
«Warum zählt der Boden nicht ebenso als Infrastruktur wie Strassen? Wohnen ist ein Grundbedürfnis, womit nicht spekuliert werden darf», sagt Steger. Ferner hofft sie, durch die Petition ein Umdenken anzuregen – die Akzeptanz, dass Wohnen ein Grundbedürfnis sei.
Auch der Richtplan sieht Enteignungen vor
Solche verhältnismässigen Enteignungen plant auch Zürich. Die Stadt sieht im kommunalen Richtplan Enteignungen als mögliche Massnahmen vor, wenn es darum geht, wie Zürich bis 2040 einer halben Millionen Menschen Platz bieten soll. Freiräume, also Parks und Grünflächen, sollen falls nötig, nicht nur durch Kauf, sondern auch durch Enteignung möglich gemacht werden. Zudem sollen Private ihre Innenhöfe, Dachterrassen oder Vorgärten öffentlich zugänglich machen.
Und auch die Neugass-Initiative, über die die Stimmberechtigten in der Stadt Zürich im Herbst 2022 abstimmten, forderte quasi eine Enteignung – wenn auch dies selten so genannt wurde. Die Stadt soll das Neugass-Areal der SBB abkaufen und dort gemeinnützige Wohnungen errichten. Die Initiative wurde mit 50,3 Prozent knapp angenommen, doch an der Umsetzung scheiterte es: Die SBB will nicht verkaufen und sistiert ihre Baupläne, die nur einen Drittel gemeinnützigen Wohnbau vorgesehen hätten.
Interessant ist, dass auch einst die SBB durch Enteignung zum Areal im Kreis 5 kamen. Der Tages-Anzeiger fasst die Geschichte des Areals zusammen und schreibt, dass die SBB vor rund 100 Jahren Platz für ein neues Depot brauchten. Das Neugass-Areal wurde enteignet und die SBB konnte das Grundstück zu einem damals marktüblichen Preis kaufen. Das Argument der Befürworter:innen stützte sich teils auch auf dieser Geschichte: Da die SBB das Land nicht mehr direkt für den Bahnbetrieb benötigen, könne das Land wieder enteignet werden und einem öffentlichen Zweck dienen: dem günstigem Wohnen.
Diese Beispiele zeigen, dass die Idee der Enteignung nicht neu oder abwegig ist.
Der Zusammenschluss der UBS und CS kommentierte ein Fondsexperte im Tages-Anzeiger im Hinblick auf den Zürcher Wohnungsmarkt als einen «Sturm im Wasserglas».
Eine grosse Aufregung um nichts? Die Zahl 2290 Wohnungen mag im Vergleich zum Total von über 230’000 Wohnungen in der Stadt Zürich klein wirken, doch eine Vergesellschaftung dieser wäre «ein kleiner Beitrag zur Wohnungskrise, ein nächster Schritt». Und es seien trotzdem viele Wohnungen, sagt Sabeth Tödtli. «Und diese sind jetzt Teil der Übernahme. Es wäre eine grosse, vertane Chance, hier nicht einzugreifen.»