Hüseyin Mamakli (Grüne): «Mein Interesse für die Schweizer Politik entstand spät»

Im Februar 2023 wählt der Kanton Zürich sein Parlament neu. Im Zuge dessen stellen wir aus jeder Partei eine spannende Person vor, die kandidiert sowie in der Stadt Zürich lebt. Der 54-jährige Hüseyin Mamakli setzt sich stark für sozialpolitische Themen ein. Weshalb er trotzdem für die Grünen und nicht für die SP oder AL politisiert, erklärt er im Gespräch.

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Hüseyin Mamakli vor seinem Zuhause unweit der Rosengartenstrasse: Seit 25 Jahren wohnt er mit seiner Familie in derselben Wohnung. (Foto: Isabel Brun)

Isabel Brun: Weshalb haben Sie sich dafür entschieden, für die Grünen zu politisieren?

Neben den Themen, die mir persönlich am Herzen liegen, also Gleichstellung, Grundrechte und Migration, setzen sich die Grünen sehr stark für die Umwelt ein. Das ist ihr grosser Vorteil gegenüber den anderen Parteien. Und auch ich sehe grosses Potential in ihrer politischen Agenda, da es noch viel Veränderungsbedarf diesbezüglich gibt. Für diesen Wandel möchte ich mich aktiv einsetzen. Denn alle politischen Bestrebungen nützen nichts, wenn unsere Erde zerstört ist. Wir haben keinen «Planet B». 

Was war Ihr grösster politischer Misserfolg?

Ich setze mich schon seit sehr langer Zeit für die kurdische Politik ein und mein Interesse für die Schweizer Politik entstand vergleichsweise relativ spät. Für mich ist deshalb der grösste «Misserfolg» die späte Auseinandersetzung respektive das späte Aktivwerden in der Schweizer Politik. Trotz meines späten Einstiegs bin ich der Meinung, dass ich hier noch sehr viel verändern kann.

Wohnen ist in der Stadt Zürich ein allgegenwärtiges Thema. Wie wohnen Sie und wie viel zahlen Sie für Ihre Bleibe – oder sind Sie gar Eigentümer?

Seit 1997 wohne ich mit meiner Familie in einer grossen 3,5-Zimmerwohnung nahe der Rosengartenstrasse. Da ich gleichzeitig für den Unterhalt des Hauses zuständig bin und schon so lange hier wohne, zahle ich vergleichsweise wenig Miete.

«In der Stadt Zürich fehlt in vielen Kreisen das Bewusstsein über die Wichtigkeit von Abstimmungen und Wahlen – das will ich ändern.»

Hüseyin Mamakli (Grüne)

Die Strassen Zürichs sind ein hart umworbenes Pflaster. Wie sind Sie in der Regel in der Stadt unterwegs?

Seit ich bei den Grünen aktiv bin, hat ein Umdenken bei mir stattgefunden: Während ich früher oft das Auto nahm, bin ich heute hauptsächlich mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs. Bei Bedarf steht aber noch immer das Familienauto zur Verfügung. Ich muss zugeben, dass das bei einer sechsköpfigen Familie ganz schön praktisch sein kann. 

Welche Themen wollen Sie in den kommenden vier Jahren aufs politische Parkett bringen?

Egal, ob ich in den Kantonsrat gewählt werde oder nicht, will ich mich noch stärker für den Umweltschutz und unsere Biodiversität einsetzen. Aber auch in Sachen Gleichstellung, soziale Sicherheit und Migration gibt es auch in Zürich noch viel zu tun. Beispielsweise verstehe ich nicht, weshalb Menschen, die zwar keinen Schweizer Pass haben, aber schon seit vielen Jahren hier leben, sich nicht an Abstimmungen und Wahlen beteiligen können. Sie sollten meiner Meinung nach auch die Möglichkeit haben, ihre Stadt und Zukunft mitgestalten zu können. 

Vor wenigen Wochen haben wir die Züri Awards verliehen. Wen würden Sie zur/zum Zürcher:in des Jahres 2022 küren und weshalb?

Spontan würde ich hier den Zürcher Regierungsrat Martin Neukom von den Grünen angeben. Er arbeitet aktiv und erfolgreich an unseren Klimazielen und das unterstütze ich weiterhin stark. 

Die Grünen sind vor allem für ihre klimapolitischen Forderungen bekannt und nicht für ihre sozialpolitischen. Ihren Aussagen zufolge ist aber die Migration ein Kernthema für Sie. Würden Sie mit Ihrer politischen Agenda nicht besser zur SP oder AL passen?

Eine berechtigte Frage, zumal ich tatsächlich auch mit der SP und der AL sympathisiere, und auch gewisse Werte mit ihnen teile. Allerdings fehlt mir bei ihnen der Fokus auf die Klimapolitik. Wie bereits oben erwähnt, sind meine Kernthemen zwar sozialpolitisch motiviert, allerdings kann ich meine Forderungen nur stellen, wenn es unseren Planeten und menschliches Leben noch gibt. Ein weitreichender und effektiver Klimaschutz stellt die Grundlage weiterer Veränderungen dar. 

Sie wurden in der Türkei geboren und leben seit fast 30 Jahren in Wipkingen. Was bedeutet Heimat für Sie?

Als ich in die Schweiz gekommen bin, war ich noch ein junger Erwachsener. Bis heute habe ich vieles gesehen und erlebt – das alles hat mich geprägt. Noch immer fühle ich mich mit meinem Geburtsort auf eine gewisse Art verbunden, aber Heimat ist für mich der Ort, an dem ich mich am wohlsten, mich akzeptiert und sicher fühle. Das ist für mich klar die Schweiz.

Sie versuchen auch andere Menschen für Politik zu begeistern und Stimmberechtigte zum Abstimmen und Wählen zu bewegen – wo sehen Sie dabei die grössten Schwierigkeiten? 

Auch in der Stadt Zürich fehlt in vielen Kreisen das Bewusstsein über die Wichtigkeit und Nachhaltigkeit von Abstimmungen und Wahlen – oder es ist noch nicht genügend ausgeprägt. Das möchte ich ändern, indem ich Menschen über ihre Rechte und Pflichten aufkläre, sie über laufende Abstimmungen und deren Inhalte informiere. In dieser Arbeit merke ich immer wieder, dass das Interesse über das politische Geschehen grundsätzlich fehlt, deshalb versuche ich jeweils, ihnen die konkreten Folgen ihrer Untätigkeit aufzuzeigen. Mein Motto «miterleben, mitmachen, mitarbeiten, mitbestimmen» zielt genau auf das ab.

Ein Blick in die Kantonsratslisten

Am 12. Februar 2023 wählt der Kanton Zürich seine Regierung und sein Parlament neu. Während sich für den Regierungsrat 17 Kandidierende zur Wahl stellen, sind es beim Kantonsrat ganze 1687 Politiker:innen. Einige von ihnen wollen künftig auch ihren Zürcher Stadtkreis vertreten. Wir haben uns auf die Suche nach den Kandidierenden gemacht, die uns beim Stöbern in den Wahllisten des Kantonsrats aufgefallen sind.


Am 12. Februar 2023 wählt der Kanton Zürich seine Regierung und sein Parlament neu. Während sich für den Regierungsrat 17 Kandidierende zur Wahl stellen, sind es beim Kantonsrat ganze 1687 Politiker:innen. Einige von ihnen wollen künftig auch ihren Zürcher Stadtkreis vertreten. Wir haben uns auf die Suche nach den Kandidierenden gemacht, die uns beim Stöbern in den Wahllisten des Kantonsrats aufgefallen sind.




1. Anabel Minas (Die Mitte): «Es ist wichtig, dass queere Menschen in bürgerlicheren Parteien aktiv sind»


2. Christoph Riedweg (GLP): «Wenn die Lohnschere derart auseinanderklafft, so hat dies soziale Sprengkraft»


3. Rahel El-Maawi (AL): «Wir müssen die Frage der Zugehörigkeit reflektieren»

4. Tanja Emmenegger (SVP): «Das Gesundheitspersonal hat Unglaubliches geleistet»

5. Matyas Sagi-Kiss (SP): «Die Wohnungsnot soll nicht nur auf städtischer Ebene bekämpft werden»


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