Was ist eigentlich Geld?

Finanzkrise 2008, Rentenreform, Hilfspakete in Krisenzeiten – kaum ein Tag vergeht, ohne dass über Geld gesprochen wird. Bereits ein kleines Kind lernt, dass sich die funkelnden Münzen oder die Papierfetzen in etwas anderes eintauschen lassen. Um den tatsächlichen Wert des Geldes wird man sich aber erst viel später bewusst. Nun, was ist Geld eigentlich? Und was benötigt Geld, um tatsächlich bestehen zu können?

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Foto: Claudio Schwarz von Unsplash

Mehr als 2000 Jahre liegt der Ursprung des Geldes und der Geldwirtschaft wie wir sie kennen zurück. Damals tauschte man vor allem mit Perlen, Muscheln und Lebewesen wie Vieh. Der Anstoss zum Geldhandel selbst entstand erst später um das 7. Jahrhundert nach Christus mit der Münzprägung von Gold und Silber. Grund dafür war das Material selbst, das den Münzen einen hohen Eigenwert, also einen absoluten Wert, verlieh. Ein mühsames Abwägen über den etwaigen gleichen Tauschwert war somit nicht mehr nötig. Dieser neue Kaufprozess verlief deutlich direkter und schneller, als über die langen Tauschketten unterschiedlicher Waren. Das Geld erlangte schliesslich den Status eines allgemeinen Tauschmittels. Der Handel wurde erleichtert und die Marktwirtschaft entstand.

Nur Bares ist Wahres – oder eben doch nicht?

Wer in Besitz solcher Gold- und Silbermünzen war, galt als reich. Erkannte und entschied sich die Person dazu, die Kaufkraft des Geldes zu nutzen, musste der Schatz weitergegeben werden. Man hatte die Qual der Wahl. Den Schatz behalten oder ihn einlösen.

Die Erschaffung von Papiergeld im 10. Jahrhundert nach Christus und die später entstandenen Geldarten entgehen diesem Dilemma. Seien es Warengeld wie Mineralien, Salz, Felle, Vieh oder Münzen, Fiat- oder Zentralbankgeld, das heutige Münzen und Noten beschreibt, Giralgeld wie Gutachten auf Konten und in Büchern oder Kryptogeld als digitales Zahlungsmittel – all diese Geldformen besitzen im Vergleich zu den damaligen Gold- und Silbermünzen keinen Eigenwert mehr.

Man könnte also meinen, dass Geld an sich wertlos ist.

«Teils ja, teils nein» meint Dr. Mischa Suter, Forscher für Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Universität Basel. «Menschen jonglieren schon seit der Kolonialzeit mit verschiedenen Geldformen. Diese können in gewissen Situationen als wertvoll gelten, in einem anderen Zusammenhang aber wertlos sein.» Und das laufe wiederum der oft vertretenen Ansicht entgegen, Geld als «allgemeines Äquivalent» anzusehen, das gegen alles einzutauschen sei. Auf der anderen Seite steht aber die Charakterlosigkeit des Geldes. Geld bringt uns die Wahlfreiheit, zwischen den unterschiedlichsten Dingen entscheiden zu können. Die Ware aber ist an sich selbst festgebunden und wir müssen uns inhaltlich auf etwas festlegen. Die Wahlfreiheit fällt also weg. Das ist möglicherweise ein Grund dafür, dass kein Land, das je irgendeine Form der Währung eingefügt hat, davon wieder losgekommen ist.

Geld ist Vertrauen – manchmal

Es ist nun klar, dass der Wert des Geldes an sich, situationsabhängig ist. Daraus entsteht der Hauptzweck des Tauschgeschäftes. Jedoch ist das nicht die einzige Funktion die das Geld, wie wir es heute kennen, erfüllt. Nebst der Zahlungsmittelfunktion sind zwei weitere Aufgaben wichtig: die Funktion als Wertaufbewahrungsmittel oder die als Wertmassstab. Dieser Wertmassstab beschreibt nicht nur den materiellen Wert des Geldes, sondern auch den psychologischen Wert, das Vertrauen. Was im ersten Moment etwas absurd klingen mag, macht nach weiteren Überlegungen bereits ziemlich viel Sinn. Als Erklärung: Wenn wir von Geld sprechen, wird automatisch vorausgesetzt, dass Geld für die Involvierten denselben Wert hat. Steht eine Bekannte oder ein Bekannter gegenüber, ist man sich deren Tauschwert im Klaren. Trifft man jedoch eine fremde Person, bleibt uns nichts anderes übrig als davon auszugehen, dass das Gegenüber in Sachen Geld die gleiche Vorstellung besitzt. Das Vertrauen in die fremde Person wird also durch das Geld messbar gemacht. Es erlaubt uns, Fremden zu vertrauen.

Ebenfalls benötigt es Vertrauen in die zukünftige Gültigkeit des Regelwerkes. Anders gesagt, wir müssen darauf hoffen, dass Geld seine Kaufkraft über einen längeren Zeitraum behält. Um es sorglos aufzubewahren und zu einem späteren Zeitpunkt wieder einsetzen zu können. Ist das nicht der Fall, kommt es laut Suter zu einer Hyperinflation, bei der immer mehr Personen von einem sinkenden Wert der Währung ausgehen. Die Folge: das Vertrauen in die Währung geht verloren.

So weit so gut. Aber auch hier gibt es natürlich Ausnahmen. Dafür reicht wieder ein Blick in die Vergangenheit. Wie Suter erzählt, wurde während der Kolonialzeit in Afrika und Asien die kolonialisierte Bevölkerung gezwungen, das Geld der Kolonialmächte anzunehmen. Konnten die Einwohner*innen aber frei entscheiden, fiel die Wahl stets auf andere Tauschmedien, als ihnen von den Kolonialmächten vorgeschrieben wurden. Die Bevölkerung vertraute dem Geld an sich also nicht und trotzdem funktionierte es zu einem gewissen Teil. «Darum ja, Vertrauen ist wichtig. Aber es gibt noch andere Verhältnisse wie zum Beispiel unter dem Einfluss von Gewalt, wo man davon ausgehen muss, dass Vertrauen im Zusammenhang mit Geld nicht die zentrale Rolle spielt», stellt Suter klar.

Geld ist und wird auf eine praktische Art und Weise immer an verschiedene Formen und Materialitäten gebunden sein. Es ist etwas, das sowohl von materiellen als auch symbolischen Dimensionen abhängig ist.

Dr. Mischa Suter, Universität Basel

Blick in die Zukunft

Es ist wohl den meisten von uns aufgefallen, dass immer öfters die Bezahlung mit Karten anstelle von Bargeld verlangt wird, speziell seit der Coronakrise. Auch in Zukunft wird sich dieser Trend noch mehr verstärken. Dass alles immer abstrakter wird, greife aber zu weit, meint Suter. «Geld ist und wird auf eine praktische Art und Weise immer an verschiedene Formen und Materialitäten gebunden sein. Es ist etwas, das sowohl von materiellen als auch symbolischen Dimensionen abhängig ist». Ein Beispiel: Ein IT-System, das Kreditgeld als Dateninformationen speichert, mag ziemlich abstrakt sein. Jedoch ist die Maschine des IT-Systems hochgradig materiell. Es ist ein Zusammenspiel, das mit einer gewissen Abstraktion zu tun hat, es aber nicht ausschliesslich ist.

Was mittlerweile klar ist: Geld lässt sich eben nicht ganz so einfach erklären. Es ist ein komplexes Konstrukt, das in der Regel stark davon abhängig ist, ob wir daran glauben oder nicht. In Ausnahmefällen kann es aber auch ohne Vertrauen durchgesetzt werden. Und speziell in solchen Fällen macht sich die Verbindung von Geld zu Macht und Einfluss bemerkbar. Fälle, wo Geld den Rang und Wert einer Person in den Gesellschaften definiert und über deren Möglichkeiten entscheidet. Dadurch ermöglicht Geld eben unglaublich viele Dinge und Aktivitäten, und meistens steigert es den Lebensstandard. Wie ein Tsüri-Leser schrieb: «Geld ausgeben macht eben Spass, auf Geld achten nicht». Und trotzdem, die Mehrheit der Tsüri-Leser*innen der Geldumfrage sind sich einig: Geld macht definitiv nicht glücklich. Es beruhigt halt einfach.

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