Stadt verfehlt Frauenquote – Gemeinderätinnen verlangen 50 Prozent
Rund die Hälfte der städtischen Verwaltung hat weniger als 35 Prozent Frauen in den Kaderstellen. Drei Gemeinderätinnen wollen das ändern – und fordern eine Frauenquote von 50 Prozent in der Teppichetage.
Die Stadt Zürich hat sich 2015 zum Ziel gesetzt, die Gleichstellung der Geschlechter in der eigenen Verwaltung voranzutreiben. Jede städtische Kaderstufe sollte mindestens 35 Prozent Frauen und Männeranteil aufweisen.
Zehn Jahre später verfehlt aber rund die Hälfte der städtischen Departemente und Abteilungen diese Vorgabe – das zeigt die Stadtrats-Antwort auf eine schriftliche Anfrage dreier Gemeinderätinnen.
Die Politikerinnen von SP, Grünen und AL wollen nun eine Verschärfung der Zielsetzung und fordern eine 50-Prozent-Frauenquote.
Denn die Geschlechterverteilung hat sich zwar in fast allen Departementen verbessert, doch die Stellungnahme des Stadtrats macht deutlich: Es besteht weiterhin Aufholbedarf.
Ursachen: Keine Abgänge und klassische Männerberufe
Einzig das Sozialdepartement, das Gesundheits- und Umweltdepartement und das Hochbaudepartement erreichen die Quote von 35 Prozent in allen drei Kaderstufen. Im obersten Kader des Schul- und Sportdepartements jedoch ist keine einzige Frau angestellt.
Die Medienstelle erklärt diesen Umstand auf Anfrage damit, dass es seit 2021 keine Wechsel gegeben habe. «Daher bot sich auch nicht die Chance, die Frauenquote zu verbessern.» Im mittleren und oberen Kader seien Frauen jedoch deutlich in der Mehrzahl.
Auch bei den Behörden und der Gesamtverwaltung sank der Frauenanteil im obersten Kader zwischen 2022 und 2024 von 20 Prozent auf 0 Prozent. Die übergeordnete Medienstelle konnte innerhalb der gesetzten Frist keine Begründung für das Verfehlen der Quote liefern, da die Abteilungen «sehr kleinteilig organisiert» seien.
Die Antwort des Stadtrats zeigt zudem: Im Departement der Industriellen Betriebe, dem Finanzdepartement sowie dem Sicherheitsdepartement wird die Zielvorgabe von 35 Prozent auf keiner der drei Kaderstufen erreicht.
Das Sicherheitsdepartement erklärt dies damit, dass die betroffenen Abteilungen Schutz & Rettung und die Stadtpolizei lange Zeit als Arbeitsorte für Männer galten.
Teilzeit fördern, Männer nur mit Erlaubnis einstellen
Um die Quote zu erreichen, prüften sie Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit und sprächen in der Personalwerbung gezielt Frauen an. Zudem gelte: «Wenn im Sicherheitsdepartement auf Kaderstufe ein Mann neu eingestellt wird, muss dies schriftlich bei der Vorsteherin begründet werden.»
Auch das Finanzdepartement schreibt auf Anfrage, dass in den betroffenen Abteilungen Finanzverwaltung, Organisation, Informatik und Steueramt der Anteil männlicher Angestellter generell hoch sei. «Auf ausgeschriebene Stellen bewerben sich leider immer noch zu wenige Frauen», schreibt die Medienstelle.
Um die Quote zu erhöhen, würden zu besetzende Stellen mindestens mit einem 20 Prozent-Spektrum ausgeschrieben – beispielsweise 50 bis 70 Prozent. Weiter würden Ausbildungen angeboten oder geeignete interne Mitarbeitende des untervertretenen Geschlechts explizit aufgefordert, sich zu bewerben.
Postulat fordert 50 Prozent Frauenquote
Gemeinderätin Lara Can (SP) ist unzufrieden damit, dass die Stadt ihre eigene Geschlechterquote verfehlt hat. Damit ignoriere sie einen politischen Auftrag und festige Ungleichheiten. Die strukturelle Diskriminierung von Frauen im Berufsleben sei ein Fakt – «die Stadt versagt hier in ihrer Vorbildfunktion», so Can.
Gemeinsam mit Anna-Béatrice Schmaltz (Grüne) und Sophie Blaser (AL) reichte sie Anfang September ein Postulat ein, das eine Frauenquote von mindestens 50 Prozent fordert.
Die Gemeinderätinnen möchten zudem die aktuelle Zielvorgabe überarbeiten, die auf einem binären Geschlechterbild basiert. Diese fordert nämlich heute eine Mindestquote für beide Geschlechter.
Diese Formulierung führte dazu, dass auch das Präsidialdepartement die 35-Prozent-Quote nicht einhielt – allerdings, weil zu wenige Männer beschäftigt waren.
Mit der neuen Forderung von «mindestens 50 Prozent Frauenanteil» sollen gemäss Postulantinnen explizit jene Personen gefördert werden, die strukturelle Diskriminierung erleben. Die Förderung von nicht-binären Personen fehlt auch in der neuen Zielvorgabe. Can sagt, sie seien sich bewusst, dass es hier zusätzlichen Handlungsbedarf gebe.
Für das Erreichen der 50-Prozent-Frauenquote geben sie der Stadt acht Jahre Zeit.
«Wir brauchen eine deutliche Verbesserung der Geschlechtergerechtigkeit – und zwar schnell», sagt Can. «Die Stadt hatte bereits zehn Jahre Zeit, eine Fristverlängerung um weitere acht Jahre muss reichen.» Falls die Quote erneut untertroffen wird, sollen die betroffenen Abteilungen künftig Rechenschaft ablegen müssen.
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Aufgewachsen am linken Zürichseeufer, Master in Geschichte und Medienwissenschaft an der Universität Basel. Praktikum beim SRF Kassensturz, während dem Studium Journalistin bei der Zürichsee-Zeitung. Wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem SNF-Forschungsprojekt zu Innovation im Lokaljournalismus. Seit 2021 Mitglied der Geschäftsleitung von We.Publish. Seit 2023 Redaktorin bei Tsüri.ch.