Sind Burger-Restaurants ein Anzeichen für die Aufwertung der Stadt?

Überall gehen neue Premium-Burgerläden auf. Ist dieser Boom ein Anzeichen von Gentrifizierung oder nicht? Redaktor Philipp Mikhail ist der Frage nachgegangen.

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Allein in den Kreisen 4 und 5 gibt es inzwischen mehrere Dutzend Premium-Burger-Restaurants. Dass diese hippen Buden den grossen Fast-Food-Ketten das Leben schwer machen, ist längst bekannt. Schaut man sich an, wo diese neuen Trendlokale eröffnet werden, erhärtet sich der Verdacht, dass Burger-Restaurants und Gentrifizierung Hand in Hand gehen und sich die Gentrifizierung immer mehr in Richtung Kreis 9, also nach Albisrieden und Altstetten, ausweitet. Eine steile These.

Auf dem Weg vom Stauffacher nach Altstetten entstand vor einiger Zeit ein «Butcher» beim Bezirksgebäude, kürzlich auch das Restaurant «eNDI Burger & Coffee» an der Zypressenstrasse und beim Letzipark steht «Cindy’s Burger Trailer».

Damit ist die Geschichte aber noch lange nicht gegessen: Nur wenige Minuten vom Letzigrund entfernt findet man seit Kurzem das «Western Burger House» und am Bahnhof Altstetten eröffnete «The Butcher» eine Take-Away-Filiale. Daraufhin änderte der einstige «Neu Punkt» am Lindenplatz kurzerhand sein Konzept und heisst jetzt «Burger Brothers».

Brisant: Die Mietpreisentwicklung im Kreis 9 schwankt innerhalb der Quartiere massiv. Gemäss einer Datenerhebung der Stadt Zürich im Jahr 2016 lag die durchschnittliche Miete pro Monat für eine 3-Zimmerwohnung im Kreis 9 bei 1'300 Franken. Eine Statistik von homegate.ch zeigt hingegen, dass die Miete ein Jahr später beispielsweise beim Lindenplatz oder in der Nähe des Letzigrunds bereits bei über 2'000 Franken liegt.

Dort wo es Burger gibt, ist wohnen teurer

Für eine 3-Zimmerwohnung mit einer durchschnittlichen Fläche von 70 Quadratmetern bezahlt man gemäss homegate.ch bei der Bäckeranlage rund 750 Franken mehr als bei der Freihofstrasse im Kreis 9. Neben der zentralen Lage spielt für viele Mieter*innen die umliegende Infrastruktur fast eine wichtigere Rolle, wenn es um die Wahl ihres Domizils geht.

Zu einer guten Infrastruktur gehört, dass es in der Umgebung Einkaufsmöglichkeit gibt. Noch besser ist es, wenn Bars und Restaurants in der Nähe sind, bei denen man sich verpflegen kann. Besonders anhand der Restaurants kann man bei einem Quartier schnell feststellen, wie beliebt und vor allem wie teuer es ist. Der Zusammenhang zwischen feschen Esslokalen und steigenden Mieten in deren Umfeld, lässt sich in Zürich momentan wohl am besten anhand der Burger-Restaurants aufzeigen.

In den trendigen Kreisen 4 und 5 befinden sich die meisten Burger-Restaurants in der Stadt. Es sind genau diese Kreise, die in den letzten Jahren offensichtlich stark gentrifiziert wurden und in denen Mietwohnungen ausserordentlich teuer sind. Dort, wo es also im Moment Burger gibt, ist wohnen teurer.

Der Zeitgeist des Burgers

Für Bo, Mitinhaber der Burger-Bude «Zum Gaul» gleich beim Bahnhof Hardbrücke, war der richtige Zeitpunkt schon immer ein extrem wichtiger Faktor, wenn es um Trends und Gentrifizierung geht. «Als wir 2015 das Restaurant Rössli zu unserem Gaul machten, verkaufte man dort täglich vielleicht gerade mal fünf Burger», berichtet er. «Mit unserem neuen Konzept waren wir damals irgendwie genau am Puls der Zeit, konnten jedoch erst 2018 schwarze Zahlen schreiben», fährt er fort. Das Gerold-Areal, wo sich unter anderem auch diverse andere Lokale und Clubs befinden, sei ein einzigartiges Beispiel dafür, wie Gentrifizierung in einer Stadt funktionieren könne.

In der Tat ist der Fall Gerold-Areal sehr speziell. Denn es ist eher unüblich, dass Georg Mayer-Sommer, der einen Teil der dortigen Fläche besitzt, das Kaufangebot der Stadt ablehnte und so den Bau eines neuen Kongresszentrums auf dem Areal verunmöglicht hat. Die Zeit kommt indes auch Mayer-Sommer zugute, denn es ist anzunehmen, dass er lediglich auf einen weiteren Preisanstieg der Fläche spekuliert und seinen Teil des Areals eines Tages zu einem weit höheren Preis verkaufen wird.

«Der Vorteil an der exzessiven Aufwertung bei uns ist, dass wir eigentlich nie Lärmklagen von Mieter*innen aus der Umgebung haben. Denn die einzigen Wohnungen, die es in der Nähe noch gibt, sind alle bestens schallisoliert», fügt Bo hinzu. Momentan sei der Spagat zwischen «hip sein» und die Schickeria Zürichs zu bewirten, noch immer zu meistern. Zudem sei die Kundschaft im Gaul – gerade weil die Stadt das Kongresszentrum nicht bauen konnte – vielseitiger als an den meisten Orten in Zürich.

Für Bo ist klar, dass die Gentrifizierung eines Quartiers nicht auf die Restaurants zurückzuführen sei. Das Gespräch zeigt zudem auf, wie der Burger als solches ebenfalls aufgewertet wurde und sich vom Armeleuteessen zum trendy Snack gemausert hat. Dass die Spekulation Mayer-Sommers den Gaul gerettet hat und in ferner Zukunft gleichzeitig auch sein Aus bedeutet, beschreibt weiter, wie komplex die Faktoren für die Aufwertung eines Quartiers sein können.

Restaurants sind nicht die Ursache von Gentrifizierung

Fredy Wiesner, CEO der Fredy Wiesner Gastro AG, ist ein alter Hase im Gastrogeschäft. Unter anderem betreibt er weit über die Stadtgrenzen hinaus die Burger-Restaurants «The Butcher», zudem die asiatischen Restaurants «Nooch» und die Sushi-Restaurants «Negishi». Insgesamt beschäftigt die Fredy Wiesner Gastro AG in der Schweiz rund 600 Angestellte. Auch für ihn ist die Behauptung, dass die jeweiligen Restaurants nur gewinnorientiert und damit eine Ursache für die Gentrifizierung sind, schlicht falsch.

«Es ging mir nie ums Geld» erklärt er. «Als ich vor 30 Jahren im Seefeld mein erstes Lokal, das Café Sandwich, eröffnete, war ich neu in der Gastronomie und wollte lediglich meiner Leidenschaft für gutes Essen nachgehen. Seither hat sich die Stadt immer wieder stark gewandelt und mit ihr die Gastronomie». Für die Aufwertung eines Quartiers seien immer verschiedene Faktoren verantwortlich. Dazu zähle beispielsweise das Verkehrsnetz.

«Als der Verkehr um die Kalkbreite und das Lochergut entlastet wurde und es dort plötzlich weniger lärmig war, wurde die Umgebung plötzlich viel attraktiver». Zudem sei die Nachfrage nach «Erlebnis-Gastronomie» in Zürich enorm gestiegen. Wiesner rechnet damit, dass sich die neuen Burgerbuden künftig in Zürich etablieren werden. «Als die ersten Pizzerias in Zürich eröffneten, hätten viele Leute damals auch nicht gedacht, dass sich dieser Trend durchsetzt».

Trendlokale sind immer ein Indiz für Aufwertung

Auch wenn Burger-Restaurants nicht die Ursache für die Gentrifizierung in Zürich sind, sie zeigen wo die Stadt in Zukunft fortlaufend mehr aufgewertet wird. Geht man davon aus, dass Burgerbuden ein Indiz für die Aufwertung sind, verschiebt sich diese nun immer mehr in Richtung Norden der Stadt. Doch nicht nur die Burgerbuden, sondern alle Trendlokale sind ein Hinweis für Gentrifizierung.

Für viele Bewohner*innen eines Quartiers sind solche Lokale vorerst eine willkommene, innovative Bereicherung. Erst wenn ein Quartier masslos aufgewertet wird und vielleicht sogar die eigene Miete steigt, vergeht ihnen der Appetit. Oft häufen sich dann mit der Zeit auch die Neueröffnungen solcher Lokale. Die durchschnittliche Miete eines Quartiers steigt letztendlich nur nicht, weil die Stadt interveniert und als Ausgleich auch preiswertere Wohnungen baut.

Die Henkersmahlzeit der Stadt

Stadt- und Sozialwohnungen werden beim Miet-Map von homegate.ch nicht berücksichtigt. Die Stadt selbst subventionierte bis zum Jahr 2016 rund 6'900 Wohnungen. Daneben bemühen sich auch diverse Stiftungen und Genossenschaften um günstigen Wohnraum in Zürich. Dies scheint bis jetzt das einzige Rezept gegen die stetige Aufwertung zu sein. Am Ende ist es möglicherweise der toxische Cocktail aus raffgieriger Spekulation, urbanem Hedonismus und zu wenig Engagement der Stadt, der die Gentrifizierung vorantreibt.

Optimist*innen dürfen davon ausgehen, dass immer, wenn ein neues Quartier durch die Aufwertung kaputt geht, woanders Raum für Neues entstehen kann. Auf dem Land sinken die Mieten indes sogar.

Pessimistisch gesehen wird wirklich günstiger Wohnraum in Zürich nur plakativ im Zusammenhang mit einem Fussballstadion oder auf dem noch besetzten Kochareal umgesetzt und der Burger ist dabei lediglich die Henkersmahlzeit der Stadt.

Titelbild: Philipp Mikhail

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