Zürcher Nachtlokale in Not: Eine «Clubstiftung» soll Abhilfe schaffen

Bereits verschlossene Türen bei den einen, zu wenig Umsatz bei den anderen. Zürcher Clubs bangen um ihre Existenz – jetzt möchten Politiker:innen sie unterstützen.

Leere Zürcher Clubs
Haben Zürcher Clubs bald Grund zum Feiern? (Bild: Tsüri.ch)

Hier, wo die Menschen feiern, herrscht hinter den Kulissen Krisenstimmung. Den Clubs fehle es an Geld und auch wenn es solch schwierige Zeiten in der Branche schon immer gegeben habe: «So gross wie heute sind die Herausforderungen wohl noch nie gewesen», sagt Alexander Bücheli, Geschäftsführer der Bar und Club Kommission (BCK).

Seit 2018 ist der Pro-Kopf-Umsatz um 30 Prozent zurückgegangen. So das Resultat einer nicht repräsentativen Umfrage der BCK. Dazu kommen die steigenden Miet- und Nebenkosten und die Tatsache, dass die pandemiebedingten Kredite bis 2027 zurückbezahlt werden müssen. Zürcher Clubs kämpfen mit Existenzängsten, einige wie beispielsweise der Sender, der Hiltl Club und der Bronx Club mussten bereits endgültig schliessen (wir haben berichtet).

Deswegen fordert Bücheli eine öffentliche Clubförderung durch die Stadt Zürich. Die Forderung ist nicht neu – doch nun findet das Anliegen auch Unterstützung in der Politik.

Politiker:innen fordern Unterstützung

Für Gemeinderat Sven Sobernheim (GLP) steht ausser Frage, dass Clubkultur gefördert werden muss. Es sei höchste Zeit, dass die Politik jetzt eine Diskussion über Clubförderung führt – bevor die Szene ausgestorben ist. Auch SP-Gemeinderätin Liv Mahrer ist besorgt um das Zürcher Nachtleben und vor allem darum, dass ohne Clubförderung nichts Neues mehr entstehen kann: «Viele Junge haben nicht mehr die Möglichkeit, in der Clubszene etwas aufzubauen und so in die Fussstapfen ihrer ‹Vorkämpfer:innen› zu treten.»

Nicht nur links sieht die Not der Clubs. Auch der FDP-Gemeinderat Martin Bürki sieht das Musikangebot der Zürcher Bars und Clubs als ein Kulturgut. Das Thema sei in der Partei zwar noch nicht besprochen worden, «aber persönlich bin ich der Ansicht, dass Nachtlokale in der Kulturförderung der Stadt Zürich aufgenommen werden sollten», sagt Bürki.

Es sind zwölf Ressorts von Tanz und Theater bis Film und Literatur, die Gelder von der Kulturförderung erhalten. Darunter auch der Popkredit für Jazz, Rock und Pop und das Gebiet für klassische und neue Musik. Zwar könnten Clubs bereits Fördergelder für Live-Events beantragen, doch für die meisten lässt sich keine zuständige Förderstelle finden. Denn gerade bei Partys mit DJs ist es schwierig, diesen als «Live»-Event auszulegen. Zudem beobachtet Liv Mahrer, dass «die Hürde dieser Anträge teilweise so gross sind, dass jemand fast einen Bachelorabschluss dafür bräuchte».

Zwischen Kultur und Kommerz liegt ein Graubereich

Die Stadt Zürich zeigt sich bislang zögerlich, wenn es um die Förderung der Clubkultur geht. Auf die schriftliche Anfrage der GLP-Gemeinderät:innen Ann-Catherine Nabholz und Sven Sobernheim antwortete der Stadtrat Mitte Juni, «dass es sich bei der Bar- und Clubbranche um eine privatrechtliche Branche handelt, deren Angebot und Nachfrage den Marktkräften unterliegen».

Nicht kommerziell geführte Betriebe und Veranstaltungen haben es einfacher, finanzielle Hilfe zu erhalten. Niklaus Riegg vom städtischen Popkredit betont, dass sie unter anderem das Konzertlokal Moods und den Club Helsinki bereits fördern: «Wir unterstützen alternative Clubs unter anderem, damit sich lokale Kulturschaffende nicht selbst ausbeuten.» Die Schwierigkeit liege darin, dass sich Clubs im Graubereich zwischen Profitstreben und Kultur befinden und der «Popkredit fördert keine Institutionen und Projekte, die eine vorwiegend kommerzielle Ausrichtung aufweisen», sagt Riegg. Entscheidend sei auch immer die Frage, was der Kultur fehlen würde, wenn ein Club schliessen müsste und ob dessen Erhalt von kultureller Bedeutung für die Stadt sei.

Politische Ideen für die Clubförderung 

Geht es nach Alexander Bücheli, soll sich eine neu zu gründende Stiftung diesem Problem annehmen. So soll eine Fachgruppe darüber urteilen, welche Angebote unterstützt werden und welche nicht. 

Die Idee findet unter den Politiker:innen Gehör: «Ich denke an eine Programmförderung, die Bereiche unterstützt, die sich für Clubs und Bars bisher nicht lohnen», sagt der FDPler Martin Bürki. Er kann sich vorstellen, dass es politisch umsetzbar wäre, wenn die «Clubstiftung» sich ähnlich wie die Filmstiftung finanzieren würde, also durch jährliche Zuschüsse von Sponsoren, der BCK und der Stadt und durch Rückflüsse erfolgreicher Veranstaltungen. Die SPlerin Liv Mahrer findet die Idee spannend, «und doch klingt es ein bisschen nach einer liberalen Alibiübung», sagt sie. 

Eine andere Möglichkeit kommt vom Grünliberalen Sven Sobernheim. Diese wäre, dass nicht direkt Geld zu den Veranstalter:innen fliesst, sondern die Stadt Hebel betätigt, um zum Beispiel Räumlichkeiten für die Clubnutzung erschwinglich zu gestalten.

Basel ist weiter

Während die Diskussion, ob Bars und Clubs als Teil des städtischen Kulturguts anerkannt werden sollen, in Zürich also gerade erst Fahrt aufnimmt, ist man in Basel schon weiter. 

Im November 2020 hat die Basler Stimmbevölkerung die Trinkgeld-Initiative angenommen. Seit April dieses Jahres stärkt der Kanton Basel-Stadt die Jugend- und Alternativkultur, indem er Musikclubs als förderungswürdige Kulturbetriebe anerkennt. Diese erhalten nun Mittel, um anspruchsvolle Programme zu bieten und faire Löhne zu zahlen. Bis 2026 sollen die Fördergelder aufgestockt werden, sodass jährlich mindestens fünf Prozent des Basler Kulturbudgets – rund 6,6 Millionen Franken – in diese Bereiche fliessen.

Zürcher Clubs im Überlebensmodus

Bis es eines Tages vielleicht Hilfe gibt, müssen sich die Clubs selber helfen. Einige versuchen, mit neuen Angeboten Kundschaft anzulocken. Im X-tra gibt es beispielsweise Abende mit Silent Discos, vermehrt gibt es auch Partys, die tagsüber stattfinden. Nachtlokale erweitern ihr alkoholfreies Angebot.

Doch ob die neuen Angebote reichen, um als Club nicht einzugehen? Bücheli erklärt, wie begrenzt der Handlungsspielraum der Clubs ist: «Betriebe können nicht mehr Gäst:innen hereinlassen, um so die Einnahmen zu erhöhen, da die Kapazität feuerpolizeilich gegeben ist. Und eine Preiserhöhung würde dazu führen, dass noch mehr junge Menschen ausgeschlossen würden.»

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