Patchwork und Queer: Vorsorge für moderne Familien

Die Vorsorge betrifft alle. Manche früher, andere später, unabhängig vom Alter oder der Lebensphase. Dennoch wird das Thema oft aufgeschoben. Eine Patchworkfamilie und ein homosexuelles Paar aus Zürich erzählen über ihre persönlichen Herausforderungen bei der Finanzplanung.

Patchwork Familie Symbolbild Unsplash
Es geht auch anders: Heiraten ist nicht die einzige Möglichkeit, sich in einer Partnerschaft finanziell abzusichern. (Symbolbild: Unsplash)

Witwe während der Schwangerschaft

Schon früh war Lotta Müller (61) gezwungen, sich mit Fragen auseinanderzusetzen, über die man lieber nicht nachdenkt. Lotta Müller heisst eigentlich anders, möchte jedoch anonym bleiben. Die damals 34-Jährige war im vierten Monat mit ihrer Tochter schwanger, als ihr Partner an einer Lungenembolie starb. Heiraten wollten die beiden, dazu kam es jedoch nie. Eine Witwenrente erhält Müller daher nicht, jedoch eine Waisenrente für ihre Tochter. Dieser Schicksalsschlag lehrte sie, sich auf die Menschen zu konzentrieren, die da sind, und nicht auf die, die fehlen.

Mit dieser Einstellung lernte sie zwei Jahre später ihren heutigen Partner Rolf Schmid kennen, der eigentlich auch einen anderen Namen trägt. Die beiden teilen dasselbe Schicksal. Schmid brachte zwei Kinder aus zwei verschiedenen Beziehungen mit. Seine früheren Partnerinnen verstarben beide. Die eine an Brustkrebs, die andere an Lungenkrebs. Sowohl Schmid als auch Müller wissen also, was es bedeutet, mit Kindern alleine zurückzubleiben. «In einer Patchworkfamilie ist es das Wichtigste, bewusst, grosszügig und pragmatisch miteinander umzugehen», so Müller.

Die Finanzen hätten sie jedoch bewusst getrennt gehalten. «Es wäre schlichtweg zu kompliziert geworden», sagt die 61-Jährige. Der Familienzusammenhalt untereinander sei gross und auf Wunsch der Kinder seien die beiden verlobt. Eine Hochzeit sei jedoch nicht geplant. Dann wären zusätzlich noch Themen wie Adoption ins Spiel gekommen. «Für uns passt es, wie es ist.» Auch haben die Kinder alle einen anderen Nachnamen, aber darauf käme es nicht an. Sie wüssten, dass sie zusammengehören, dafür bräuchten sie nicht den gleichen Namen, so Müller. Das Paar lebt auch nicht in einem Konkubinat, sie würden bewusst alles Finanzielle getrennt halten wollen.

Schmid sei für den Lebensmitteleinkauf zuständig und sie bezahle jeweils die Ferien. Das hätten sie so abgemacht, und es passe für beide super. Sie arbeitet in einem 90-Prozent-Pensum an einer Zürcher Schule. Schmid ist zu 70 Prozent als Primarlehrer tätig. Bei den Pensionskassen haben sich Müller und Schmid gegenseitig angemeldet. Laut Florian Bächler, Vorsorgespezialist beim Vermögenszentrum (VZ) in Zürich, ist dies einer der häufigsten Fehler. Viele Pensionskassen bezahlen unter bestimmten Voraussetzungen eine Partnerrente bei einem Todesfall. Hat man sich jedoch nicht gegenseitig angemeldet, können diese Ansprüche nicht geltend gemacht werden, sagt Bächler. Müller und Schmid hätten diesbezüglich also alles richtig gemacht.

«Es ist wie beim Putzen, man weiss, dass man es tun sollte, aber verdrängt es dann doch wieder.»

Emanuel Neubacher

Vorsorge bei Patchwork-Familien

Bei Familien sei der entscheidende Punkt bei einem Todesfall, ob das Paar verheiratet ist oder nicht. Sobald Eltern verheiratet sind, zahlen viele Versicherungen eine Hinterlassenenrente.

Als Konkubinatspaar besteht kein Anspruch auf Hinterlassenenleistungen aus der 1. Säule (AHV/IV) oder der Unfallversicherung. Lediglich die Kinder des oder der Verstorbenen haben Anspruch auf eine Waisenrente, solange sie unter 18 Jahre alt sind oder sich in der Erstausbildung befinden. Bei der Pensionskasse hängt es vom Reglement respektive dem Vorsorgeplan ab. Wichtig ist, dass Konkubinatspaare bei der Pensionskasse gegenseitig die Begünstigung einreichen, um eine Partnerrente zu sichern.

Generell gelte für Einzelpersonen wie auch für Patchworkfamilien: «Wichtig ist, die eigene Vorsorge regelmässig zu überprüfen», sagt Bächler. Beispielsweise bei einem Stellenwechsel könnten sich die Sozialleistungen ändern. Die 1. Säule und die obligatorische Unfallversicherung sind gesetzlich geregelt, bei der Pensionskasse bestehe jedoch viel Spielraum. «Angestellte freuen sich oft über etwas mehr Lohn», sagt Bächler. Doch wie sich die Sozialleistungen ändern, gehe gerne vergessen.

Müller hat eine dritte Säule und zahlt seit einigen Jahren noch zusätzliche Beiträge bei der Pensionskasse ein. Schmid habe keine dritte Säule und zurzeit kein Interesse, seine Vorsorge zu optimieren, erzählt sie.

Altersvorsorge ist wie Putzen

Für Emanuel Neubacher (43) und Lukas Leuenberger (35) ist das Thema Vorsorge zwar wichtig, aber dennoch etwas, das sie gerne verdrängen. «Es ist wie beim Putzen, man weiss, dass man es tun sollte, aber verdrängt es dann doch wieder», sagt Neubacher. Die beiden sind nicht verheiratet und leben seit dreieinhalb Jahren zusammen im Kreis 4. Ein Paar sind sie jedoch bereits seit zehn Jahren. Kinder kommen für sie nicht infrage, was vieles vereinfache – dieses Thema würde zusätzliche Regelungen und Vorsorgemassnahmen erfordern, so Neubacher.

Der 43-Jährige berichtet, dass sein Partner eher der Finanzexperte von beiden sei. Er habe Wirtschaft studiert und sei der sparsamere. Sie besitzen ein gemeinsames Konto, von dem sie Miete und Lebensmittel bezahlen. «Wir haben vereinbart, dass ich 200 Franken mehr pro Monat zur Miete beisteuere», sagt Neubacher. Er gönne sich gerne etwas Luxus, und bei den Lebensmitteln neige er dazu, die teureren Produkte zu wählen. «Unsere Idee funktioniert leider überhaupt nicht», sagt Neubacher und lacht. Sein Partner habe immer noch das Gefühl, dass er zu viel für unnötige Dinge ausgebe. Finanzielle Themen seien nicht einfach und Herausforderungen gebe es immer. Ansonsten seien ihre Finanzen vollständig getrennt. Das würden sie auch nicht ändern wollen. Finanzielle Unabhängigkeit ist für das Paar von zentraler Bedeutung.

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Auch wenn es so aussehen mag: Verheiratet sind Emanuel Neubacher und Lukas Leuenberger nicht. (Bild: zVg)

Beide haben eine dritte Säule und eine Lebensversicherung abgeschlossen, bei der im Todesfall ein Teil des eingezahlten Geldes an den Partner zurückgeht. Das sei das Einzige, was sie bisher geregelt hätten. «Ich müsste eigentlich schon lange meine Patientenverfügung anpassen, damit Lukas im Falle eines Spitalaufenthalts auskunftsberechtigt ist.» Er habe immer noch seine alten WG-Mitbewohner:innen eingetragen. «Das sind genau die Dinge, die man viel früher regeln sollte, aber immer wieder vor sich herschiebt.»

Sprich über Finanzen

In Bezug auf die Vorsorge gibt es bei kinderlosen Paaren – unabhängig von der sexuellen Orientierung – keinen Unterschied, erklärt Florian Bächler. Entscheidend ist vielmehr, ob die Paare verheiratet sind oder in einem Konkubinat leben. Das Eherecht schütze verheiratete Paare, während Lebenspartner:innen rechtlich als Einzelpersonen gelten würden – auch wenn sie gemeinsame Kinder haben. Im Falle eines Todes steht der:dem zurückgebliebenen Ehepartner:in die Hälfte des Nachlassvermögens zu, wenn nichts anderes in einem Testament oder Erbvertrag festgelegt wurde. Lebenspartner:innen werden von der gesetzlichen Erbfolge dagegen nicht berücksichtigt.

Was Bächler generell rät, ist: «Sprecht über Finanzen.» Die Frage, ob und wie man als Konkubinatspaar seine Vorsorgesituation und Finanzen verknüpfen möchte, sollte in Beziehungen ein wichtiges Thema sein. Der Vorsorgeexperte empfiehlt, spätestens mit 55 Jahren eine detaillierte Pensionierungsplanung mit einer Fachexpert:in zu machen. Mit einer solchen Planung könnten Massnahmen und Vorkehrungen getroffen werden, um allfällige Lücken zu schliessen, sagt Bächler. Zudem sollte man bereits so früh wie möglich beginnen, in die 3. Säule einzuzahlen. 

Finanzielle Lücken in der Altersvorsorge und bei Hinterlassenenleistungen können geschlossen werden, sei es durch weitere Versicherungen, Sparen oder das Einreichen des entsprechenden Formulars bei der Pensionskasse. Der Verlust einer geliebten Person hinterlässt immer eine emotionale Lücke, aber eine gute Vorbereitung kann in solchen Momenten entlastend sein.

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