Nothilfe für Medien: Parlament will Tamedia & NZZ trotz Dividenden «retten»
Next Level in Sachen Dreistigkeit. Das Lobbying des alten Verlegerverbands zeigt Wirkung. Die Kommission im Nationalrat beschloss diese Woche Corona-Nothilfe für Medien. Auch für jene, die Kurzarbeit beziehen und Dividenden ausschütten. Ein Kommentar von Simon Jacoby.
Erst vor ein paar Wochen ist bekannt geworden, dass sowohl die TX-Group (Tamedia), als auch die NZZ ihre Belegschaft auf Kurzarbeit gesetzt haben und gleichzeitig Dividenden an die Aktionär*innen ausschütten. Für die Besitzer*innen der TX-Group gab es mehr als 37 Millionen Franken, für jene der NZZ immerhin 8 Millionen. Das ist zumindest teilweise Steuergeld, das via Arbeitslosenkasse in die Taschen der Aktionär*innen fliesst.
Derweil sind die meisten anderen Medienhäuser in der Schweiz finanziell nicht in der Lage – oder sie sind zumindest nicht so dreist – um Gewinne auszuschütten. Radios, Fernsehsender, Printmedien und auch Onlineportale verzeichnen wegen der Corona-Krise grosse Einnahmeausfälle: Werbung sowie Eventsponsorings sind vom einen auf den anderen Tag weggefallen.
Medienministerin Simonetta Sommaruga hatte diese Not erkannt und wollte Anfang April ein Hilfspaket präsentieren, doch der Gesamtbundesrat war dagegen (wir berichteten). Einer der Gründe: Staatshilfe für Unternehmen, die Dividenden ausschütten? Das geht doch nicht!
Zum Glück gibt es für die dreisten Verleger*innen wie Pietro Supino und Konsorten noch das Parlament. Dieses tagt derzeit zur Corona-Sondersession. Und wie am Dienstag bekannt geworden ist, hat die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrats nun doch ein Hilfspaket verabschiedet, vermutlich werden 60-70 Millionen Franken locker gemacht. Print, Radio und Fernsehen sollen Geld kriegen, Online-Medien gehen leer aus.
Der Bündner SP-Nationalrat Jon Pult schreibt auf Facebook:
Leider fand mein Antrag, diejenigen Medienunternehmen von der Nothilfe auszuschliessen, die für das Geschäftsjahr 2019 Dividenden auszahlen, keine Mehrheit.
Wer Gewinne ausschüttet, kann nicht in Not sein.
Das Hilfspaket wurde in der Kommission mit 12 zu 10 Stimmen angenommen.
Sollte eine Mehrheit des National- und Ständerats der gleichen Meinung sein, und davon ist leider auszugehen, dann kriegen die grossen Verlage die grössten Hilfszahlungen. NZZ und die TX-Group Tamedia bedienen sich schamlos weiter an Steuergeldern, um sich selber zu bereichern. Von einer Not-Rettung des Journalismus kann keine Rede sein.
<div style="background-color:#3dafe8;color:white;font-weight:bold;padding:10px"> Dividenden trotz Kurzarbeit?</div> <div style="font-size:18px;padding:10px;background-color:#dddddd"> Kurzarbeit ermöglicht zahlreichen KMU das Überleben und sichern tausende Arbeitsplätze. <b>Das ist gut.</b> Doch davon profitieren auch solche, die es nicht nötig hätten: Grosse Unternehmen, welche ihre Aktionär*innen mit Corona-Steuergeld bedienen. Der Staat toleriert das; es sei eine «moralische Frage». <b>Wir finden: Es ist vor allem eine Frage, die eine gründliche Recherche verdient.</b> Mit dem Recherche-Crowdfunding haben wir bisher 17'600 CHF gesammelt. <b>Weitere Inhalte werden folgen.</b> <a href="https://tsri.ch/corona-recherche/"target="_blank">Willst du die weitere Recherche ermöglichen? Hier gehts zum Crowdfunding.</a> </a>
__html
Dieser Artikel wurde automatisch in das neue CMS von Tsri.ch migriert. Wenn du Fehler bemerkst, darfst du diese sehr gerne unserem Computerflüsterer melden.
An der Universität Zürich hat Simon Politikwissenschaften und Publizistik studiert. Nach einem Praktikum bei Watson machte er sich selbstständig und hat zusammen mit einer Gruppe von motivierten Journalist:innen 2015 Tsüri.ch gegründet und vorangetrieben. Seit 2023 teilt er die Geschäftsleitung mit Elio und Lara. Sein Engagement für die Branche geht über die Stadtgrenze hinaus: Er ist Gründungsmitglied und Co-Präsident des Verbands Medien mit Zukunft und macht sich dort für die Zukunft dieser Branche stark. Zudem ist er Vize-Präsident des Gönnervereins für den Presserat und Jury-Mitglied des Zürcher Journalistenpreises. 2024 wurde er zum Lokaljournalist des Jahres gewählt.