«Street Smart Zürich»

Tramunfälle: Neue Kampagne der Stadt setzt auf mehr Eigenverantwortung

In den letzten Monaten kam es in Zürich erneut zu mehreren schweren Tramunfällen. Jetzt hat die Stadt eine neue Kampagne für mehr Sicherheit im Strassenraum lanciert. Dabei stehen primär die schwächsten Verkehrsteilnehmenden im Fokus.

VBZ Sicherheitskampagne Tram
Der blaue Comic-Löwe «Leo Sicuro» soll die nächsten drei Jahre für mehr gegenseitige Rücksichtnahme sensibilisieren. (Bild: Stadt Zürich)

Sei es am Bellevue, an der Seefeldstrasse oder in der Nähe des Schwamendingerplatzes: In den letzten Monaten beschäftigten Tramunfälle die Stadt. Doch das Problem ist nicht neu. So ereigneten sich im März 2024 innerhalb von nur fünf Tagen gleich vier schwere Personenunfälle im Zusammenhang mit Trams – drei von ihnen endeten tödlich.

«Leider beobachten wir zunehmend, dass der Verkehrsalltag immer hektischer wird», schreibt Nadja Häberli, Kommunikationsbeauftragte der städtischen Dienstabteilung Verkehr auf Anfrage. Unterschiedlichste Mobilitätsformen würden sich den knappen Strassenraum teilen, «und immer mehr Verkehrsteilnehmer:innen sind abgelenkt», heisst es weiter. So würden viele auf ihr Handy schauen oder Kopfhörer tragen, wodurch Aussengeräusche unterdrückt werden. Zusätzlich gehe oft vergessen, dass das Tram immer Vortritt habe. 

Der Mobilitätsforscher Thomas Hug-Di Lena beobachtet ähnliche Entwicklungen: «Die tragisch endenden Ereignisse mit Fussgänger:innen sind häufig auf die steigende Ablenkung zurückzuführen.»

Schulungen, Piktogramme und bald auch Airbags?

Mit der neuen Kampagne «Street Smart Zürich» möchte die Stadt in den nächsten drei Jahren nun Verkehrsteilnehmende auf potenzielle Risiken aufmerksam machen und für gegenseitige Rücksichtnahme sensibilisieren. Das Projekt ist in Zusammenarbeit mit den Verkehrsbetrieben Zürich (VBZ) sowie der Stadtpolizei entstanden. Im Zentrum steht «Leo Sicuro», ein blauer Comic-Löwe, der zeigt, wie man sich im Alltag verhalten sollte, um Gefahren aus dem Weg zu gehen. 

Die Kampagne richtet sich laut Stadt an alle Verkehrsteilnehmenden. Wer sich das Projekt jedoch genauer anschaut, erkennt, dass besonders Fussgänger:innen, Velofahrer:innen und E-Trotti-Nutzer:innen angesprochen werden. «Für mehr Verkehrssicherheit in der Stadt Zürich ist die Eigenverantwortung aller Verkehrsteilnehmenden unverzichtbar», erklärt Häberli.

Neben der Kampagne werden die Kompetenzen der Trampilot:innen weiterhin gestärkt, betont Judith Setz, Mediensprecherin der VBZ: Alle Mitarbeitenden würden jährlich mit Weiterbildungskursen geschult. Dort sollen sie lernen, Gefahren zu erkennen und Kollisionsrisiken besser einzuschätzen. Nichtsdestotrotz kann es gemäss Setz immer wieder zu gefährlichen Situationen und Unfällen kommen.

In Zürich verkehren Trams, Autos, Velofahrer:innen und Fussgänger:innen auf wenig Platz.
Unterschiedlichste Mobilitätsformen teilen sich den knappen Strassenraum in der Stadt. (Bild: Tsüri.ch)

Neben den Schulungen haben die Stadt und die VBZ über die Jahre weitere Massnahmen ergriffen, um die Sicherheit zu stärken. Seit drei Jahren sollen beispielsweise Piktogramme auf dem Boden den Vortritt des Trams verdeutlichen. 

Zusätzlich sei das neuste Trammodell «Fexity» mit einem Hinderniserkennungs- und Assistenzsystem ausgestattet worden. Dieses warnt die Fahrdienstmitarbeitenden und führt im Falle einer drohenden Kollision selbstständig eine Bremsung aus. Das System sei aber primär nach vorne gerichtet, schreibt die Mediensprecherin der VBZ. Personen, die mit hoher Geschwindigkeit von der Seite kommen, sind daher für das System schwer zu erkennen.

Auch sogenannte Tramairbags, die sich öffnen sollen, wenn eine Person mit dem Fahrzeug in Kontakt kommt, könnten die Situation in Zukunft entschärfen. In den letzten Jahren wurden die Airbags auch bereits getestet. Die VBZ sehen in diesem Bereich viel Potenzial, doch das Produkt ist noch nicht serienreif.

Trampilot:innen kritisieren zu hohe Arbeitsbelastung

Dass die Stadt bei der Prävention von Tramunfällen auch die Verantwortung von Fussgänger:innen ins Zentrum rückt, findet Thomas Hug-Di Lena sinnvoll: «Trams sind mit ihren langen Bremswegen auf Aufmerksamkeit der anderen Verkehrsteilnehmenden angewiesen.»

Laut dem Mobilitätsforscher sind Kampagnen wirksamer, wenn sie unterschiedliche Lebensrealitäten ansprechen. Er spricht jedoch auch den Aspekt der Arbeitsbelastung an, die bei den Trampilot:innen möglicherweise zu hoch sei: «Die VBZ steht natürlich auch in der Verantwortung, ihr Personal zu entlasten und Fahrpläne so zu gestalten, dass der Zeitdruck nicht zu Unaufmerksamkeit führt», sagt er.

In der Vergangenheit wiesen Trampilot:innen und Busfahrer:innen immer wieder auf schlechte Arbeitsbedingungen hin. 2011 kam es zu einem historischen Streik, bei dem VBZ-Angestellte einen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) im öffentlichen Verkehr forderten. Ab 2014 galt dann ein Rahmen-GAV, den auch die VBZ unterschrieben hatte. Im August dieses Jahres wurde jedoch bekannt, dass der Vertrag per Ende 2025 aufgelöst wird. 

Da der Vertrag nicht als allgemeinverbindlich erklärt werden konnte, kamen die Verkehrsverbände und Gewerkschaften zum Schluss, dass eine Neuverhandlung nicht zielführend sei. 

Nach den jüngsten Unfällen mit Fussgänger:innen riefen die Gewerkschaften vergangenen Dienstag zu einem Aktionstag in Oerlikon auf. Im Vorfeld wurden auch Stimmen von Fahrer:innen laut, welche die gestiegene Stressbelastung als Grund für ein höheres Unfallrisiko nannten.

Die Demonstrierenden forderten unter anderem eine 35-Stunden-Woche bei Schichtarbeit, mehr Respekt und längere Ruhezeiten. Die VBZ wollten sich zu den Vorwürfen nicht konkret äussern. Auf Anfrage teilten sie mit, dass es seit Dezember 2024 keinen Personalmangel mehr gebe.

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Minea Pejakovic

Nach der Ausbildung zur Kauffrau EFZ beim Sozialdepartement der Stadt Zürich folgte die Berufsmaturität an der KV Zürich mit Schwerpunkt Wirtschaft. Anschliessend Bachelorabschluss in Kommunikation und Medien mit Vertiefung Journalismus an der ZHAW. Erste journalistische Erfahrungen als Praktikantin in der Redaktion von Tsüri.

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Kommentare

Zertifizierter ZVV Hater
28. November 2025 um 08:11

Das schlimmste an Zürich ist der ZVV

Zwischen Luzern, Basel, Bern und Lausanne und zahlreichen internationalen Städten, fahren die Leute vom ZVV in der Stadt halt auch einfach wirklich schlecht. Es beginnt beim Fahrkomfort mit ruckartigem Bremsen, versehentlichem Befahren des Trottoirs, und endet bei Verspätungen, sobald mehr als ein Kinderwagen einsteigen muss. Trämli blinken bereits Minuten, bevor sie tatsächlich losfahren können, oder fahren vor und blockieren die Strasse für Fussgänger, nur um dann dort noch Ewigkeiten herumzustehen. Defensive Fahrweise oder vorausschauendes Fahren sind bei der ZVV Fremdwörter. Dass nur das Tram, aber nicht der Bus überall Vortritt hat, weiss bei der ZVV auch niemand. Wie so oft stinkt der Fisch hier vom Kopf. Schlechter Fahrplan, schlechte Leute anstellen und dann schlecht ausbilden, und man hat den Salat. Das Schlimmste an Zürich ist das Verhalten des ZVV.