Verzögerungen bei Tramprojekt

Affoltern: Anwohnende fordern rasche Aufwertung, doch die Stadt bremst

Im Zentrum von Zürich-Affoltern fehlen sichere Fussgänger:innenwege und Velospuren. Nun fordert eine neue Interessensgemeinschaft rasch umsetzbare Massnahmen, die das Quartier schon heute lebenswerter machen sollen.

Pia Meier und Dominic Arricale von der Interessensgemeinschaft «Neu-Affoltern» wollen das Quartier grüner machen, Wege sichern und das Gewerbe beleben. (Bild: Jenny Bargetzi)

Das Tramprojekt für Affoltern verzögert sich und im Quartier wächst die Ungeduld. Jetzt fordert die Interessensgemeinschaft (IG) «Neu-Affoltern» Massnahmen, die die Sicherheit und Lebensqualität schon heute erhöhen sollen.

Konkret wünschen sich die Anwohner:innen bessere Querungsmöglichkeiten und einen durchgehenden Veloweg entlang der Wehntalerstrasse, der längsten Strasse Zürichs. Massnahmen, die mit dem Bau der neuen Tramlinie ohnehin realisiert werden sollen. 

Gefährliche Schulwege und Engstellen fürs Velo

Affoltern wächst rasant: In den vergangenen 15 Jahren nahm die Bevölkerung um rund 40 Prozent zu; heute leben über 27'500 Menschen im Quartier. Bis 2040 soll ihre Zahl auf mehr als 32'000 steigen. Doch in Neu-Affoltern fühle man sich abgehängt, sagt Pia Meier, Kommunikationsverantwortliche der IG und Präsidentin des Quartiervereins Zürich-Affoltern. «Es heisst Neu-Affoltern, aber es ist einfach alt.» 

Auch Dominic Arricale, IG-Präsident, sagt: «Offiziell gilt Neu-Affoltern als Quartierzentrum, doch es fühlt sich vielmehr wie ein Durchfahrtsort an.»

Handlungsbedarf zeige sich besonders am Finkenrain. Die 74 Meter lange Gasse verbindet die Käferholzstrasse mit der Wehntalerstrasse. Täglich würden von dort Kinder des Schulhauses Käferholz über die Wehntalerstrasse rennen, um den Bus zu erreichen. Die offiziellen Fussgängerstreifen liegen laut der IG zu weit entfernt. «Das ist brandgefährlich», sagt Meier.

Auch Velofahrende stossen auf Schwierigkeiten: Wo die Regensbergstrasse in die Wehntalerstrasse mündet, verschwindet der Velostreifen. «Wer auf die Busspur ausweicht, wird angehupt. Wer auf die Strasse ausweicht, gerät zwischen Bus und Autos», beschreibt Arricale die Situation. «Das ist gefährlich.» Geplant ist zwar eine fünf Kilometer lange Velovorzugsstrecke, diese führt jedoch über die Käferholzstrasse und an Neu-Affoltern vorbei. «Das Zentrum wird so abgehängt», sagt Meier.

Das könne einfach verbessert werden, indem eine Fahrspur stadtauswärts zwischen Neu-Affoltern und Glaubtenstrasse zugunsten eines Veloweges entfernt werde. «So, wie es mit dem Tram ohnehin vorgesehen ist», sagt Meier. Der Verkehr würde darunter nicht leiden.

Das schreibt auch die Stadt Zürich: «Entgegen anders lautender Aussagen wird mit dem Projekt Tram Affoltern die Leistungsfähigkeit für den Autoverkehr weder reduziert noch erhöht.» 

Ein Park, der keiner ist

Ein weiteres Beispiel, das wenig Beachtung finde, sei der Park an der Ecke Regensberg- und Wehntalerstrasse, das «Dreieck ohne Namen». Es sollte ein Grünraum im Zentrum werden. Passiert sei wenig, sagt Meier: «Der Park wurde vor etwa zehn Jahren verbessert. Es wurden Bäume gefällt, ein Geländer montiert, der Boden begradigt und ein Durchgang gebaut. Aber eine echte Aufwertung hat nie stattgefunden. Das ist Pflästerlipolitik.»

Für Arricale zeigt der kleine Park, wie viel Potenzial im Quartier ungenutzt bleibt. «Man könnte hier einen einladenden Platz schaffen. Jetzt wirkt er karg, ohne Funktion.»

Mündung Regensbergstrasse und Wehntalerstrasse
Links biegt die Regensbergstrasse ab, während die Wehntalerstrasse nach rechts in Richtung Milchbuck weiterführt. Dazwischen liegt das «Dreieck ohne Namen». (Bild: Jenny Bargetzi)

Die von der IG geforderten Sofortmassnahmen seien mit dem späteren Tramprojekt vereinbar. «Das Tram ist das Transportmittel der Zukunft», sagt Arricale, «aber es bringt auch hohe Kollateralschäden: Viele Parkplätze verschwinden, Bäume müssen gefällt werden, die Aufenthaltsqualität könnte leiden.» Gleichzeitig verzögere sich der Zeitplan seit Jahren.

«Bis dahin darf Neu-Affoltern nicht vernachlässigt werden», ergänzt Meier. Die kurzfristigen Massnahmen liessen sich ohne grosse Baustellen umsetzen – eine Mittelinsel hier, eine Markierung dort. «Mehr braucht es im Moment nicht. Wir wollen nur, was ohnehin kommt, einfach früher.»

Stadt will keine auf «Express-Projekte»

Auf Anfrage schreibt Sabina Mächler, Projektleiterin Kommunikation des Tiefbauamts, die Stadt Zürich sei sich der Defizite im Fuss- und Veloverkehr in Neu-Affoltern bewusst und sei mit der IG in Kontakt.

Doch die Defizite würden mit dem Tramprojekt Affoltern behoben. Und: «Kurzfristige Massnahmen wie zusätzliche Fussgängerquerungen, durchgehende Velorouten oder Verkehrsberuhigungen sind technisch möglich, ihre Planung und Genehmigung ist jedoch komplex.»

Die Stadt rechnet damit, dass die Bauarbeiten für das Tram 2028 beginnen können, darum erachte sie «Express-Projekte» als wenig sinnvoll, heisst es weiter. Die IG kündigt an, den Druck zu erhöhen. Arricale: «Wir wollen ein lebendiges Zentrum. Schritt für Schritt. Aber wir müssen jetzt anfangen.»

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jenny

Bachelorstudium der Psychologie an der Universität Zürich und Masterstudium in politischer Kommunikation an der Universität von Amsterdam. Einstieg in den Journalismus als Redaktionspraktikantin bei Tsüri.ch. Danach folgten Praktika bei der SRF Rundschau und dem Beobachter, anschliessend ein einjähriges Volontariat bei der Neuen Zürcher Zeitung. Nach einigen Monaten als freie Journalistin für den Beobachter und die «Zeitung» der Gessnerallee seit 2025 als Redaktorin zurück bei Tsüri.ch.

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