«Schandfleck» vom Züriberg: Nestlé-Erbe lässt Mieter:innen im Schimmel leben
Trotz eines geschätzten Vermögens von 275 Millionen Franken lässt Nestlé-Erbe Patrick Liotard-Vogt seine Liegenschaft an der Ackermannstrasse verkommen. Statt dringend nötige Sanierungen umfassend anzugehen, müssen Mieter:innen mit Provisorien leben.
Im Winter schimmeln die Wände, im Sommer kommen die Ameisen. Das Mehrfamilienhaus am Zürichberg, umgeben von gepflegten Villen und grünen Gärten, werde in der Nachbarschaft als «Schandfleck» bezeichnet, sagen Mieter:innen des Hauses. Eigentümer der Liegenschaft ist die Real Estate Projects AG mit Nestlé-Erbe Patrick Liotard-Vogt als Verwaltungsratspräsident. Während die Handelszeitung sein Vermögen auf 275 Millionen Franken schätzt, ist sein Haus an der Ackermannstrasse von Mängeln gezeichnet.
Florian und Lesley Kennel leben mit ihren zwei Kindern in einer der vier Wohnungen der Liegenschaft. Als die Familie 2020 einzog, waren sie begeistert von der Lage, der Wohnung und dem Mietpreis. 4.5 Zimmer findet man am Zürichberg wohl selten für 2950 Franken. «Wir planten langfristig, zumal uns die Verwaltung zugesichert hatte, Fenster und Fassade zu ersetzen», sagt Lesley Kennel. Ihnen sei als letzte Mietpartei noch ein unbefristeter Vertrag ausgestellt worden.
Nur ein Jahr später folgte die Ernüchterung: Die Kennels haben sich bei der zuständigen Verwaltung Sturzenegger Immobilien erkundigt, weil die Fenster bis dahin nicht ersetzt wurden. Diese habe ihnen mitgeteilt, dass keine Sanierungen mehr geplant seien. «Es ist traurig zu sehen, wie die Wohnung zusehends baufällig wird», sagt Kennel. Zusätzlich lebt die Familie nun seit drei Jahren mit der Unsicherheit, dass sie in nicht ferner Zukunft wohl umziehen müssen. Denn der Gedanke liegt nah, dass ein Haus, das nicht mehr saniert wird, abgerissen oder kernsaniert wird.
Das Haus zerfällt
Lesley Kennel reinigt jeden Morgen alle Fenster mit einem Kärcher, damit sich der Schimmel weniger schnell ausbreitet. Doch weil die Fenster alt und undicht sind, komme der Pilz trotzdem jeden Winter zurück. Inzwischen behandeln die Kennels den Schimmel selbst, Florian Kennel sagt: «Ich hatte langsam Mitleid mit dem Maler und bis ich sein Kommen organisiert habe, habe ich es selbst gemacht».
Die rissigen Wände lassen im Winter die Kälte und im Sommer die Ameisen eindringen. Florian Kennel zeigt ein Video, wie es im Wandschrank von der Decke tropft und sagt, «wir sind konstant damit beschäftigt, Schäden zu beheben, weil es den Eigentümer nicht interessiert, dass sein Haus zerfällt». Kurz vor Weihnachten kam es zu einem Wasserrohrbruch, gemäss den Kennels war es nicht der Erste. Die Kennels mussten den Sanitär Notdienst rufen, seither ist der Schaden provisorisch geflickt.
Im Dezember wendeten sich die Kennels mit einer Mängelliste an die Verwaltung. Sie fordern die Zustände im Haus mit einer Mietreduktion anzuerkennen oder dringend nötige Schäden zu beheben. Die Frist, ihr Anliegen zu bearbeiten, läuft bis Ende Januar, bis dato erhielten sie eine Eingangsbestätigung, aber noch keine Antwort.
Tsüri.ch hat die Sturzenegger Immobilien AG gebeten, Stellung zu nehmen. In der Antwort schreibt die Verwaltung: «Es trifft zu, dass sich im Dezember 2024 eine Mietpartei bei uns gemeldet hat. Wir prüfen derzeit den geltend gemachten Sachverhalt und werden uns bei dieser Mietpartei innert der uns hierfür angesetzten Frist melden».
Die Frage, warum Fenster und Fassade trotz Zusicherung nicht saniert wurden, liessen sie auch auf erneute Nachfrage unbeantwortet. Tsüri.ch hätte von ihnen auch gerne gewusst, ob der Eigentümer grössere Reparaturen untersagt und ob eine Kernsanierung geplant ist und wann diese erfolgen soll. Die Verwaltung liess diese Fragen unbeantwortet.
Ein «Schandfleck» von Nestlé-Erbe Patrick Liotard-Vogt
Patrick Liotard-Vogt hat seinen Wohnsitz seit mehr als zehn Jahren in Saint Kitts in der Karibik. 2014 bestätigte das Einwohneramt der Handelszeitung, dass Liotard-Vogt sich in Stäfa abgemeldet hat. Seither lebt er auf der Karibikinsel St. Kitts.
Tsüri.ch versuchte ihn mehrfach zu kontaktieren, doch eine Antwort blieb aus. Liotard-Vogt gehört zu den bekannteren Gesichtern der High Society, denn vor allem in der Klatschpresse gibt es reichlich über den pompösen Lebensstil des Jetsetters zu lesen.
Auch seine Investitionen sorgen regelmässig für Aufsehen, zum Beispiel als er sich 2019 in der Gemeinde Uetikon am See eine 11-Zimmer-Villa oberhalb des Zürichsees kaufte und er es gegenüber der Bilanz als «ein sinnvolles Investment» begründete. Der letzte Artikel über den Geschäftsmann erschien im August in der Republik und bringt ihn in Verbindung mit Berformance, einem Unternehmen, dem Anlagebetrug in Höhe von über 100 Millionen Franken vorgeworfen wird.
Ausziehen als einzige Lösung
Für die Kennels bleibt die Situation belastend. «Wenn man über die Jahre immer wieder etwas gemacht hätte, könnte das Haus heute in einem guten Zustand sein. Aber jetzt ist es wohl zu spät», sagt Florian Kennel. Mit jedem weiteren Winter wird die Substanz des Gebäudes schlechter. Die Familie plant schweren Herzens, ihr Zuhause aufzugeben. «Diese Wohnung könnte so toll sein, aber alles ist so instabil. Es macht uns traurig, dass wir diesen Ort wohl aufgeben müssen», sagt Lesley Kennel.
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