MUSIK HUG
Musik Hug: Wo Reparieren und Weitergeben seit Generationen Tradition hat
Im Fokus «Kreislaufwirtschaft» stellen wir vier Pionier:innen vor. Diesmal wird’s musikalisch: Bei Musik Hug werden Instrumente seit Generationen repariert, vermietet und weitergegeben – und so fit gemacht für ein zweites Leben. Musik Hug beweist damit, dass Kreislaufwirtschaft hier keine Neuheit ist, sondern tief in der DNA verankert.
Instrumente sind nicht nur Werkzeuge, sondern oft Begleiter fürs Leben – manchmal sogar für Generationen. Musik Hug macht das Prinzip Kreislaufwirtschaft greifbar: In den hauseigenen Werkstätten werden Blas-, Tasten- und Saiteninstrumente repariert, gepflegt und für ein zweites oder drittes Leben vorbereitet. Dazu kommen Mietmodelle, mit denen gerade Kinder und Einsteiger:innen ein Instrument nutzen, zurückgeben und weitergeben können. So verlängert das Zürcher Traditionshaus nicht nur Lebenszyklen, sondern erhält auch wertvolles Know-how im Instrumentenbau. Wie Musik Hug diese Tradition weiterdenkt, erzählt Karim M’Rad, der bei Musik Hug Kommunikation und die Vinyl Station verantwortet, im Interview.
Tsüri.ch: Wie kam es dazu, dass ihr euch mit Kreislaufwirtschaft beschäftigt?
Karim M’Rad: Im heutigen Zeitalter stellt sich jede:r die Frage, wie man zur Erhaltung der Umwelt beitragen kann. Für uns liegt der grösste Hebel ganz klar bei den Pre-Loved-Instrumenten. In unseren Blas-, Tasten- und Gitarrenwerkstätten bereiten wir Instrumente auf und machen sie fit für ein langes Leben. Wer sein Instrument regelmässig wartet, kann es über Jahrzehnte – oder sogar über 100 Jahre – spielen. Genau darin steckt für uns die Wirkungskraft: Qualität und Werterhalt durch Reparatur und Pflege statt Wegwerfmentalität.
«Wir haben Kreislaufwirtschaft schon gelebt, bevor der Begriff überhaupt in Mode kam.»
Karim M'Rad, Musik Hug
Gab es einen Auslöser oder eine persönliche Motivation?
Man könnte fast sagen, wir haben Kreislaufwirtschaft schon gelebt, bevor der Begriff überhaupt in Mode kam. Musik Hug hatte von Anfang an eigene Werkstätten, in denen repariert und aufbereitet wurde. Neu ist, dass heute nicht mehr nur Profimusiker:innen ihre Instrumente pflegen lassen, sondern auch Amateure. Und die Nachfrage nach Pre-Loved-Instrumenten wächst enorm. Das Interesse gibt uns Rückenwind – und motiviert uns, diesen Weg noch konsequenter zu gehen.
Was setzt ihr heute konkret um – welche Materialien, Prozesse oder Dienstleistungen sind bei euch zirkulär gedacht?
Ganz vieles. Wir bereiten gebrauchte Instrumente auf und verkaufen sie weiter. Wir verlängern Lebenszyklen mit Reparaturen und Wartung, tauschen wenn möglich nur einzelne Teile statt das ganze Instrument. Über unsere Mietmodelle können Kinder oder Einsteiger:innen ein Instrument spielen, zurückgeben – und es findet ein neues Zuhause. Und wir bilden Fachkräfte im Instrumentenbau aus, damit diese Kreisläufe auch in Zukunft funktionieren.
«Wer sein Instrument regelmässig wartet, kann es über Jahrzehnte – oder sogar über 100 Jahre – spielen.»
Karim M'Rad, Musik Hug
Worauf seid ihr besonders stolz?
Darauf, dass wir zu den wenigen Betrieben gehören, die noch selbst Fachkräfte im Instrumentenbau ausbilden. Damit sichern wir Wissen, Arbeitsplätze und die Zukunft des Pre-Loved-Markts. Besonders stolz macht uns aber auch die steigende Nachfrage: Sie zeigt, dass wir ein echtes Bedürfnis erfüllen – und dass Nachhaltigkeit und Musik wunderbar zusammenpassen.
Was war besonders herausfordernd?
Vor allem die Materialfrage. Instrumente bestehen oft aus speziellen, teils seltenen Rohstoffen. Diese lassen sich nicht einfach ersetzen. Gleichzeitig sehen wir grosse Fortschritte bei vielen Herstellern, die klimafreundlicher produzieren. Aber die Herausforderung bleibt: Tradition und Nachhaltigkeit im Materialbereich zusammenzubringen. Wie beurteilt ihr den Stand der Kreislaufwirtschaft in eurer Branche? Wo seht ihr Fortschritte, wo hakt es noch?
Im Instrumentenbau ist Langlebigkeit tief verankert – in gewisser Weise war Kreislaufwirtschaft hier schon immer Tradition. Aber auch bei uns hat sich einiges getan: Pre-Loved-Instrumente sind heute viel selbstverständlicher, die Sensibilisierung wächst. Wo es noch hakt, sind alternative Materialien: Nicht jede Innovation kann es sofort mit den klassischen Hölzern oder Metallen aufnehmen.
«Am wichtigsten ist, das Instrument wie einen guten Freund zu behandeln – regelmässig pflegen statt nur nutzen.»
Karim M'Rad, Musik Hug
Was müsste sich aus eurer Sicht verändern – bei Konsument:innen, in der Politik oder in der Wirtschaft – damit Kreislaufwirtschaft kein Nischenmodell bleibt?
Es braucht Investitionen in Materialforschung – und den Mut, neue Wege zu gehen. Unternehmen müssen stärker auf langlebige Produkte setzen, und Konsument:innen den Wert solcher Produkte mehr schätzen. Wir sind überzeugt: Mit guten Instrumenten, die Generationen begleiten können, ist Kreislaufwirtschaft alles andere als ein Nischenmodell. Und privat – lebt ihr Kreislaufwirtschaft auch ausserhalb eurer Arbeit?
Absolut. Viele von uns reparieren Dinge im Alltag, kaufen Second-Hand oder überlegen zweimal, ob wir wirklich etwas Neues brauchen. Wer bei Musik Hug arbeitet, erlebt täglich, wie nachhaltig ein gut gepflegtes Instrument sein kann. Das prägt auch privat – und macht deutlich, wie viel Freude ein Produkt bereiten kann, wenn es Generationen überdauert. Beenden wir mit etwas Handfestem: Euer persönlicher Tipp im Umgang mit Musikinstrumenten?
Am wichtigsten ist, das Instrument wie einen guten Freund zu behandeln – regelmässig pflegen statt nur nutzen. Bei Blasinstrumenten reicht es schon, nach dem Spielen die Feuchtigkeit zu entfernen und die beweglichen Teile leicht zu ölen. Und bei Gitarren oder anderen Saiteninstrumenten wirkt ein simpler Trick Wunder: Hände vorher waschen. So halten die Saiten deutlich länger – und das Instrument klingt frisch, statt vorzeitig matt zu werden. Und am besten schläft eine Gitarre im Etui. So übersteht sie Klimaschwankungen locker und bleibt lange in Form
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