Kunstprojekt rät Musiker:innen etwas anderes zu machen – der Wirtschaft zuliebe

Auf der fiktiven RAV-Abteilung «Musig isch kei Arbet» empfängt Musikjournalistin Ronja Bollinger verschiedene Musiker:innen. Das Format entstand als Diplomarbeit an der Zürcher Hochschule der Künste.

Ronja Bollinger
Hinter der Kunstfigur Sonja Boll steckt die Musikjournalistin und Studentin Ronja Bollinger. (Bild: Kevin Roth)

«Es gibt wenig Musiker:innen, die ich hier noch nicht gesehen habe», sagt Sonja Boll. Sie sitzt in einem blau-rot eingerichteten Bürozimmer, ihr Hosenanzug hat dieselben Farben. Hinter ihr im Gestell steht ein gerahmtes Bild von Taylor Swift.

Boll ist Leiterin der neu gegründeten RAV-Abteilung «Musig isch kei Arbet». Sie versucht Musiker:innen bessere Alternativen zu ihrem Job zu präsentieren. Der Wirtschaft zuliebe, wie sie sagt. Die Leute sollten lieber «etwas Richtiges arbeiten und Geld verdienen», findet sie. Die Musik könne man ja weiter als Hobby verfolgen. 

Eigentlich gibt es Sonja Boll gar nicht, sie ist eine Kunstfigur. Das Bürozimmer ist ein Studio der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) und die Abteilung «Musig isch kei Arbet» eine Erfindung der Musikjournalistin Ronja Bollinger.

Boll empfiehlt Musiker:innen andere Karriereoptionen

In drei Videofolgen empfängt Bollinger als Sonja Boll verschiedene Musiker:innen auf der RAV-Abteilung. Das Format gleicht einer Talkshow, Ronja Bollinger spielt Sonja Boll, Musiker:innen sich selbst. Boll untersucht Lebensläufe, versucht andere Talente aus den Gäst:innen herauskitzeln und gibt Tipps für den Arbeitsmarkt.  

«Ich sehe, Sie sind schon lange in dieser brotlosen Szene unterwegs», sagt Boll zur Musikerin To Athena, mit Blick auf deren Lebenslauf. To Athena heisst mit bürgerlichem Namen Tiffany Limacher und war noch nie beim RAV, wie sie sagt. 

Anders als Lorenz Häberli, der im Duo Lo & Leduc auftritt. Ihm schlägt Boll vor, künftig als Werbetexter Mayonnaise zu verkaufen. Der Hit-Song 079 sei schliesslich auch nicht mehr als Swisscom Werbung gewesen.

Ronja Bollinger und Loren Häberli
Lorenz Häberli vom Duo Lo & Leduc solle Mayonnaise verkaufen, statt Musik zu machen. (Bild: Andrin Fretz)

Auch dem etwas verschlafenen Musiker Basil Kehl, Teil der Gruppe Dachs, empfiehlt sie eine andere Karriere: Er solle im Altersheim anheuern, dort sei Tempo auch nicht besonders relevant.

Eine zweite Staffel ist eine Frage der Ressourcen

«Sonja Boll meint es gut mit den Leuten, aber sie ist ein bisschen inkompetent», sagt Bollinger über ihre Kunstfigur. «Ich wollte ein Format schaffen, das die Schweizer Bünzligkeit und Bürokratie etwas auf die Schippe nimmt», sagt sie. Nichts Ernstes und am besten kombiniert mit Musik, «da steckt viel von mir drin».

Die Idee sei bereits vor über einem Jahr entstanden, steckte damals aber noch in Kinderschuhen. Bollinger studiert an der ZHdK den Studiengang Cast, in dem man «journalistische und dokumentarische Geschichten audiovisuell zu erzählen lernt». Im Rahmen ihrer Diplomarbeit wuchs «Musig isch kei Arbet» dann zu einem richtigen Projekt heran. 

Das Projekt wolle sie nach dem Abschluss gerne weiterverfolgen, sagt Bollinger. Das sei aber vor allem eine Frage der Finanzierung. Bisher habe sie auf die Ressourcen der Hochschule zurückgreifen können, «die Crew habe ich mit Mate und Snacks bezahlt». Eine langfristige Option sei das daher nicht.

Musik sei mehr als Arbeit

Ob es schwierig gewesen sei, die Musiker:innen zum Mitmachen zu bringen? «Gar nicht», sagt Bollinger. Seit 2017 arbeitet sie als Radiojournalistin, früher bei einem Schaffhauser Radio, heute bei SRF. «Deshalb hatte ich da schon etwas Connections und Erfahrungen».

Mit allen dreien hatte sie auch vorher schon Interviews geführt, «das hat sicher geholfen». Schwieriger sei die Kunstfigur Sonja Boll gewesen. «Ich bin ja keine Schauspielerin, das war nicht meine Komfortzone.» Deshalb habe sie sich da stark von anderen Formaten inspirieren lassen. Ganz trennen liessen sich die Kunstfigur von der Künstlerin nicht. «Es steckt viel Ronja in Sonja», sagt sie.

Ohne deine Unterstützung geht es nicht

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Medien. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Mittlerweile sind 2000 Menschen dabei und ermöglichen damit den Tsüri-Blick aufs Geschehen in unserer Stadt. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 2500 – und mit deiner Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für Tsüri.ch und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 8 Franken bist du dabei!

Jetzt unterstützen!
Sofie David

Sofies Begeisterung für die Medienbranche zeigt sich in ihren diversen Projekten: Sie leitete den Zeitungs-Kurs im Ferienlager, für die Jungen Jorunalist:innen Schweiz organisiert sie seit mehreren Jahren das Medienfestival «Journalismus Jetzt» mit. Teilzeit studiert sie an der ZHAW Kommunikation. Zu Tsüri.ch kam sie zunächst 2022 als Civic Media Praktikantin. 2024 kehrte sie dann als Projektleiterin und Briefing-Autorin zurück und momentan macht sie als erste Person ihr zweites Tsüri-Praktikum.

tracking pixel

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare