Im Kreis 5 kostet eine Wohnung plötzlich 500 Franken mehr

Nach einem Auszug steigt die Miete einer Wohnung um 500 Franken. Gegenüber dem Vormieter erklärt die Verwaltung, es sei eine Sanierung geplant, doch diese scheint auszubleiben.

Michel Gränicher
Michel Gränicher hat fünfeinhalb Jahre in der Wohnung gelebt. (Bild: Sofie David)

An der Josefstrasse 81 im Industriequartier ziehen bald neue Mieter:innen ein. Sie werden 500 Franken mehr bezahlen müssen, als jene Person, die vorher in der 2,5-Zimmer-Wohnung gelebt hat. Und das, obwohl keine Aufwertung stattgefunden hat.

In den Inseraten auf gängigen Wohnungsplattformen wird die Bleibe im vierten Stock als «gemütliche Wohnung im Herzen von Zürich mit einem einzigartigen Charme» beschrieben. Kostenpunkt: 2300 Franken pro Monat inklusive Nebenkosten. Der Vormieter zahlte gemäss Dokumenten, die Tsüri.ch vorliegen, 1800 Franken monatlich.

Er sagt, es sei zu erwarten gewesen, dass die Wohnung im Rahmen, der gesetzlich erlaubten zehn Prozent Mietzinserhöhung weitervermietet werden würde. «Dass aber ohne Skrupel fast 30 Prozent draufgeschlagen werden, ist eine unglaubliche Sauerei.»

Geplante Sanierung auf unbestimmt verschoben

Der Mieter heisst Michel Gränicher. Er lebte von 2019 bis Anfang März 2025 in der Wohnung, die sich über einem indischen Kleiderladen in der Nähe des Limmatplatzes befindet.

Im vergangenen Jahr fragte Gränicher bei der Verwaltung, der Ibeco AG, nach, ob ein Wohnungstausch möglich sei. Er erhielt eine Absage, weil die Wohnung nach seinem Auszug saniert werden sollte. Daher musste er bei der ausserterminlichen Kündigung des Mietvertrags Mitte Februar keine Nachmieterschaft stellen.

Nun scheint es allerdings, als würde die Renovation doch nicht stattfinden. Denn in der aktuellen Wohnungsausschreibung ist weder von einer kürzlich erfolgten noch von einer geplanten Sanierung die Rede.

Auf Nachfrage von Gränicher erklärte die Verwaltung, die Wohnung werde wegen Verzögerungen in der Planung zunächst nur befristet vermietet. Im Inserat ist allerdings auch davon nichts zu lesen.

Auch sonst gibt es Unstimmigkeiten: So wird sowohl auf der Website der Verwaltung als auch im Inserat auf Homegate ein Balkon angegeben, den es laut dem Vormieter nicht gibt.

Josefstrasse 81
Zurzeit steht die Wohnung im vierten Stock leer. (Bild: Sofie David)

Bei der Besichtigung Ende Februar fragte Gränicher bei den Mietinteressent:innen der Wohnung nach. Diese gaben an, weder über den Einzugstermin noch über das angeblich befristete Verhältnis informiert worden zu sein. Allerdings bestätigten sie die Mietzinssteigerung von fast 30 Prozent.

Die Wohnung an der Josefstrasse hat zweieinhalb Zimmer auf 54 Quadratmetern. Damit liegt sie mit dem neuen Mietzins im oberen Preissegment. Gemäss Statistiken der Stadt Zürich zu den Mietpreisen kosten im Jahr 2024 nicht gemeinnützige 2-Zimmer-Wohnungen im Industriequartier im Median 1778 Franken im Monat. Dabei sind die Bestandsmieten deutlich niedriger, als die Neumieten.

In fünfeinhalb Jahren stieg die Miete um 756 Franken

Als Gränicher im Jahr 2019 einzog, betrug die Miete 1686 CHF pro Monat. Auch damals war der Mietzins erhöht worden; zuvor kostete die Wohnung monatlich 1544 Franken. Seither wurde der Mietzins zweimal im Rahmen von Referenzzinssatz-Änderungen angepasst und ist in den letzten fünfeinhalb Jahren um insgesamt 756 Franken angestiegen.

Die zuständige Verwaltung Ibeco AG möchte sich auf Anfrage nicht dazu äussern. Auch die Eigentümerin der Wohnung, die Prevag Immobilien AG, lässt Anfragen unbeantwortet.

Michel Gränicher ärgert sich über dieses Vorgehen. Er finde es problematisch, dass der Mietzins bei jedem Auszug erhöht werden könne, ohne dass die Eigentümerschaft einen Mehrwert durch eine Sanierung schaffe. «Es handelt sich um Wohnraum für Menschen und kein Luxusgut», sagt er. «Dass die Miete um mehr als das Doppelte des gesetzlich Erlaubten draufschlägt, ist verstörend.» 

Gränicher könne sich vorstellen, dass die Eigentümerschaft das Argument der «Anpassung an quartierübliche Mieten» anführen würden, falls die neuen Mieter:innen den Mietvertrag anfechten wollten.

Mieterinnen- und Mieterverband rät Mietenden, sich zu wehren 

Walter Angst vom Mieterinnen- und Mieterverband Zürich kann Gränichers Frust verstehen. «Gerade im Kreis 5 sind die Mieten in den letzten Jahren stark gestiegen. Und das bei relativ wenig Mieter:innen-Wechseln», sagt Angst.

Er rät den neuen Bewohner:innen dringend, den neuen Mietpreis anzufechten. Gränicher habe als ehemaliger Mieter allerdings kein Einspracherecht, sagt Angst. «Er kann höchstens die neuen Mieter:innen über den alten Mietpreis und ihre Rechte aufklären.» Ob das Fehlen des im Inserat erwähnten Balkons zu einer Reduktion der Miete führen würde, ist allerdings unklar.

Michel Gränicher weiss nicht, wer sein altes Zuhause übernehmen wird. Zurzeit steht die Wohnung an der Josefstrasse 81 noch leer.

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Sofie David

Sofies Begeisterung für die Medienbranche zeigt sich in ihren diversen Projekten: Sie leitete den Zeitungs-Kurs im Ferienlager, für die Jungen Jorunalist:innen Schweiz organisiert sie seit mehreren Jahren das Medienfestival «Journalismus Jetzt» mit. Teilzeit studiert sie an der ZHAW Kommunikation. Zu Tsüri.ch kam sie zunächst 2022 als Civic Media Praktikantin. 2024 kehrte sie dann als Projektleiterin und Briefing-Autorin zurück und momentan macht sie als erste Person ihr zweites Tsüri-Praktikum.

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