Kaffee in Zürich: Die Visionär*innen von Isule

Kaffee ist auch in der Stadt Zürich ein Lifestyle geworden und schafft Platz für Nischenproduzent*innen, die mehr Qualität und auch ökologische und soziale Nachhaltigkeit hochhalten. Diese Serie stellt drei Kaffeeunternehmer*innen und ihre Visionen vor. Hier: Isule.

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Andrew Katumba (links) und Bauer Exavier Banandeke (Bild: zvg)

Seit Anfang Mai stehen die Digital-Designerin Nadja Tan und ihr Mann, SP-Kantonsrat Andrew Katumba hinter dem Tresen ihres neu eröffneten Coffee-to-go Stands am belebten Brupbacherplatz in Wiedikon. Sie verkaufen ihre eigene Marke ISULE, benannt nach der gleichnamigen Ortschaft in Uganda.

Ihre Liebe zu Kaffee, familiäre Verbindungen, sowie einige glückliche Zufälle standen am Anfang des Start-Ups. ISULE steht für die Vision, den Kaffee aus seiner Anonymität als Handelsware zu befreien.

«Seit Jahren frage ich in allen Lokalen nach der Herkunft des Kaffees, den sie verkaufen. Ich ernte dabei verdutzte Blicke, worauf sie dann die Schublade öffnen, die Kaffeepackung hervornehmen und vorlesen: Illy, Mastro Lorenzo oder Hennauer.»

Transparenz an erster Stelle

Katumba wundert sich jeweils, wie wenig Aufmerksamkeit Gastronom*innen ihrem Kaffee widmen, und die Namen und Qualitäten der Röstereien nicht kennen, während es inzwischen normal sei bei anderen Produkten, wie Fleisch, Früchte, oder Fisch die Herkunft zu deklarieren. Transparenz als Schlüssel für gerechtere Handelsbeziehungen mit Kleinbauern im globalen Süden steht im Kontext der anstehenden Konzernverantwortungsinitiative, davon sind auch Tan und Katumba überzeugt. «Es kann ja wirklich nicht sein, dass wir nicht wissen, woher der Kaffee kommt, den wir täglich konsumieren.» ISULE setzt auf Transparenz der Wertschöpfung. Das Ziel ist, ein wirklich faires Produkt anzubieten, direkt von der Farm in die Tasse - so ihr Claim. Es sei eigentlich wie hier auf dem Wochenmarkt, mit dem einzigen Unterschied, dass die Farm halt einige tausend Kilometer entfernt sei.

Kaffee geht im Durchschnitt über 14 Zwischenhändler*innen bis er in unseren Kaffeemaschinen landet, die Wertschöpfung erfolgt aber erst ab dem Moment, wo der Rohkaffee an den Börsen gehandelt wird. Tan und Katumba arbeiten ohne Zwischenhändler*innen und setzen auf Online-Vertrieb, was dank der Digitalisierung und der Erfindung von mobile money heute möglich ist. Kleinbäuer*innen haben kaum Bankkonten, und solche Transaktionen sind mit den Wechselkursen und Bankgebühren ein Verlustgeschäft. Heute haben alle in Ostafrika ein Mobiltelefon, womit sie Geld beziehen und überweisen können. «Mobile Money ist eigentlich das Paradebeispiel, das ein hinterwäldlerisches Afrika widerlegt, diesbezüglich sind sie uns um Jahre voraus.» fügt Katumba an. Allen, die es genau interessiert, schicken sie gerne eine detaillierte Auflistung der Kette mit. Es sollen alle verstehen, wie sich ein Kaffeepreis zusammensetzt.

Alles begann durch Zufall

Als 2014 Katumbas Vater verstarb, reiste das Paar nach Uganda, um dessen letztem Wunsch Folge zu leisten: In seinem Herkunftsland beigesetzt zu werden. Ein Zufall führte sie zur Farm ihres jetzigen Produzenten, des Kaffeefarmers Exavier Bwanandeke in den Ruwenzori Bergen ganz im Westen des Landes zur Grenze zum Kongo. Beeindruckt von der Schönheit des Landes, kauften sie ihm spontan einen Sack Rohkaffee ab. «So wie andere geschnitzte Holzfiguren mitnehmen, brachten wir eben ein etwas ungewöhnliches Reisesouvenir nach Hause,» Nadja Tan lacht auf die Frage, ob damals bereits ein Businessplan vorgelegen hätte. «Hätten wir gewusst, was alles auf uns zukommen würde, hätten wir womöglich gar nicht angefangen», es gab etliche Hürden zu nehmen. Eigentlich begann alles mit einem «Fail»: In der Schweiz angekommen gingen sie zielstrebig in eine Rösterei, wo sie mit ihrer Ahnungslosigkeit konfrontiert wurden. Diesen Kaffee könne er nicht rösten, meinte der Profi, da fehlte was, die Bohnen seien ja noch im Pergament! Na dann eben ab in die nächste Mühle, worauf sie erneut enttäuscht wurden. In der Schweiz mahlt keine Mühle Kaffee. «Also haben wir schliesslich unseren ersten Sack Kaffeebohnen zuhause mit dem Wahlholz von Hand gemahlen » lacht Tan, die auch das gesamte Marketing und Design gestaltet, von der Webseite bis zur Verpackung. Das Labor bestätigte ihnen dann ihre gute Nase, es handelte sich um top Arabica.

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Aus diesem Dorf stammt der Kaffee (Bild: zvg)

Sehr viel Herzblut und Arbeit steckt in ISULE - viel Arbeit in ihrem Kaffee, der inzwischen vier Produkte im Sortiment hat. Von etwa 60 investierten Arbeitsprozenten, seien etwa 20 bezahlt, die Tendenz sei allerdings steigend. 3000 Kilogramm Kaffee importieren sie bereits jährlich, ab 4000 Kilogramm, was sie hoffen in zwei Jahren erreicht zu haben, könnten erstmals schwarze Zahlen in der Bilanz stehen. Seit letztem Jahr steht ISULE auch in den Regalen von einigen Bioläden in Zürich. Dieser Entscheid zwang sie dazu, ihren online Preis zu erhöhen. Doch auch Quartierläden werden nicht reich mit fair gehandeltem Kaffee, Miet- und Lohnkosten sind in Zürich hoch.

Klimawandel hat bereits jetzt Einfluss auf Ernte

Wann ist Kaffee eigentlich wirklich fair und ökologisch nachhaltig? Uganda ist eines der Verliererländer auf dem Weltmarkt von Kaffee. Seitdem die Preisbindung von Rohkaffee aufgehoben wurde, und die Preise der Spekulation von Konzernen überlassen ist, treibt der tiefe Preis weltweit Kleinbäuer*innen in die Armut.

Tan und Katumba sind überzeugt, dass nur eine kleinteilige, ökologische Landwirtschaft gerüstet ist im Hinblick auf klimatische Veränderungen. Der Klimawandel macht den Bäuer*innen in den Ruwenzori Bergen bereits zu schaffen. Die Trocken- und Regenzeiten hätten sich verschoben, Regenfälle würden intensiver, sodass die steilen Berghänge erodierten. Es kommt zu Ernteausfällen. Eine aktuelle Bestellung musste bereits auf die nächste Erntesaison verschoben werden.

Zertifikaten gegenüber, die für ökologische und soziale Nachhaltigkeit stehen, sind sie skeptisch. Bei einigen sehr verbreiteten Labels müsse man genauer hinschauen. Sie würden faire Bedingungen für die Kleinbäuer*innen suggerieren, während die durch Zertifikate erzielten Mehreinnahmen kaum bei den Produzent*innen ankämen, sondern in erster Linie an Grossverteiler und Zertifizierer fliessen. «Die paar Rappen, die Bäuer*innen pro Kilogramm mehr einnehmen, reichen kaum aus, um deren Lebensstandard zu heben», sagt Katumba. Die Qualitätsprämie müsse gemäss Vertrag reinvestiert werden womit die Kontrolle nach wie vor beim Zertifizierer bleibt. «Ich finde, dass es nicht unsere Aufgabe ist zu kontrollieren, was ein Kleinbauer in Afrika mit seinem Gewinn tut,» sagt Katumba.

Auch kleinere und strengere Labels wie Demeter sind mit grossen wiederkehrenden administrativen und finanziellen Aufwendungen für sie und die Bäuer*innen verbunden, was sich für die Grösse ihres Unternehmens kaum rechtfertigen lassen. «Die Kosten für ein Label sind eine zusätzliche Importsteuer, respektive ein Mechanismus zum Schutz von Grossgrundbesitzer*innen, die sich die Gebühren leisten können.» Es gebe keine Unterscheidung zwischen Grossbetrieben und Einfarm-Betrieben, die Kosten beliefen sich auf mindestens 3500 Franken jährlich.

<div style="background-color:#3dafe8;color:white;font-weight:bold;padding:10px"> Zürichs neue Kaffe(haus)kultur </div> <div style="font-size:18px;padding:10px;background-color:#dddddd"> 75% des globalen Kaffeehandels läuft über die Drehscheibe Schweiz und mehrheitlich über grosse Börsen kodierte Import Konzerne von Rohkaffee. Gleichzeitig ist die Schweiz auch Spitzenreiter was Kaffee Konsum betrifft. Nur in Skandinavien und Österreich wird noch mehr Kaffee getrunken als hierzulande. Doch wie haben es die Schweizer*innen mit der Qualität und wie gut kennen sie eigentlich Kaffee? Inzwischen hat sich eine Kaffee Kultur etabliert, die die Vielfalt dieses Getränks zelebriert. </div>

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ISULE möchte ganzheitlich fair sein, das geht weiter als Marktpreise. Dazu gehört auch, Stereotype zu durchbrechen. «Wir wollen stolze Bäuer*innen zeigen», sagt Tan. Sie haben auch jeweils aufgezogene Porträts der Bauernfamilie beim Stand. Eines unserer nächsten Kampagnen soll das urbane aufstrebende Afrika zeigen. Wir haben nämlich auch eine Mittelklasse in Uganda kennen gelernt, die Kaffee liebt.» In der Wertschätzung des Produktes liegt eigentlich der Schlüssel, zu wissen, woher der Kaffee kommt, welche Arbeit dahintersteckt, dass verschiedene Verarbeitungsmethoden den Geschmack prägen und nicht nur die Röstung. «Mein Wunsch ist, dass in ein paar Jahren alle Kunden bei einem Kaffeebesuch auswählen können, ob sie einen Kaffee aus Kolumbien, Vietnam oder Uganda trinken möchten und der Kaffee aus dieser Anonymität befreit ist.»

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