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Von Laura Kaufmann

Redaktorin

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12. April 2020 um 14:28

«Diese Jugendlichen haben kein Problem, sie sind einfach queer!»

Über 13’000 Franken in fünf Tagen: Die «Milchstrasse - Queer App» ist aktuell eines der erfolgreichsten Crowdfunding Projekte. Wir haben mit Projekt-Koordinatorin Kathrin Meng über queere Jugendliche, Dating Apps und die Wichtigkeit von Offline-Kontakten gesprochen.

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Zwei Teilnehmerinnen der Zurich Pride. Foto: Laura Kaufmann

Die «Milchjugend» ist eine Jugendorganisation für Queers in der Deutschschweiz – oder genauer gesagt «für lesbische, schwule, bi, trans, inter und asexuelle Jugendliche und für alle dazwischen und ausserhalb.» Sie organisieren Lager, Partys und haben mit dem «Milchbüechli» ein eigenes Magazin. Am 8. April hat die Milchjugend eine eigene App in der Beta-Version lanciert. Gleichzeitig starteten sie ein Crowdfunding mit dem Spendenziel von 20’000 Franken. Damit soll ein nutzer*innenfreundlicher, sicherer und zuverlässiger Betrieb der App sichergestellt werden. Bisher kamen 13’550 Franken zusammen.

Laura Kaufmann: Weshalb lanciert ihr die App gerade jetzt?

Kathrin Meng: Eine App stampfst du nicht von heute auf morgen aus dem Boden. Wir sind schon lange an diesem Projekt dran. Dass die Lancierung und das Crowdfunding jetzt in die Zeit des Lockdowns fällt, ist ein Zufall. Gerade jetzt ist sie aber nötiger denn je.

Inwiefern?

Jugendliche im Alter von sagen wir mal 15, 16 oder 17 Jahren haben generell wenig Bewegungsfreiheit. Die können nicht einfach schnell am Mittwochabend in die Heldenbar im Provitreff gehen, die ein beliebter Ausgehort für Queers ist. Gerade diejenigen, die in ländlichen Gebieten wohnen, waren schon zuvor isoliert. Nun hat sich das noch verstärkt. Viele Teenager sind noch nicht geoutet und sitzen jetzt mit ihrer Familie in der Wohnung fest.

Erhaltet ihr da jetzt viele Anfragen von Jugendlichen, die Rat suchen?

Nicht mehr als sonst, aber diese Jugendlichen haben eigentlich auch kein Problem, sie sind einfach queer! Was ihnen fehlt ist der Kontakt zur Community. Das merken wir durch den momentanen Anstieg der Anmeldungen bei unserer Organisation und durch die hohe Anzahl App-Downloads in den ersten zwei Tagen.

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Zwei Teilnehmerinnen an der Zurich Pride 2018. Bild: Laura Kaufmann

Ok, aber jetzt mal ehrlich, war für diese App wirklich ein Crowdfunding nötig? Ich habe mal gehört ihr erhaltet Geld von der Eidgenossenschaft...

Ja, das stimmt. Unsere zwei Teilzeitangestellten auf der Geschäftsstelle der Milchjugend werden vom Bund und von Stiftungen finanziert. Solche Gelder sind aber an konkrete Projekte gebunden, in diesen war ursprünglich keine App vorgesehen – wir merkten aber, dass es sowas bräuchte. Im Gegensatz zu «Offline-Projekten» gestaltete es sich sehr schwierig, Gelder für die Entwicklung und Wartung einer App zu finden...

...weil es eine Dating-App ist?

Nein, weil es ein Softwareprojekt ist – das schliessen viele Geldgeber*innen aus. Und wir sind keine Dating App. Oder zumindest ist das sicherlich nicht die Kernfunktion. Es gibt einen Eventkalender und eine Art Diskussionsforum. Die User haben eigene Profile und können einander Nachrichten schicken, aber es gibt keine Swiping Funktion oder dergleichen. Aber klar, die Jugendlichen werden die Plattform bestimmt auch fürs Dating nutzen, das ist auch gut so. Jugendliche wollen daten und es käme uns niemals in den Sinn, sie daran zu hindern, aber wir wollen ihnen mehr bieten als Dates. Sie sollen Zugang zu unserer Community haben.

Viele queere Teenager treiben sich auf Tinder, OkCupid, Grindr, HER und anderen Dating-Apps rum... Was hältst du davon?

Ich habe kein Problem mit diesen Plattformen. Aber sie sind einfach sehr limitiert. Es geht immer um dieses 1:1 und oft um Beziehungen oder um Sex. Doch queere Jugendliche haben noch andere Bedürfnisse. Oft geht es auch einfach darum, die Einsamkeit zu lindern und mit anderen Queers in Kontakt zu kommen. Wir wollen für diese Erstkontakte sichere Räume schaffen. Ein Mitglied hat mir gestern gerade einen Screenshot geschickt von Grindr. Das bringt es vielleicht noch gut auf den Punkt.

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Anonymisierter Screenshot einer Konversation auf Grindr. Bild: zvg

Was sind eigentlich die Feedbacks eurer Zielgruppe?

Als wir die App im Jugendlager zum ersten Mal ankündigten, jubelten und klatschten die Teenies spontan. Das freute uns sehr. Auch in den ersten zwei Tagen seit der Lancierung erhielten wir viel positives Feedback. Allerdings wurden auch einige Bugs (Anm.d.Red.: Fehler in einem Computerprogramm) bemängelt. Damit wir diese Bugs beheben können, sind wir auf weitere Spenden angewiesen. Ein Arbeitstag bei einer Entwickler*innen-Firma kostet schnell mal über 1000 Franken und glaub mir, es braucht einige Tage – wir hatten das am Anfang auch unterschätzt.

Ist eure App kostenlos?

Ja und sie wird es auch immer bleiben. Das ist uns ein grosses Anliegen. Jugendliche haben nicht viel Geld und der Zugang zur Community soll auf keinen Fall daran scheitern.

Wer sind denn die Leute, die euch finanziell unterstützen, wenn nicht die Jugendlichen selber?

Viele Beiträge fürs Crowdfunding sind bisher Kleinspenden bis 50 Franken. Wir gehen davon aus, dass die Unterstützung zu grossen Teilen aus der queeren Community stammt, von Leuten die zwar altersmässig nicht mehr zur Zielgruppe gehören, unser Projekt aber unterstützen, weil sie sich als Teenager*innen etwas Vergleichbares gewünscht hätten.

Wobei der Zugang zur queeren Community ja schon seit vielen Jahren online stattfindet. In der Zeit vor Youtube waren es einfach Online-Foren...

Das stimmt schon, aber im Gegensatz zu Youtuber*innen und anonymen Online-Foren können wir als Jugendorganisation heute eben auch den sozialen Anschluss in der Offline-Welt gewährleisten. Wie wichtig das ist, sehen wir in den aktuellen Situation besser denn je.

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