Keine goldene Schuhbürste für Zürich

Wie stehts um die Fussgänger*innenfreundlichkeit in Schweizer Städten? Das Projekt GEHsund untersuchte 16 Städte. Zürich schneidet mittelmässig ab, für eine goldene Schuhbürste reicht es nicht. Warum die Förderung vom Fussverkehr wichtig ist und wo Zürich ansetzen könnte.

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Fotos: Annika Müller

Das Projektteam von GEHsund übergibt Aarau, Basel, Bellinzona, Chur und Neuenburg die «goldene Schuhbürste». Diese symbolisiert, dass die Städte zwar gut abgeschnitten haben, aber weiter an der Fussgänger*innenfreundlichkeit poliert werden muss, um zu brillieren. Zürich schneidet mittelmässig ab, für die Bürste reicht es nicht. Die Fussverkehrsinfrastruktur sei nicht schlecht, aber bei der Politik und dem Verkehrsklima gäbe es noch Luft nach oben.

Handlungsbedarf sieht die Studie GEHsund für die Stadt Zürich im Bereich der Trottoirs. Deren Breite sei gerade in Quartierstrassen zu schmal, zudem störten Velos, Trottinetts und Motorräder, die auf den Gehsteigen parkiert oder gefahren werden. Bei Fussgänger*innenstreifen mit Lichtsignalen sei das Überqueren oft nicht in einem Zug möglich und die Verkehrsinseln seien zu schmal. Zürich habe zudem einen hohen Anteil an Verkehrsflächen, was die Aufenthaltsqualität beeinträchtige.

Der Kampf ums Trottoir

Mangels Veloinfrastruktur sei in den vergangenen Jahren der Veloverkehr über Trottoirs geleitet worden, so Projektmitglied Klaus Zweibrücken. Diese Verflechtungen müsse man möglichst schnell wieder aufheben. Die Trennung sei vor allem dort wichtig, wo die Geschwindigkeit nicht ähnlich sei. Nur wenn Velofahrer*innen in Begegnungszonen langsam fahren, sei die Verflechtung akzeptabel.

<div style="background-color:#3dafe8;color:white;font-weight:bold;padding:10px"> GEHsund – Städtevergleich Fussverkehr</div> <div style="font-size:18px;padding:10px;background-color:#dddddd"> Die Studie <a href="https://gehsund.umverkehr.ch/">«GEHsund – Städtevergleich Fussverkehr»</a>wurde von von umverkehR, Fussverkehr Schweiz und der Hochschule für Technik Rapperswil durchgeführt. Die Fussgänger*innenfreundlichkeit wurde mittels drei Teilen bewertet: Fussverkehrstest, Bevölkerungsumfragen und dem Blick auf die städtischen Aktivitäten zur Förderung des Fussverkehrs. </div>

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Erich Willi ist Fussverkehrbeauftragter der Stadt Zürich, die Kritikpunkte von GEHsund unterstützt er: «Mischflächen Fuss-Velo haben sich in den letzten Jahrzehnten eingeschlichen. Häufig hat die Stadt pinsel-mässig Velomarkierungen auf die Trottoirs gemalt und dem Prinzip Velo weg gefrönt.» Viele dieser Markierungen seien rechtswidrig. Für das Velo gelten die allgemeinen Verkehrsregeln wie für Motorfahrzeuge; das Befahren des Trottoirs ist grundsätzlich verboten. Aber bis diese wieder wegradiert seien, dauert es noch, so Willi. Neue Fahrzeugtypen wie E-Scooters, die ebenfalls gerne das Trottoir zum Fahren nutzen, machen den Fussgänger*innen das Leben nicht einfach. Ein altes und ungelöstes Problem seien auf Trottoirs parkierte Motorräder, auch dies sei nicht legal, aber die Polizei agiere nur auf Anzeige hin. «Zudem werden neue Fahrzeuge oft in Zürich getestet. Angefangen hat das mit Elektrovelos und jetzt vor kurzem die Enuus, Mini-Autos, die als Velo deklariert werden und überall herumstehen – das ist doch völliger Unsinn», sagt der Fussverkehrsbeauftragte.

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Keine Priorität für Fussverkehrspolitik

Um die Handlungsempfehlungen von GEHsund zu erreichen und somit fussgänger*innenfreundlicher zu werden, braucht es mehr Effort seitens der Städte: «Es braucht personelle Ressourcen in der Verwaltung, das Thema muss bearbeitet und Konzepte müssen erstellt werden», so Thomas Schweizer, Verkehrsplaner und Projektmitglied GEHsund. Genau mit diesem Punkt hadern viele Städte. Erich Willi stimmt dem zu: «Meine Kompetenzen sind eng begrenzt, das ist teils frustrierend.» Der Fussverkehrsbeauftragte hat wenig Ressourcen. Zur Zeit gäbe es keine Fachstelle, sondern je einen Fuss- und einen Veloverkehrsbeauftragter.

Die Tendenz liege momentan eher bei der Förderung der Veloinfrastruktur – die Forderungen seien lauter und greller. Velo- und Fussverkehr müssten gleichermassen gefördert werden, denn schlussendlich ginge es um eine Umverteilung des knappen städtischen Strassenraums, und da dürfe man nicht den Fuss- und den Veloverkehr gegeneinander ausspielen und Trottoirs zugunsten von Velospuren verschmälern. Auch hier stimmt Willi mit den Resultaten von GEHsund überein: «Wir müssen bei der Geschwindigkeit ansetzen. Mit Tempo 30 können sich Velos eher mit Autos die Strassen teilen, sie können quasi mit dem motorisierten, verlangsamten Verkehr mitschwimmen.» Und das Trottoir würde wieder den Fussgänger*innen gehören.

Schöne Beispiele, wo es der Stadt gelungen ist, den Durchgangsverkehr zu eliminieren und Aufenthaltsqualität zu schaffen, sind für Willi der Bullinger- und der Röschibachplatz – Quartiertreffpunkte, wie sie im Bilderbuche stehen.

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Eigentlich ist es ja offensichtlich, wenn wir unsere Verkehrs-Emissionen verringern wollen, gibt es nichts anderes als den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren.

Erich Willi

Umverteilung fürs Klima

Mit dabei bei der Präsentation der Studie GEHsund war die Grüne Nationalrätin Franziska Ryser: «Der Verkehr ist in der Schweiz für einen Drittel aller CO2 Emissionen verantwortlich. Wer zu Fuss unterwegs ist, hinterlässt den kleinsten ökologischen Fussabdruck.» Über die Resultate und Handlungsempfehlungen von GEHsund wundert sie sich nicht, Expert*innen würden schon seit Jahren mehr Platz für den Fussverkehr fordern.

Viele Städte stehen vor ähnlichen Problemen. In den letzten 50 Jahren sei man zum Autoverkehr zu grosszügig gewesen, so Projektmitglied Klaus Zweibrücken. Dort müsse man nun den Platz zurückholen und die Geschwindigkeiten drosseln, denn das sei schlussendlich die ökologischste Lösung.

«Eigentlich ist es ja offensichtlich, wenn wir unsere Verkehrs-Emissionen verringern wollen, gibt es nichts anderes als den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren», so auch Fussverkehrsbeauftragter Willi. In der Stadt Zürich gäbe es rund 45’000 Strassenparkplätze, würde man nur schon diese abbauen, könnte man bis 50 Hektaren Strassenfläche für anderes nutzen – für Alleen, Velospuren oder breitere Trottoirs.

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