Ciao Velo, pro Tag verschwinden 18 Velos

Im Jahr 2019 sind im Kanton Zürich 6581 Velos geklaut worden. Wir haben mit der Polizei über diese hohe Zahl gesprochen und Veloklau-Storys gesammelt – eine davon endet in der reinsten Odyssee inklusive Treffen mit dem Velodieb.

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Foto: Annika Müller

Ohne geht nicht. Lisas Velo wurde gestohlen. Auf der Suche nach einem neuen Rad bekam sie von ihrem Freund den Tipp, einen Velohändler in der Agglo aufzusuchen. Er führe einen Velokeller, gefüllt mit günstigen und schönen Vintage-Velos oder besser gesagt, eine grosse Halle mit hunderten von alten Rennern. Auch er habe sein Rad dort gekauft, sagte er. Auf der Internetseite fand sie ihr zukünftiges Rad, vereinbarte einen Termin zur Probefahrt. Nur fand Lisa dort nicht nur ihr zukünftiges, sondern auch ihr geklautes Velo, das sie in der Zwischenzeit ihrer Versicherung und der Polizei gemeldet hatte.

Monate später – Lisa kaufte sich mit dem Geld der Versicherung ein neues Velo, hatte so auch keinen Anspruch mehr auf ihr altes – erhielt sie von der Staatsanwaltschaft den Strafbefehl mit dem Namen des Velodiebs.

Tipp der Polizei: Merkt euch die Rahmennummer!

Lisas Velo gehört zu den wenigen 3,6 Prozent der gemeldeten Velodiebstähle im Kanton Zürich, die aufgeklärt werden. Laut der Kriminalstatistik 2019 der Kantonspolizei Zürich wurden im vergangenen Jahr 6581 Velos im Kanton – 2737 davon alleine in der Stadt Zürich – geklaut, das sind etwa 18 pro Tag. Sprich: Alle 1,3 Stunden wird ein Velo geklaut. Marc Surber, Mediensprecher der Stadtpolizei Zürich, sieht den Hauptgrund in der tiefen Aufklärungsquote darin, dass bei den meisten Anzeigen die Velobesitzer*innen keine guten Angaben zu ihren Velos machen können. Fände die Polizei Velos, so können diese selten einem Fall zugeordnet werden. «Wir raten allen, sich die entsprechenden Daten ihres Velos festzuhalten: Rahmennummer, Marke, Modell und Farbe. So ist die Chance viel grösser, dass wenn ein Velo gefunden wird, es auch wieder dem rechtmässigen Eigentümer, der rechtmässigen Eigentümerin zugeordnet werden kann.»

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81,4 Prozent aller Fahrzeugdiebstähle betreffen Velos. Die Polizei erklärt sich das zum einem damit, dass ein Velo zu klauen weniger Skrupel und Widerstand birgt. Zum anderen werden in der polizeilichen Kriminalstatistik alle Anzeigen erfasst, obwohl sich gar nicht alle Fälle um richtige Diebstähle handeln. Denn damit ein Vorgehen als Diebstahl durchgeht, muss eine Bereicherungsabsicht vorhanden sein, also man muss das Velo behalten oder veräussern. Oft fehlt dieser Vorsatz: Man nimmt ein unabgeschlossenes Velo, um von A nach B zu gelangen und lässt es dann dort liegen. «Es handelt sich dann um Entwendung zum Gebrauch und nicht um Diebstahl. Für den*die Betroffene spielt das aber keine Rolle, das Velo ist weg und er*sie macht eine Anzeige. Dieser Fall fliesst dann als Fahrraddiebstahl in unsere Statistik», so Surber.

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«Lass dein Velo nie am Buchghettoplatz»

Ähnlich wie Lisa geht es auch anderen aus der Tsüri-Community, so schreibt ein User auf Instagram: «Meine Kette riss auf der Kreuzung beim Helvetiaplatz, zwangsläufig musste ich mein Velo stehen lassen – angekettet und kaputt. Am nächsten Tag war es weg. Never to be seen again.» Etwas mehr Glück hatte ein anderer User: «Vor meiner Haustüre wurde es geklaut und dann aber 100 Meter weiter weg stehen gelassen.»

«Ich hatte mein altes, aber chices Damenvelo über Nacht am Bucheggplatz angeschlossen. Als ich es am nächsten Tag wieder holen wollte, war es zwar noch da, aber jemand hatte das Velo unzählige Mal um sich selbst gedreht, um so das Schloss zu knacken. Das Schloss hielt stand, aber die fragilen Oberrohrstangen hatten sich durch den Kraftakt verbogen und ich musste das Cilo Velo bald verschrotten. Ein Freund meinte später nur, es sei ja klar, dass man sein Velo nicht am Buchghettoplatz lässt», so die Geschichte von Seraina.

Intakte alte Rennräder sind in Mode – auch bei Dieb*innen: «Ich hatte mir mal ein sehr schönes altes Rennrad im Les Halles gekauft. 450 Franken hat es gekostet, nicht nichts bei einem Studi-Budget. Ich ging heim, schloss es an den Pfosten. Am nächsten Morgen lag nur noch das zersägte Schloss dort.» Teure und gute Velos werden nicht für den Nachhauseweg geklaut. «Diese werden oft online weiterverkauft, mit dem durchforschen von Onlineplattformen konnten wir auch schon Velodieb*innen schnappen», sagt Surber. Kauft man ein günstiges Velo, dessen Preis-Leistungsverhältnis zu gut ist um wahr zu sein, so sollten einem schon Zweifel aufkommen. «In solch einem Fall macht es Sinn, die Rahmennummer zu prüfen – ist sie überhaupt vorhanden oder wurde sie abgeschliffen?», so Surber. Ausserdem empfiehlt er, immer auf eine Kaufquittung zu bestehen und die Personalien der Velohändler*in zu notieren.

Liebe Velodieb*innen – warum?

Ist es das Geld, der Vollsuff oder einfach die Mutprobe? Eine anonyme Umfrage richtete sich an all jene, die schon mal ein Velo geklaut haben. Den Mumm sie auszufüllen hatte lediglich eine Person. Vielleicht ist unsere Tsüri-Community aber auch einfach sehr brav.

Ok, alles klar. Du hast ein Velo geklaut. Warum? Der Heimweg war zu lang.

Hast du ein schlechtes Gewissen? Nein.

Bist du ein*e Wiederholungstäter*in? Nein.

Dass es sich bei Lisas Velodieb um einen Wiederholungstäter handelt, lässt sich erahnen. Vor wenigen Wochen wartete Lisa am Hardplatz auf eine Freundin und wurde auf ihr schönes Velo angesprochen. Ein Mann wollte wissen, woher sie dieses habe und machte die Bemerkung: «Das ist bestimmt gestohlen, das ist ja ein sehr teures und spezielles Velo.» Sie erzählte ihm, wo sie es gekauft hatte und dass es nicht geklaut sei. Der Mann hatte offenbar ein Auge für gute Räder und erzählte ihr, dass er privat Velos repariere und sie ihm ihres – im Falle der Fälle – vorbeibringen könne. Sie solle sich über Facebook melden. Er nannte seinen Namen. Jener Name, der vor Monaten auf dem Strafbefehl stand.

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