Firmenpleite führt zu Dutzenden ungenutzten Business Apartments im Kreis 4
Eine Firma aus Zug setzte auf Business Apartments in der Zürcher Innenstadt. Doch das Geschäft floppt. Jetzt stehen mehrere Wohnhäuser im Kreis 4 leer.
Sie sind über die ganze Stadt verteilt, an beliebten Wohnlagen, zentral, ruhig gelegen: die möblierten Apartments der Firma Nest Temporary AG. Ganze Häuser hat das Unternehmen für seine internationale Kundschaft gemietet – einige davon wurden zuvor aufwändig saniert.
Doch das Geschäft schien sich nicht zu rentieren. Die Firma mit Sitz in Zug befindet sich in Liquidation. Mehrere Dutzend Wohnungen im Kreis 4 werden seit geraumer Zeit nicht mehr genutzt. So auch jene an der Kanzleistrasse 217 und 225.
Nicht nur im Kreis 4 hat die Aktiengesellschaft ihr Treiben eingestellt: Die Webseite ist offline, E-Mails kommen nicht an und die Telefonnummer läuft ins Nichts. Einige Angebote findet man noch im Internet, doch buchen lassen sie sich nicht. «Keine freien Zimmer verfügbar», heisst es auf verschiedenen Plattformen. Nicht diesen Monat, aber auch nicht im Januar, Februar oder März.
SVP-Politiker schaffte Wohnraum für Expats
Sich dazu äussern, was mit den leerstehenden Apartments geschehen wird, will man nicht. Weder der Firmeninhaber, noch die Hauseigentümer. Das Spiel der Medien spiele er nicht mehr mit, sagt einzig der Besitzer der Liegenschaft an der Kanzleistrasse 217 auf Nachfrage von Tsüri.ch.
Im April 2023 befragte ihn bereits der Tages-Anzeiger dazu, warum er sein frisch saniertes Wohnhaus der Nest Temporary AG überliess. Diese vermietete die Wohnungen zu horrenden Preisen von bis zu 5100 Franken pro Monat für 58-Quadratmeter.
«Ich wollte meine Ruhe», meinte der Eigentümer damals. So hätte er sich als über 70-Jähriger nicht mehr um die Verwaltung kümmern müssen. Diese Arbeit übernahm fortan das Unternehmen von Philippe Aenishaenslin.
Der SVP-Politiker aus dem Kanton Nidwalden begann sein Geschäft mit Business Apartments im Jahr 2004 in Zug, bevor er nach Luzern, Basel und schliesslich auch Zürich expandierte. Aus «AE Business Homes» wurde «Nest Temporary AG» und eine scheinbar erfolgreiche Firma, die mit ihrem Angebot «eine Lücke schliessen will», wie Aenishaenslin auf Anfrage von Tsüri.ch im Sommer 2023 erklärte.
Als seine Zielgruppe beschrieb er Expats, die es in Zürich auf dem Immobilienmarkt schwer hätten, eine temporäre Bleibe zu finden, weil dieser auf Langfristigkeit ausgelegt sei.
Aenishaenslin bewirtschaftete in den letzten Jahren dutzende Business Apartments in der Limmatstadt: im Aussersihl, in Altstetten, im Niederdorf oder in der Altstadt. Wie viele es insgesamt waren, lässt sich im Nachhinein nur schwer nachvollziehen – mehrere Versuche, den ehemaligen Firmeninhaber zu erreichen, scheitern. Auch die SVP Nidwalden, bei der Aenishaenslin im Vorstand sitzt, will seinen Kontakt nicht vermitteln.
Dabei schien seine Welt bis vor kurzem noch in Ordnung: Nicht nur übernahm er im Jahr 2023 mindestens zwei frisch sanierte Wohnhäuser an bester Lage in Zürich, auch führte er ein Unternehmen mit 35 Mitarbeiter:innen. Das schrieb seine Partei zu Aenishaenslins Kandidatur für den Gemeinderarat Hergiswil.
Warum seine Firma bankrott ging, bleibt weiterhin ein Rätsel. Die Frage nach der Zukunft der möblierten Studios hingegen lässt sich zumindest teilweise klären.
Müllerstrasse 57: auf Business Apartment folgt Business Apartment
Neben den beiden Liegenschaften an der Kanzleistrasse 217 und 225 gehörte auch noch ein weiteres frisch saniertes Wohnhaus im Kreis 4 zum Inventar der Nest Temporary AG. 1373 Franken kosteten sieben Übernachtungen in einem der zehn Studios an der Müllerstrasse 57 vergangenen Sommer.
Trotz dieser Preise seien die Wohnungen regelmässig gebucht worden, schrieb Philippe Aenishaenslin im Rahmen einer Recherche zum neuen Google-Sitz unweit der Nest-Apartments. Besitzer des Wohnhauses sowie des Google-Komplexes ist das Immobilienunternehmen Swiss Prime Site (SPS), dem unter anderem der Prime Tower gehört. Es hat bereits eine Lösung für den Leerstand in Aussicht. Eine Firma aus Luzern wird das Geschäftsmodell der Business Apartments weiterführen.
Auf Anfrage bestätigt der Geschäftsleiter vom Immobilienbüro Elron Club, Roger Rieder, dass man die Apartments voraussichtlich Anfang nächsten Jahres übernehmen könne. Weil das Konkursverfahren noch nicht abgeschlossen ist, sei es nicht früher möglich. Die Wohnungen sind quasi blockiert.
Elron Club verfolge nicht dasselbe Ziel wie Philippe Aenishaenslin: Es gehe nicht darum, Expats ein temporäres Zuhause zu bieten, sondern das Bedürfnis nach «unkompliziertem und möbliertem Wohnen» zu decken, so Rieder. Die Mietdauer betrage deshalb mindestens drei Monate und die Kündigungsfrist ebenso lang. Wie teuer die Wohnungen würden, sei noch nicht definiert. Rieder schreibt aber davon, dass man «2.5-Zimmerwohnungen im gehobenen Segment an Zentrumslage» anbieten wolle.
Apartments werden weiterhin angeboten
Was mit den Wohnhäusern in der Kanzleistrasse und vielen anderen Apartments passiert, die noch immer durch das Internet geistern, ist unklar. An der Weinbergstrasse 23 im Kreis 6 vermietete Nest Temporary AG ein Studio und zwei Wohnungen. Das Wohnhaus gehört der Landschaftsbaufirma Spross. Angesprochen auf dessen künftige Nutzung, schreibt die Kommunikationsverantwortliche, dass man derzeit keine Auskunft zur Liegenschaft geben könne.
Andere Eigentümer:innen sind da gesprächiger. So lässt die Fundamenta Real Estate AG verkünden, dass die möblierten Wohnungen an der Freigutstrasse 26 im Kreis 1 schon seit 2021 nicht mehr an Nest Temporary AG vermietet werden. Der Grund für die Kündigung seien Ausstände des Mietzinses gewesen.
Heute befinden sich laut der Mediensprecherin an der Adresse nur noch Wohnungen und Büros, die auf dem regulären Wohnungsmarkt angeboten werden. Dass die Nest-Apartments noch immer im Netz zu finden seien, habe man nicht gewusst.
Ähnlich tönt es von der Immobilienfirma Mobimo. Ihr gehört die Liegenschaft an der Albulastrasse 34 in Altstetten. Auch hier sind Wohnungen noch auf Buchungsplattformen zu finden. Mobimo hingegen beteuert, dass sie schon seit längerem klassisch – also nicht möbliert – vermietet werden.
Neue Regeln schränken «Business» ein
Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage, ob das Geschäft mit Business Apartments in Zürich schwieriger geworden ist – und aufgrund mehr Konkurrenz, aber auch aufgrund neuer Regeln.
Erst vor wenigen Monaten hat das Zürcher Verwaltungsgericht der Stadt Zürich recht gegeben: Künftig sollen in Wohnzonen nicht mehr alle Wohnungen eines Hauses als Business Apartments vermietet werden können. Gemäss Auswertungen der Stadt waren 2023 zwei Prozent aller Wohnungen in Zürich Business Apartments.
Die Nachfrage nach Business Apartments sei weiter ungebrochen, meint die Medienverantwortliche von Glandon Apartments. Die Firma unterhält in der Stadt Zürich 90 möblierte Wohnungen, die eignen Aussagen zufolge «durchgehend ausgelastet» sind.
Etwas, wovon die ehemaligen Wohnungen von Nest Temporary AG an der Kanzleistrasse nur träumen können. Ob Misswirtschaft oder politischer Druck zum Ende der Ära von Aenishaenslin in der Limmatstadt geführt hat, bleibt aktuell unklar.
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