Bekannter Investor will Gauss-Stierli-Areal in Zürich-Seebach kaufen
Mehrfach scheiterten Pläne für das 12’000 Quadratmeter grosse Gauss-Stierli-Areal in Zürich-Seebach. Nun steht der bekannte Immobilieninvestor Werner Hofmann in Kaufverhandlungen für die Industriebrache.
Lange war es still um das Gauss-Stierli-Areal in Zürich-Seebach. Nun könnte Bewegung in das 12’000 Quadratmeter grosse Industrieareal an der Schaffhauserstrasse 468 kommen: Der Zürcher Immobilienunternehmer Werner Hofmann steht in Kaufverhandlungen mit der bisherigen Eigentümerin, der Stierli Real Estate AG.
Beide Seiten bestätigen auf Anfrage, dass die Gespräche laufen. Noch fehle die Bewilligung des Amts für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL), die für künftige Bauprojekte und den Umweltschutz notwendig ist. Sie wird frühestens Mitte September erwartet.
Über den Kaufpreis schweigt Hofmann. Auch die Stierli Real Estate AG hält sich bedeckt und verrät lediglich, dass das Areal weiterhin in «Prüfung und Neuausrichtung» sei. Im Grundbuch ist sie nach wie vor als Besitzerin eingetragen.
Die Stadt Zürich teilte auf Anfrage im Juli mit, bisher nicht in Hofmanns Pläne eingebunden zu sein. Sie selbst plant jedoch Fuss- und Veloverbindungen über das Gelände zwischen Seebacherplatz und Thurgauerstrasse. Das Projekt befinde sich noch in einem frühen Stadium und werde mehrere Jahre beanspruchen. Weitere Details sollen im Herbst mit der öffentlichen Planauflage folgen.
Aufnahme aus der Haupthalle. (Bild: Juliet Haller / Baugeschichtliches Archiv Stadt Zürich / CC BY-SA 4.0)
Verschiedene Kollektive nutzten die Räume für Konzerte, Street-Art und Ausstellungen. (Bild: Juliet Haller / Baugeschichtliches Archiv Stadt Zürich / CC BY-SA 4.0)
Der ehemalige Fabrikkomplex in Zürich-Seebach ist zwischen 1899 und 1918 entstanden. Später kamen weitere Gebäude hinzu. (Bild: Juliet Haller / Baugeschichtliches Archiv Stadt Zürich / CC BY-SA 4.0)
Investor mit unkonventionellen Projekten
Werner Hofmann, 74, wuchs in Regensdorf auf und begann seine Karriere mit einer Lehre in einer Maschinenwerkstatt. Später führte er ein Heizungs- und Sanitärgeschäft. Bekannt wurde Hofmann durch unkonventionelle Immobilienprojekte: 2010 pachtete er das stillgelegte Luxushotel Atlantis in Zürich und richtete darin günstigen Wohnraum für Studierende ein. 2018 plante er, den brachliegenden Industriekomplex am Katzensee in Gewerbe- und Büroräume umzunutzen. 2023 erwarb er das Areal der ehemaligen Mineralquelle Zurzach AG und kündigte Investitionen von rund 40 Millionen Franken an, um die Produktion in Schweizer Händen zu halten.
Stillstand seit Jahren
Das Areal im Gleisdreieck von Seebach hat eine wechselvolle Geschichte. 1899 baute die Eisenhandelsfirma Stierli die Haupthalle, später zog die Giesserei Gauss ein. Im Laufe des 20. Jahrhunderts entstanden weitere Industriehallen; produziert wurden Munitionsbestandteile, Autos, Bergbahnkabinen. In den 1990er-Jahren hielten die ersten Kunstschaffenden Einzug.
2012 übernahm die Stierli Real Estate AG das Areal, das als Industrie- und Gewerbezone (IG) und nicht als Wohnzone ausgewiesen ist. Das Unternehmen präsentierte Pläne für ein «Art Center 468» mit Galerien, Gastronomie und Neubauten. Nur die denkmalgeschützte Haupthalle sollte erhalten bleiben, der Rest Neubauten weichen. Rund 200 Millionen Franken wollte die Eigentümerin investieren, der Entwurf stammte vom Architekturbüro Max Dudler.
2013 führte die Stadt eine Testplanung durch, um verschiedene Nutzungsmöglichkeiten zu prüfen. Zwei Jahre später stellte der Stadtrat die historische Haupthalle unter Schutz, untersagte Abriss und Eingriffe in die Bausubstanz. Andere Gebäude, darunter das Portierhaus von 1918, wurden aus dem Inventar gestrichen, um eine Verdichtung zu ermöglichen.
Trotz bewilligter Pläne blieb der Umbau Theorie. 2018 kündigte die Eigentümerin allen Mieter:innen und plante einen Baustart für Mitte 2019. Gebaut wurde jedoch nie. «Die Verfahren haben sich wahnsinnig in die Länge gezogen», erklärte De Lorenzo 2023 gegenüber der Limmattaler Zeitung. Konflikte mit SBB und Migros, die an das Areal grenzen, Verzögerungen bei der Planung sowie die Pandemie hätten den Start blockiert.
2019 besetzten Aktivist:innen das Areal kurz vor dem feministischen Streik für einige Stunden, bis die Polizei einschritt. Kurz darauf überliess die Eigentümerin die Haupthalle einem Künstler. Auch er musste inzwischen das Atelier räumen. Der ehemalige Mieter möchte sich auf Anfrage nicht dazu äussern.
Industrieareal soll öffentlich zugänglich sein
Mit den laufenden Kaufverhandlungen eröffnet sich für die Industriebrache eine neue Perspektive. Hofmann will sie – anders als seine Vorgängerin – weitgehend bewahren und für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Konkrete Bauprojekte will er jedoch erst bekanntgeben, wenn die Verhandlungen abgeschlossen sind.
Das Projekt reiht sich ein in eine Serie markanter Veränderungen im Norden der Stadt ein: von der Halle 550 in Oerlikon bis zu den Plänen für das MFO-West-Areal mit Wohnungen, Kultur und Parkflächen. Damit eröffnet sich dem Gauss-Stierli-Areal, das seit Jahren zwischen Vision und Verfall schwankt, eine neue Zukunft. Oder die nächste Runde im Zürcher Planungspoker.
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Bachelorstudium der Psychologie an der Universität Zürich und Masterstudium in politischer Kommunikation an der Universität von Amsterdam. Einstieg in den Journalismus als Redaktionspraktikantin bei Tsüri.ch. Danach folgten Praktika bei der SRF Rundschau und dem Beobachter, anschliessend ein einjähriges Volontariat bei der Neuen Zürcher Zeitung. Nach einigen Monaten als freie Journalistin für den Beobachter und die «Zeitung» der Gessnerallee seit 2025 als Redaktorin zurück bei Tsüri.ch.