Hardturm-Drama: Höngger Prominenz steckt hinter Stadion-Rekurs - Tsüri.ch #MirSindTsüri
account iconsearch
Von Simon Jacoby

Co-Geschäftsleitung & Chefredaktor

emailtwitter logowebsite

13. März 2024 um 05:00

Aktualisiert 15.03.2024

Hardturm-Drama: Höngger Prominenz steckt hinter Stadion-Rekurs

Hinter dem Rekurs gegen das Fussballstadion auf der Hardturmbrache steckt ein Verein, dessen Mitglieder sich um Anonymität bemühen. Wie Recherchen zeigen, sind Reiche und Prominente aus Höngg die Strippenzieher.

Das geplante Fussballstadion auf dem Hardturm-Areal. (Foto: Nightnurse Images, Zürich)

Bereits drei Mal sagte das Zürcher Stimmvolk Ja zu einem neuen Stadion auf dem Hardturm-Areal, zuletzt 2018 und 2020. Das aktuelle Projekt «Ensemble» sieht ein Wohngebiet mit zwei Hochhäusern, einer Genossenschaftssiedlung und einem Fussballstadion vor. 1500 Menschen sollen in Zukunft auf dem Hardturm-Areal wohnen. Baustart? Unklar. 

Das Grossprojekt wird seit der erfolgreichen Volksabstimmung durch Beschwerden und Rekurse von Stadiongegner:innen blockiert. Zurzeit ist beim Verwaltungsgericht eine Einsprache gegen den Gestaltungsplan hängig, nachdem das Baurekursgericht Zürich den Rekurs im August 2023 erstinstanzlich abgelehnt hatte. Diese Recherche zeigt erstmals auf, wer hinter den Einsprachen steht.

«Diskretion ist in jedem Fall zugesichert»

Wer im Umfeld der Stadiongegner:innen recherchiert, stösst auf den Verein «Pro lebenswertes Zürich – Limmatraum». Der nach der Abstimmung 2020 gegründete Verein setzt sich offiziell gegen den Bau von Hochhäusern ein, damit soll die Stadt «attraktiv» und «lebenswert» bleiben. Der Verein operiert dabei im Dunkeln. Auf der Webseite ist keine Kontaktperson aufgeführt, die einzige auffindbare Medienmitteilung wurde ohne Absendernamen verschickt. Dokumente über Mitglieder und Vorstand lassen sich keine finden.

Züri Briefing abonnieren!

Jeden Morgen um 6 Uhr findest du im Züri Briefing kuratierte News, Geschichten und Tipps für den Tag. Persönlich. Informativ. Unterhaltsam. Bereits 10'000 Menschen lesen mit – und du?

Ein Schreiben vom Juli 2022 an die Mitglieder verrät, welchen Zweck der Verein auch noch erfüllt. Der Verfasser sucht darin nach Beschwerdeführer:innen, die gegen den Stadionbau rekurrieren – «Diskretion ist in jedem Fall zugesichert». Wenige Monate später bestätigt ein weiteres Schreiben, dass der Verein einen Rekurs gegen den Stadionbau «fristgerecht» eingereicht hat. Die Beschwerdeführer:innen blieben bis jetzt anonym.

Prominente Namen aus Wirtschaft und Medien

Unterlagen, die Tsüri.ch vorliegen, zeigen nun erstmals auf, wen der Verein schützen will: Neben den links-grünen «IG Freiräume» und «IG am Wasser» gehören zu den Mitgliedern des Vereins unter anderem der ehemalige Chefredaktor der NZZ am Sonntag, Felix E. Müller, oder der Unternehmer Urs Zweifel, Neffe des verstorbenen Zweifel-Gründers und heutiges Verwaltungsratsmitglied der Zweifel Pommy Chips AG.

Es ist nicht das erste Mal, dass diese Herren gegen das Stadion kämpfen. Bereits im Jahr 2017 machte das «Höngger Komitee» mobil gegen die Türme des Stadionprojekts. Damals aber noch nicht anonym, sondern mit ihren Namen, wie in der NZZ zu lesen ist. 

Warum bemühen sich die Mitglieder um Anonymität? Welche Motivation steckt hinter dem Rekurs gegen das Stadionprojekt? Geht es um Partikularinteressen der einzelnen Mitglieder? Keine dieser Fragen wollte der Verein auf Anfrage beantworten.

Wie lange bleibt die Brache noch? (Foto: Tsüri.ch / Elio Donauer)

Der Kampf von Urs Zweifel gegen das Stadion lässt aufhorchen. Die Chips-Firma taucht immer wieder als Sponsorin von Sportevents auf und gibt sich betont fussballbegeistert. Für die EM 2021 hat sie sogar eigens eine Werbekampagne für Fussballfans entworfen. Darauf angesprochen schreibt die Medienstelle, das Unternehmen sei über die privaten Aktivitäten der Verwaltungsratsmitglieder nicht informiert. «Wir möchten zudem darauf hinweisen, dass die privaten Interessen nicht im Zusammenhang mit unseren Unternehmungen stehen und diese keinesfalls in Verbindung gebracht werden sollen.»

Auch für die NZZ am Sonntag ist die Sache pikant: Der ehemalige Chefredaktor Felix E. Müller kritisierte in den vergangenen Jahren in mehreren Artikeln die Raumplanung in Zürich, ohne dass seine private Interessenbindung je transparent gemacht worden wäre. So monierte er beispielsweise, dass an Hochhausplänen festgehalten wird, «Schattenwurf hin, Quartierverödung her». Weder Felix E. Müller, noch die NZZ wollten sich auf Anfrage äussern. 

Neue Stadionabstimmung wegen neuer Initiative?

Vorerst liegt der Rekurs beim Verwaltungsgericht, wann dieses entscheidet, ist nicht bekannt. Die bisherige Hartnäckigkeit der Stadiongegner:innen lässt vermuten, dass eine erneute Abweisung des Rekurses an die nächst höhere Instanz weitergezogen wird.

Derweil könnte ein neues Volksbegehren das Stadion bedrohen: Die mit über 3000 gültigen Unterschriften zustande gekommene «Uferschutz-Initiative» will das Limmatufer vor grossen Bebauungen schützen. Bauten und Anlagen mit einer Höhe von mehr als 25 Metern sollen vom Flussufer den Abstand der vierfachen Breite der Limmat einhalten. Es ist die exakte Distanz von der Limmat zu den geplanten Hochhäusern des Stadionprojekts. Aktuell arbeiten Regierung und Parlament an einem Gegenvorschlag, bevor es dann zur Volksabstimmung kommen dürfte. 

Interessant: Das Unterstützungskomitee besteht zu einem grossen Teil aus Mitgliedern des Vereines «Pro lebenswertes Zürich – Limmatraum», die beiden Vereine nutzen auch das gleiche Template für die Webseite. Geht es also gar nicht nur um den Schutz des Ufers? Doch, betont der Verein auf Anfrage.

Stadionbau weiterhin unklar

«Mit der Uferschutz-Initiative schützen wir Erholungsräume und Ufer-Landschaften, die für die Zürcher:innen wichtig sind.» Das Volksbegehren verhindere die Entwicklung der Stadt nicht und habe «nichts mit dem Stadionprojekt zu tun». 

Ähnlich argumentiert der Stadtrat in seiner Medienmitteilung vom Juni 2023. Darin hält die Regierung fest, dass sie die Initiative mit einem Gegenvorschlag bekämpfen will, doch das Stadionprojekt als bereits beschlossenes Projekt sowieso nicht von der Initiative betroffen wäre. Daran hat Rechtsprofessor Alain Griffel leise Zweifel, wie er in der NZZ ausführt: «Eine gewisse Gefahr für das Bauprojekt geht von der Initiative deshalb aus, weil es aufgrund des juristischen Schwebezustands viele andere nicht gesicherte Faktoren gibt.»

Wenn die Geschichte um das neue Zürcher Fussballstadion eines lehrt, dann, dass es erst sicher ist, wenn der letzte juristische Kampf ausgefochten ist.

GEGENDARSTELLUNG

  1. Die Behauptung, es sei «nicht das erste Mal», dass ich «gegen das Stadion kämpfen» würde, ist falsch. Richtig ist, dass ich keine Einwände gegen den geplanten Stadionbau habe, sondern im Gegenteil den Bau eines solchen Stadions unterstütze. Meine Einwände richten sich ausschliesslich gegen den geplanten Bau der zwei Hochhäuser, die Teil dieses Projekts sind.
  2. Die Behauptung, ich hätte in mehreren Artikeln der «NZZ» und der «NZZamSonntag» die Raumplanung in Zürich kritisiert, «ohne dass»  meine «private Interessenbindung je transparent gemacht worden wäre», ist falsch. Ich habe mich in diesen Artikeln nie zum geplanten Stadionprojekt geäussert und befand mich somit auch nie in einer Interessenbindung.

Dr. Felix E. Müller, Zürich

Ermögliche weitere Recherchen


Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Medien. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Mittlerweile sind 1500 Menschen dabei und ermöglichen damit den Tsüri-Blick aufs Geschehen in unserer Stadt. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 2000 – und mit deiner Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für Tsüri.ch und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 8 Franken bist du dabei!

Das könnte dich auch interessieren