Null-Promille im Glas

Alkoholfreies Bier boomt – so reagieren Zürcher Brauereien

An der Züri-Wiesn im Hauptbahnhof wurden bis zum Samstag reichlich Masskrüge ausgeschenkt. Dabei fliesst immer öfter alkoholfreies Bier aus dem Zapfhahn. Die steigende Nachfrage fällt auch den Zürcher Brauereien auf.

Brauerei Gsöff
Hier wird noch zum klassischen Bier gegriffen, doch das alkoholfreie ist auf dem Vormarsch. (Bild: Minea Pejakovic)

Ob an heissen Sommertagen, um sich zu erfrischen, oder nach Feierabend, um abzuschalten – Bier bleibt ein beliebter Durstlöscher. Wohl nirgends fliesst derzeit so viel Bier wie an den Oktoberfesten. Das zeigte sich auch an der Züri-Wiesn in der Bahnhofshalle, wo während etwa drei Wochen unzählige Mass Bier gezapft wurden. 

Dabei landet immer öfter alkoholfreies Bier im Krug. «Wir sehen einen klaren Trend nach oben, die Nachfrage steigt von Jahr zu Jahr», sagt Stephan Dubi, Pressesprecher der Züri-Wiesn, auf Anfrage.

Diese Beobachtung spiegelt sich auch in den Zahlen des Schweizer-Brauerei-Verbands wider. So legte der Konsum von alkoholfreiem Bier zwischen den letzten zwei Jahren um fast elf Prozent zu. Entsprechend wächst auch der Marktanteil seit 14 Jahren kontinuierlich. Im vergangenen Jahr betrug er 7,1 Prozent des Gesamtmarkts.

Vom Nischenprodukt zum Trendgetränk

Thomas Schreiber, Geschäftsführer der Brauerei Amboss, sieht den Boom des alkoholfreien Biers in einem gesellschaftlichen Wandel begründet. «Die Leute wollen sich immer gesünder verhalten, da ist ein alkoholfreies Bier eine gute Alternative im Ausgang oder Zuhause», sagt Schreiber. Kein Wunder also, dass die jüngsten Produkte von Amboss zwei alkoholfreie Biersorten sind. Demnächst soll noch ein leichtes Ingwerbier das Angebot ergänzen. 

Luis Flühmann, eines der Gründungsmitglieder der Brauerei Gsöff, vermutet nicht nur ein erhöhtes Gesundheitsbewusstsein als Grund für den Verzicht auf Hochprozentiges, sondern zudem einen Imagewandel von alkoholfreien Optionen: «Früher galt alkoholfreies Bier als ‹langweilig› oder ‹uncool›, heute ist das oft nicht mehr so», sagt er.

«Dass der einzige aufsteigende Ast im Biermarkt das alkoholfreie Bier ist, ist kein Geheimnis»

Luis Flühmann, Gründungsmitglied Gsöff

Vor zweieinhalb Jahren betrat das mittlerweile sechsköpfige Team hinter Gsöff mit seinen Craft-Bieren den Markt. Bisher verkaufte die Brauerei im Kreis 3 neben dem Session IPA «West», auch wechselnde Monatsbiere in verschiedenen Sorten – zuletzt etwa ein Thymian Ale oder ein Melone-Weizen. Nur eine alkoholfreie Alternative fehlte bislang im Sortiment.

«Dass der einzige aufsteigende Ast im Biermarkt das alkoholfreie Bier ist, ist kein Geheimnis», erklärt Flühmann. Bei den Rampenverkäufen habe das Team festgestellt, dass die Nachfrage nach einem alkoholfreien «Gsöff» vorhanden ist.

Ihr erstes Bier ohne Alkohol lancierte die Brauerei nun vor rund zwei Monaten. «Unser aktuelles alkoholfreies Bier ist noch in der Testphase und wir sind laufend daran, dieses weiterzuentwickeln», sagt er. Künftig soll es immer ein alkoholfreies Bier im Angebot geben.

Produktion von alkoholfreiem Bier ist aufwändiger

Das Brauen von alkoholfreiem Bier sei aber alles andere als einfach, erklärt Flühmann weiter. Durch das Wegfallen des Alkohols steige die Gefahr einer Infektion des Bieres, «deshalb werden alkoholfreie Biere häufig pasteurisiert». Da die eigenen Anlagen dies jedoch nicht ermöglichen, wird das neue Bier momentan nach Gsöff-Rezeptur extern produziert. 

Alternativ könnte dem Bier nachträglich Alkohol entzogen werden, doch «diese Prozesse sind meist energieaufwändig und entziehen dem Bier auch den Geschmack», so Flühmann.

  • Brauerei Gsöff
    In diesen Anlagen läuft unter anderem der Gärprozess ab, der dem Bier seinen Alkoholgehalt verleiht. (Bild: Minea Pejakovic)
  • Brauerei Gsöff
    Luis Flühmann (Mitte) und Freunde am Rampenverkauf an der Weststrasse. (Bild: Minea Pejakovic)
  • Brauerei Gsöff
    Das neue alkoholfreie Bier trägt den Namen «Ost» und verkörpert den Gegenpol zum alkoholhaltigen «West». (Bild: Minea Pejakovic)

Zusammengefasst bedeute die Produktion von alkoholfreiem Bier vor allem: teure Anlagen und mehrere Prozessschritte. Ähnliche Erfahrungen macht auch Amboss. Im Vergleich zu alkoholhaltigem Bier sei die Herstellung der Null-Promille-Varianten gemäss Schreiber fast doppelt so teuer.

Brauereien bleiben weiterhin stabil

Allgemein ist gemäss dem Schweizer-Brauerei-Verband der Pro-Kopf-Konsum von Bier seit 1990 um 30,6 Prozent zurückgegangen und nimmt tendenziell weiter ab. Zwar ist dieser Trend auch bei Amboss spürbar, doch Sorgen um die Zukunft macht man sich dort nicht: «Der Biermarkt ist seit 20 Jahren rückläufig, so sind wir und das gewohnt», sagt Schreiber. 

Bei Gsöff sind Tendenzen zu einem sinkenden Konsum kaum bemerkbar, da die Brauerei im Vergleich zu anderen noch relativ klein ist. Dennoch merke man ein zunehmendes Konsumbewusstsein, das laut Flühmann auch den Fokus auf Craft-Biere verstärke. «Viele grössere Brauereien lancieren immer öfter neue Produkte, weil ein gewisser Druck herrscht, spannend zu bleiben», erklärt er.

So wird das etwa 10'000 Jahre alte Getränk auch künftig in immer neuen Formen daherkommen – ob mit oder ohne Alkohol.

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Minea Pejakovic

Nach der Ausbildung zur Kauffrau EFZ beim Sozialdepartement der Stadt Zürich folgte die Berufsmaturität an der KV Zürich mit Schwerpunkt Wirtschaft. Anschliessend Bachelorabschluss in Kommunikation und Medien mit Vertiefung Journalismus an der ZHAW. Erste journalistische Erfahrungen als Praktikantin in der Redaktion von Tsüri.

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Kommentare

Felix schwaibold
20. Oktober 2025 um 08:15

16 jahre

Das Mindestalter für Bier und Wein soll in die Schweiz 16 Jahre bleiben und fertig