Kathrin: «Wir haben vier Jahre eine passende Familienwohnung gesucht»
In Zürich leben aktuell so viele Menschen wie zuletzt im Jahr 1963. Wir haben einige von ihnen zu Hause besucht. Kathrin lebt seit 13 Jahren mit ihrem Partner und ihren beiden Kindern, die inzwischen Teenies sind, in einer Genossenschaftswohnung in Altstetten. Das Leben am Stadtrand gefällt ihnen, doch von der Genossenschaft hätten sie mehr erwartet.
Vier Jahre lang hatten Kathrin und ihre Familie eine passende Wohnung gesucht, bis sie schliesslich 2010 in eine 4.5-Zimmer-Genossenschaftswohnung in Altstetten einziehen konnten. In der grosszügigen, hellen Wohnung im Erdgeschoss fühlen sich alle wohl. Der direkte Zugang zur Wiese war für die Kinder besonders schön, als sie noch klein waren. «Altstetten ist zentral und gleichzeitig ist man schnell in der Natur», findet Kathrin.
Das genossenschaftliche Wohnen hätten sie sich etwas anders vorgestellt. Die Genossenschaft schreibe sich zwar Diversität und Solidarität auf die Fahne, doch die Realität sehe anders aus. Das sei schade, findet Kathrin. «Ich habe einen grossen Sinn für Gerechtigkeit. Auch bei Genossenschaften ist nicht immer alles transparent. Deshalb sollte es konsequentere Regeln geben bezüglich Einkommen und Anzahl Kinder für grössere Wohnungen, um den Wohnungssuchenden gerechtere Chancen zu bieten. Ich wünschte, dies hätte hier eine höhere Priorität.»
Wie hoch ist dein monatlicher Mietzins?
2150 Franken.
Belastet dich die Miete finanziell?
Es ist schon der grösste Fixbetrag monatlich, aber wir sind dankbar, dass wir eine schöne Genossenschaftswohnung gefunden haben.
Wie bist du zu deiner Wohnung gekommen?
Es war vermutlich die Kontaktaufnahme zum richtigen Zeitpunkt. Es liefen gerade die Rekrutierungen für einen Genossenschafts-Neubau in unserem Quartier. Eigentlich waren die Wohnungen alle vergeben, aber durch die lange Phase von der Wohnungsvergabe bis zum Einzug sind offenbar ein paar bereits Angemeldete wieder abgesprungen. Da ich gelesen hatte, dass alle Wohnungen vergeben seien, wollte ich mich erst gar nicht melden, aber eine befreundete Mutter im Quartier hat mich motiviert, es trotzdem zu tun. Dafür bin ich ihr bis heute dankbar. Wir haben vier Jahre, davon mindestens zwei Jahre aktiv, eine passende Familienwohnung gesucht.
Was magst du an deiner Wohnung – und was nervt?
Die Wohnung ist ein Neubau und daher modern ausgestattet, das schätze ich vor allem bei Küche und Bad, aber auch dass die Kinderzimmer nicht zu klein sind, wie es in den älteren Genossenschaftsbauten oft der Fall ist. Die Lage ist für Familien ideal, da ÖV, Einkaufsmöglichkeiten und Schulen in der Nähe liegen und auch der Arbeitsweg praktisch ist. Ich schätze den grossen Balkon und die Lage an einer Wohnstrasse, die zentral und trotzdem ruhig ist. Die Siedlung ist etwas verdichtet gebaut, das heisst, die einzelnen Wohnblocks liegen so nah beieinander, dass einem die Nachbar:innen ins Wohnzimmer schauen können. Am Anfang war dies etwas gewöhnungsbedürftig für mich, aber mittlerweile mag ich die belebte Umgebung und es gibt ja auch Vorhänge und Storen.
Wie hat sich das Quartier verändert, seit du hier eingezogen bist?
Es ist eine sehr kinderreiche Siedlung, was damals für uns mit kleinen Kindern perfekt war. Diese sind mittlerweile Teenager geworden und das Siedlungsbild hat sich etwas gewandelt. Es sind aber wieder junge Familien nachgekommen und ich finde es schön, dass immer noch viel Leben herrscht auf dem Siedlungsplatz, auch wenn ich zu den Leuten dort weniger persönlichen Kontakt habe als früher.
Wie gut kennst du deine Nachbar:innen?
Die Siedlung ist nicht riesig. Ich kenne einige, vor allem noch durch die Kleinkinder-Zeit, aber längst nicht alle. Das finde ich ganz gut so.
Hast du Angst davor, aus deiner Wohnung zu müssen?
Jein. Es wäre möglich, dass die Genossenschaft Anspruch erhebt, wenn irgendwann, vielleicht in etwa zehn Jahren, unsere Kinder erwachsen und ausgezogen sind. Dadurch, dass wir Genossenschafts-Miteigentümer:innen sind, denke ich aber, dass uns eine kleinere Wohnung angeboten werden würde. Trotzdem wäre es wohl nicht einfach für mich.
Wenn du wählen könntest: Wie und wo in Zürich würdest du am liebsten wohnen?
Ein Haus mit Garten am Stadtrand würde mir gefallen, vor allem weil wir dort einen Hund halten könnten, was hier nicht erlaubt ist.
Viele sagen, in Zürich herrscht aktuell Wohnungsnot – wie nimmst du das wahr?
Ja, ich kenne sehr viele Leute, die Wohnungen suchen. Vor allem für junge Familien ist es schwierig, zahlbaren Wohnraum zu finden. Vor nicht allzu langer Zeit war ich mal für eine Freundin an einer Wohnungsbesichtigung und sehr dankbar, dass ich diesen Ansturm und die permanenten Absagen nicht mehr mitmachen muss.
Dein ultimativer Tipp für die Wohnungssuche?
Das Wichtigste ist wohl, sich nicht entmutigen zu lassen und nicht aufzugeben, auch wenn es schwierig ist, etwas Passendes zu finden. Vielleicht hilft es auch, den Radius auszuweiten und sich nicht nur auf ein bestimmtes Quartier zu fixieren, offenzubleiben und weiterzuerzählen, dass man auf der Suche ist.
Wohnzimmer oder Balkon?
Wohnzimmer.
Ämtliplan oder Putzpersonal?
Wir als Paar haben weder noch, aber eine Rollenverteilung für diverse Aufgaben, die garantiert nicht den Geschlechterklischees entsprechen. Bei den Teenies gibt es noch Luft nach oben – unser Erziehungsauftrag ist weiterhin gefordert.
Mieten oder kaufen?
Mieten. Kaufen in der Stadt ist schlicht zu teuer und ins Hinterland zu ziehen ist auch keine Option.
Trampelnde Kinder oder tanzende Erwachsene?
Unsere Wohnung war immer offen für Kinder und auch heute herrscht ziemlich viel Toleranz für die Kids und ihre Kolleg:innen.
Angeschriebenes Essen im Kühlschrank oder alles für alle?
Alles für alle.
Serie «Wohnen in Zürich» |
Im April 2023 lebten in Zürich 445'323 Menschen – so viele wie seit 1963 nicht mehr. Der Platz ist eng, der Bedarf nach Wohnraum hoch und die Sorge vor einer Kündigung bei vielen omnipräsent. Deshalb haben wir uns auf die Suche gemacht. Nach Städter:innen, die uns nicht nur die Tür zu ihrem Zuhause öffnen, sondern auch über ihre Zukunftsängste und Hoffnungsschimmer sprechen. Entstanden sind fünf Homestorys von Zürcher:innen, die ganz unterschiedlich mit der drohenden Wohnungsnot umgehen. Kathrin: «Auch bei Genossenschaften ist nicht immer alles transparent» |