8 erschütternde Konsequenzen, die zeigen, dass wir unser Konsumverhalten sofort ändern müssen
Im Hinblick auf unseren Fokusmonat Netto-Null haben wir unsere vierteilige Serie zu ungemütlichen Wahrheiten des Konsumalltags wieder aufbereitet. Im dritten Teil haben wir acht erschütternde Konsequenzen unseres Konsumverhaltens auf Mensch, Natur und Umwelt zusammengefasst.
Dieser Artikel erschien ursprünglich am 17. August 2019. Anlässlich zum Start unseres Fokusmonats Netto-Null am 17. November, haben wir diesen Beitrag für einen Repost ausgewählt.
1. Wir verschmutzen unsere Gewässer
86 Millionen Tonnen Plastik sollen Schätzungen nach im Meer schwimmen. Einige Forscher:innen behaupten sogar, dass Plastik bis 2050 das Gewicht der Fischbestände übersteigen könnte. Grund ist die falsche Entsorgung, das Waschen von Kunststofftextilien, sowie Fischernetze. Der grösste Anteil des Mikroplastiks im Meer stammt jedoch von einem anderen Ort: dem Reifenabrieb im Strassenverkehr.
Die industrielle Landwirtschaft trägt ebenfalls einen grossen Teil zur Wasserverschmutzung bei und das viel näher als uns lieb ist. Hierzulande wurden in einigen Regionen beispielsweise krebserregende Giftstoffe des Pflanzenschutzmittels Chlorothalonil im Grund- und Trinkwasser festgestellt - auch im Kanton Zürich überschreitet das Pestizid, das übrigens in der EU verboten ist, den offiziellen Höchstwert.
Ein weiteres Problem ist Elektroschrott. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen fallen weltweit jährlich zwischen 20 und 50 Millionen Tonnen Elektromüll an. Dieser wird u.a. nach Afrika verschifft, wo Schwermetalle und Quecksilber in die Böden von Mülldeponien sickern und anschliessend in die Gewässer gelangen.
2. Wir roden unsere Regenwälder
29.4 Millionen Hektar Wald gingen allein 2017 verloren. Das ist eine Fläche so gross wie Grossbritannien und Irland zusammen. Dieses Jahr (2019) erreicht die Abholzung einen neuen Rekord und Forscher:innen warnen davor, dass wir uns auf einen Tipping-Point zu bewegen, an dem sich der Regenwald nicht mehr erholen kann.
Der Hauptgrund: Die intensive Nutztierhaltung. Gefolgt von Soja, welches wiederum zu 90% als Kraftfutter an Nutztiere verfüttert wird. Dem aktuellen Sonderbericht des Weltklimarats IPCC zu Folge werden 80% aller landwirtschaftlichen Flächen für die Produktion von tierischen Erzeugnissen (also Fleisch, Milch, Eier usw.) eingesetzt. Laut einer von Greenpeace durchgeführten Studie verbrauchen wir dafür 26% unserer Erdoberfläche, also so viel wie Süd- und Nordamerika zusammen.
Die systematische Rodung des Regenwaldes begann lang vor Jair Bolsonaras Amtszeit. Wer das Klima retten will, muss nicht nur den brasilianischen Präsidenten stoppen, sondern auch all jene Unternehmen, die aus der Nutztierhaltung ein lukratives Geschäfts ziehen.
3. Wir zerstören unsere Artenvielfalt
Mit dem Verlust des Regenwaldes – die Hälfte aller Arten lebt hier – geht auch ein Verlust der Biodiversität einher. Kleine Insekten, aber auch grosse Säugetiere wie der Jaguar sind betroffen. Der Weltbiodiversitätsrats spricht in seinem globalen Bericht vom grössten Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurier.
Für unsere Ernährungssicherheit ist vor allem das weltweite Insektensterben verhängnisvoll. In einem globalen Gutachten der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen haben Forscher:innen Anfang 2019 davor gewarnt, dass die Zukunft unserer Nahrungsmittel ernsthaft gefährdet ist, da Arten wie Bienen verloren gehen, die für die Bestäubung von Pflanzen oder die Bekämpfung von Schädlingen von enormer Bedeutung sind.
Das Insektensterben geht paradoxerweise auf das Konto der industriellen Landwirtschaft, sprich die Industrie, die unsere Nahrungsmittel herstellt. Riesige Monokulturen und ein massiver Pestizideinsatz tragen zum Verlust der Artenvielfalt bei. Zuckerrohr, Mais, Reis, Weizen, Kartoffeln, Sojabohnen, Ölpalmen, Zuckerrüben und Maniok – das sind die neun Pflanzenarten die 66 Prozent der gesamten Nahrungsmittelproduktion ausmachen, dabei gäbe es 6’000 Pflanzenarten, die für die Ernährung angebaut werden können. Monokulturen sind anfälliger für Schädlinge und müssen umso stärker behandelt werden. Das Problem: Die eingesetzten Pestizide beschränken sich nicht auf die besprühten Flächen, sondern breiten sich über Wind und Gewässer aus. In der Folge sind auch in der Schweiz 93 Prozent der Böden von Bio-Bauern mit Pestiziden belastet.
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4. Wir stürzen unser Klima in eine Krise
Die Klimakrise hat je nach Region unterschiedliche Ausprägungen: Starke Niederschläge und Hochwasser auf der einen Seite, Niederschlagsdefizite und Dürren auf der anderen. Hitzeextreme und Waldbrände – aktuell sogar in der Arktis. Überflutungen niedrig gelegener Küstengebiete durch den Meeresspiegelanstieg. Biodiversitätsverlust und Ausbreitung invasiver Arten, wie Zecken. Ozeanversauerung, Abnahme des Sauerstoffgehalts im Meer und noch mehr Biodiversitätsverlust. Gesundheitsrisiken für uns Menschen, Ernährungsunsicherheit und Wasserknappheit.
Grund für die Klimakrise sind vor allem vom Menschen verursachte Treibhausgase. Diese haben viele Quellen, denn so ziemlich alles was wir konsumieren, stösst entweder bei der Herstellung oder bei der Nutzung CO2 aus. Hierzulande belastet Wohnen das Klima am stärksten. Gefolgt von unserer Ernährung. Die Treibhausgasemissionen von Milch- und Fleischerzeugnissen liegen bei 14% und sind mit der des gesamten Transportsektors (Auto, Flugzeug, Schiff) vergleichbar. Auf Platz 1 und 2 der klimaschädlichsten Produkte befinden sich Butter und Rindfleisch. Aber auch Getränke, allen voran Kaffee, sind aufgrund ihrer Transportwege und Verarbeitungsschritte sehr energieintensiv. Und auch die Wahl unserer Banken oder Pensionskassen hat einen indirekten Einfluss auf das Klima, da diese durch Investitionen klimaschädliche Vorhaben im grossen Stil fördern oder schwächen können.
Stark unterschätzt wird vor allem die Belastung durch die Digitalisierung. Laut dem französischen Think Tank «The Shift Project», könnte der Anteil der Treibhausgasemissionen der digitalen Wirtschaft bis 2025 bei 8% liegen. Grund sind vor allem Streaming-Dienste von Amazon und Netflix. Aber auch pornografische Inhalte, Youtube-Dienste und soziale Netzwerke wie Instagram tragen zum intensiven Energieverbrauch bei (Falls du Firefox nutzt, kannst du mit Hilfe dieses Plug-Ins herausfinden, mit welchen Diensten du am meisten CO2 ausstösst).
<div style="background-color:#3dafe8;color:white;font-weight:bold;padding:10px"> Fokus Netto Null </div> <div style="font-size:18px;padding:10px;background-color:#dddddd"> Im November und Dezember steht bei Tsüri.ch das Thema Netto-Null im Zentrum. An verschiedenen Veranstaltungen und in redaktionellen Beiträgen diskutieren wir bei Tsüri.ch über Herausforderungen und Chancen, über Klimagerechtigkeit und Verantwortung. Die Auftaktveranstaltung findet am Mittwoch 17. November im Kulturhaus Kosmos statt. Mit dabei an dieser Pitch-Night sind unter anderem Regierungsrat Martin Neukom und UNO-Klimabotschafterin Marie-Claire Graf. <br> <a href="https://tsri.ch/pitch-night/" target="_blank"> ----- Infos & Tickets Pitch-Night ------ <br> <a href="https://tsri.ch/netto-null" target="_blank"> ----- Fokus Netto-Null ------ </a> <br></div>
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5. Wir verletzen Menschen- und Tierrechte
Von Sexueller Belästigung auf spanischen Erdbeerplantagen, über Kinderarbeit in der Kakao- oder Kobalt-Industrie und Vergiftungen von Arbeiter:innen beim Umgang mit Schädlingsbekämpfungsmitteln, bis hin zur finanziellen Ausbeutung in der Textilbranche. Die Liste der konsumverwandten Menschenrechtsverletzungen ist lang und erschütternd.
Bei Nutztieren kann von Rechten noch keine Rede sein, aber selbst beim Tierschutz mangelt es. 2008 erhielten 7398 Schweizer Betriebe Kürzungen wegen Tierschutzverletzungen. 613 wurden strafrechtlich verurteilt, davon 277 Betriebe im Kanton Zürich. Doch Tierquälerei findet nicht nur hinter verschlossenen Türen statt, selbst auf Viehschauen wird darum kein Geheimnis gemacht. Zitzen von Kühen werden verklebt, damit die Euter dem prallen Schönheitsideal der Industrie entsprechen. Der Nationalrat lehnte ein Verbot dieser Praktik im Juni 2019 ab.
6. Wir unterstützen Rohstoffkonflikte
Nach Angaben von Amnesty international gehören die zwölf mineralreichsten und sechs der erdölreichsten Länder auch zu den ärmsten Ländern der Welt. Amnesty Internationals Einschätzung nach führt die Gewinnung von natürlichen Ressourcen zu Konflikten und Menschenrechtsverletzungen, sie erhöhen die Armut und schaden der nachhaltigen Entwicklung. Die entsprechenden Unternehmen behaupten natürlich das Gegenteil.
Ein Beispiel dafür sind die langjährigen Konflikte im Kongo. Den «größten und blutigsten Wirtschaftskriegs der Menschheitsgeschichte» hat Milo Rau im Kongotribunal als inszenierten Gerichtsprozess sichtbar gemacht. Mit Hilfe von exemplarischen Fällen echter Betroffener versucht Rau aufzeigen, dass nicht nur ethnische Gegensätze, sondern auch Rohstoffe für unsere Technologie Grund für den langanhaltenden Konflikt sind.
Der kongolesische Gynäkologe, Chirurg und Menschenrechtsaktivist Dr. Denis Mukwebe hat mit seinem Team seit Ende des Kongo-Kriegs 50’000 verletzte und verstümmelte Frauen operiert. Sexuelle Gewalt wurde im Kongo systematisch als Kriegswaffe eingesetzt. Anfang des Jahres erhielt Mukwebe den Friedensnobelpreis und richtete sich in seiner Nobelpreisrede direkt an uns Konsument:innen: Wir sollen endlich hinter die Produktion von Smartphone- und Elektroautos blicken. In Zeiten der Digitalisierung erhöht die riesige Nachfrage – allein 2017 wurden in der Schweiz 3,5 Millionen neue Smartphones verkauft – das Konfliktpotenzial in jenen Ländern, die die erforderlichen Rohstoffe besitzen.
7. Wir verstärken die soziale Ungleichheit
Mit jedem Kauf entscheiden wir, wie wir unser Geld verteilen. Wer seine Einkäufe bei globalen Playern wie Amazon tätigt, sein Taxi über Uber bestellt und seinen Urlaub auf AirBnb bucht, sorgt dafür, dass horrende Summen in die Taschen weniger fliessen, die es nicht selten perfektioniert haben, Steuerzahlungen aus dem Weg zu gehen.
Mit bemerkenswert dreisten Methoden sorgen Konzerne dafür, dass sie nur ein Bruchteil der Steuern auf Gewinne zahlen müssen, die sie auf dem Rücken der Allgemeinheit erwirtschaftet haben und die folglich zurück in die Gesellschaft fliessen sollten. Skandale wie die Panama Papers, die Paradise Papers oder die CumEx Files zeugen davon. So zahlt Nike beispielweise einer Firma, die ebenfalls zu Nike gehört, Lizenzgebühren, um das Nike Logo verwenden zu dürfen. Damit mindern sie ihre Gewinne und in der Folge ihre Steuerlast.
Mittlerweile sind acht Personen so reich wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Der mit Abstand vermögendste Mann ist Amazon-Gründer Jeff Bezoz. Während Amazon Profite durch unzumutbare Arbeitsbedingungen oder die Vernichtung von Retouren steigert, sind sie gleichzeitig Profis bei der Steuervermeidung. Zwischen 2009 und 2018 hat Amazon laut Tagesanzeiger auf einen Gewinn von 26,5 Milliarden Dollar nur 791 Millionen Steuern gezahlt. 2017 betrug die Steuerlast auf 5,6 Milliarden Dollar Gewinn null Dollar. Dafür investierte Amazon im darauf folgenden Jahr 14,4 Millionen Dollar in sein Lobbying.
Womit wir zum letzten Punkt kommen.
8. Wir schwächen Demokratien
Wenn wir konsumieren, verteilen wir nicht nur Gewinne, sondern auch politische Macht. Klaus Werner-Lobo und Hans Weiss veranschaulichen in ihrem Bestseller «Schwarzbuch Markenfirmen» anhand von 50 Firmenportraits, warum multinationale Konzerne heute eine ähnlich mächtige Rolle einnehmen wie einst Kaiser- und Königshäuser.
Gestärkt wird ihr politischer Einfluss durch Freihandels- und Investitionsschutzabkommen. Mit 120 bilateralen Investitionsschutzabkommen verfügt die Schweiz weltweit über das drittgrösste Netz solcher Abkommen. Mit ihnen erhalten Unternehmen ein direktes Klagerecht gegen Staaten und demokratisch legitimierte Entscheidungen, wie Umweltschutzgesetze, Arbeiter:innenrechte, Gesundheitsmassahmen oder Verbraucher*innenschutz – Beispiele solcher Prozesse gibt es zahlreiche.
Oftmals ist für uns Konsument:innen nicht ersichtlich, welche Unternehmen Teil grösserer Konzernstrukturen sind. Allein dem Schweizer Konzern Nestlé gehören über 2000 Marken an. Durch ihre wirtschaftliche Grösse sind Konzerne in der Lage Lobbying zu betreiben und Staaten politisch unter Druck zu setzen, indem sie beispielsweise mit Abwanderung in Länder mit niedrigeren Steuern, Löhnen oder Umweltstandards drohen. Diese Machtverhältnisse begegnen uns hierzulande meist dann, wenn gegen Volksbegehren mit dem Argument «es schade der Wirtschaft» gewettert wird.
Und auch der Journalismus bleibt in seiner Unabhängigkeit nicht unbeeinflusst. Medienhäuser werden bekanntlich durch Werbung finanziert, was gemäss Werner-Lobo und Heiss dazu führt, dass eine tiefergehende Kritik am System ausbleibt. So ist beispielsweise die Migros die grösste Werbeauftraggeberin der Schweiz. Über 200 Millionen Franken investiert die Migros in ihre Kommunikation, wobei das restliche Budget der Migros-Gruppe, zu der u.a. Digitec-Galaxus, Micasa, Hotelplan, Interio, Obi, exlibris und Globus gehören, noch gar nicht eingerechnet sind.
Wenn du bis hierhin gelesen hast, besteht die Gefahr, dass sich Frustration und Ohnmacht breit machen. Ja, die Welt steckt voller Probleme. Aber: Sie steckt auch voller Lösungen. Und das Schöne ist, dass du nun Teil dieser Lösungen sein kannst. Damit deine Recherchen nicht bei Null beginnen, werden wir dir in einem vierten und letzten Teil «Was tun?» erste Anhaltspunkte und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen.
Quellen zum Vertiefen:
- Vereinte Nationen: The State of The World’s Biodiversity for Food and Agriculture
- Weltbiodiversitätsrats: Report on biodiversity and ecosystem
- World Resources Institute: Water Risk Atlas
- World Resources Institute: Water Stress Ranking
- IPCC: IPCC-Sonderbericht über die Folgen einer globalen Erwärmung
- IPCC: Special Report on Global Warming
- Bundesamt für Umwelt: Zustand und Entwicklung Grundwasser Schweiz
- Energieforschung Stadt Zürich: Umweltbelastungen des Konsums in der Schweiz und in der Stadt Zürich
- Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits und Energietechnik: Kunststoffe in der Umwelt: Mikro- und Makroplastik
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