Private Vermieter:innen im Seefeld: «Kein Renditeobjekt, sondern einfach mein Elternhaus»

Viele privat verwaltete Häuser im Seefeld sind schon seit Generationen in Familienhand. Hier sind die Mieten häufig noch fair und der Umgang miteinander oft freundschaftlich. So steht es jedenfalls in einigen Rückmeldungen aus der Seefeld-Recherche. Wir haben eine Vermieterin gefunden, die mit uns reden wollte und uns über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ihres Hauses Auskunft gegeben hat.

DSC00510_b
Dagmar Rutschmann im Hof des Hauses, das sie verwaltet (Bild: Steffen Kolberg)
Seefeld Recherche_Logos_neu

Auf der Hinterseite wirkt Dagmar Rutschmanns Mehrfamilienhaus noch viel mehr wie ein Relikt aus alten Zeiten als von der Strasse aus. Das liegt nicht so sehr am Haus selbst, sondern an seiner direkten Umgebung. In der Nachbarschaft stehen einige graue Nachkriegsbauten mit plan betonierten Hinterhöfen und Parkplätzen, und der Garten ihres Hauses ist eine kleine grüne Oase inmitten dieses Betons. Etwas wild ist er, zumindest nicht so akkurat gepflegt wie viele andere Zürcher Hofgärten. Verstreut liegendes Spielzeug verrät dafür, dass der Garten auch tatsächlich als solcher genutzt wird. Während des Gesprächs mit Rutschmann am Gartentisch kommt eine Mieterin vorbei. Sie lacht und winkt und ruft: «Wir sind so froh hier zu wohnen», während sie mit ihrer Vermieterin den Stand einer Reparaturarbeit bespricht.

Rutschmanns Grossmutter kaufte das Gründerzeithaus in der Klausstrasse in den 50er Jahren, wie sie erzählt: «Es war damals als Absicherung gedacht, als Ort, an dem es Platz hat für sie selbst sowie für die Kinder und deren Partner und Familien.» Früher sei es üblich gewesen, dass die eigene Familie einen Grossteil der Fläche bewohnt und zum Beispiel Zimmer an Student:innen oder Wochenaufenthalter vermietet. Als Rutschmann selbst hier aufwuchs, waren drei der fünf Etagen von ihrer Familie bewohnt. «In der Schule hatte ich einige Klassenkamerad:innen, die so wie ich in einem Mehrfamilienhaus wohnten, das der eigenen Familie gehörte», erinnert sie sich. Auch heute noch sind zwei Wohnungen des Hauses familienintern besetzt. In der einen wohnt Rutschmanns Mutter, in der anderen ihre Tochter, die das Haus dereinst mit ihren Geschwistern übernehmen soll – es wäre dann in der vierten Generation von Mutter zu Tochter weitergegeben worden.

Wer besitzt, zeigt das nicht gerne

Im Seefeld gibt es viele solcher älterer Mehrfamilienhäuser, die noch privat verwaltet werden und sich oft seit Generationen in Familienhand befinden. Und schaut man auf die Rückmeldungen aus unserem CrowdNewsroom zur Seefeld-Recherche, sind es oftmals gerade die Mieter:innen dieser Liegenschaften, die sich explizit positiv über ihr Mietverhältnis äussern. «Ich bin froh, hatte ich das Glück eine wirklich schöne renovierte Altbauwohnung im Seefeld zum angemessenen Preis zu bekommen», heisst es da zum Beispiel, oder: «Unser Haus scheint ein Spezialfall zu sein, der hoffentlich so bleibt und möglichst Nachahmer findet.» Mehrere Mieter:innen erzählen auch davon, dass ihnen ihre Vermieter:innen bereits in Notlagen entgegengekommen seien, etwa als sie einmal mit der Monatsmiete im Ausstand waren.

Versucht man allerdings, mit besagten Vermieter:innen in Kontakt zu treten, halten sich die meisten bedeckt – wer besitzt, zeigt das nicht gerne in der Öffentlichkeit, auch wenn sie oder er damit als Positivbeispiel herhalten könnte. Nur Dagmar Rutschmann ist bereit, mit Namen und Gesicht von sich und ihrer Liegenschaft zu erzählen. Sie selbst wohnt bei Winterthur und kümmert sich um die Verwaltung des Hauses, das offiziell noch ihrer Mutter gehört.

Wenn man es einigermassen gut macht, kann man von so einer Liegenschaft leben

Dagmar Rutschmann, Vermieterin

Verwalten als «Learning by doing»

Eine 4-Zimmer-Wohnung kostet bei Rutschmann knapp 2’000 Franken im Monat, erzählt sie. Dadurch, dass es bei ihnen kaum Mieterwechsel gebe, seien die Mieten zwischenzeitlich fast ein wenig zu tief gewesen, wie sie findet: «Denn es ist ja nicht einfach unser Reingewinn.» Der Unterhalt sei nicht zu unterschätzen, und man müsse schliesslich Rücklagen bilden und sehen, dass man das Haus für anstehende Sanierungen nicht zu sehr mit Hypotheken belaste. Trotzdem ist sie überzeugt: «Wenn man es einigermassen gut macht, kann man von so einer Liegenschaft leben.»

Sie selbst geht aber neben der Verwaltung dieses und eines zweiten Hauses in Familienhand noch einem regulären 60-Prozent-Job nach. Für sie sei es etwas schönes, ein Haus zu erhalten, so Rutschmann: «Aber ich finde man hat dann auch ein wenig die Verpflichtung, dass man versucht, es einigermassen gut zu machen.» Das Verwalten sei für sie «Learning by doing» gewesen, erzählt sie: «Ich habe bis vor vier Jahren noch mit einer Excel-Tabelle gearbeitet. Aber inzwischen bin ich auf eine Verwaltungssoftware umgestiegen.»

Ein nachhaltiges Heizsystem muss noch warten

Demnächst müsse sie die Gebäudehülle sanieren lassen, so die Hausverwalterin mit einem Blick auf die Fassade. Sie überlege derzeit, ob sie dafür wirklich eine zusätzliche Dämmung brauche oder nicht, erläutert sie: «Eigentlich denke ich, dass die Mauern gut genug dämmen, das Problem bei der Isolierung sind ja eher die Fenster.» Fest steht jedenfalls, dass die Dachgeschosswohnung im Zuge der Sanierung erneuert und vergrössert werden soll: «Sie ist von allen Wohnungen im ältesten Zustand und das Dach muss dringend gemacht werden. Nach der Sanierung wird sie etwas teurer werden», sagt sie, und fügt lachend hinzu: »Aber sicher wird sie keine 7’000 Franken kosten.» Der Mieter wisse über die Planungen Bescheid und habe signalisiert, nach der Sanierung zu den neuen Konditionen wieder einziehen zu wollen.

Mir ist es schon wichtig, den Stil des Hauses einigermassen zu erhalten

Dagmar Rutschmann,Vermieterin

Die Gasheizung habe sie erst vor fünf Jahren erneuern lassen, so Rutschmann. Der Einbau eines nachhaltigen Heizsystems müsse deshalb noch etwas warten. Sie äussert Bedenken, dass sie mit einem solchen Wechsel des Heizsystems auch gleich die Böden in den Wohnungen herausreissen müsste, um eine Fussbodenheizung einzubauen: «Mir ist es nämlich schon wichtig, den Stil des Hauses einigermassen zu erhalten.» Als sie vor einigen Jahren ein Angebot bekam, das Haus an die Fernwärmeleitung zum nahegelegenen GZ Riesbach anzuschliessen, habe sie das noch ausgeschlagen: Der veranschlagte Preis, meint sie, sei «jenseits» gewesen: «Aber sicherlich tut sich da ja in der nächsten Zeit etwas bei den Kosten.»

Energieberatung für Hauseigentümer:innen

Beim einen oder anderen Objekt sei der Umstieg auf ein nachhaltiges Energiesystem sicher kompliziert, erklärt zu diesem Thema Andreas Edelmann, Energieberater und Präsident der Zürcher Sektion von Casafair, einem Verband für umweltbewusste und faire Hauseigentümer:innen. Doch er gibt zu bedenken, dass das bei den meisten Liegenschaften eigentlich gut möglich und nicht sehr teuer umzusetzen sei. Die höheren Investitionen liessen sich über tiefere Energiekosten über die Lebensdauer amortisieren. Casafair hatte sich für die Einführung und rasche Umsetzung des kantonalen Energiegesetzes stark gemacht, das nach seinem Inkrafttreten im Laufe dieses Jahres den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen nur noch in Ausnahmefällen erlauben wird. «Es braucht im Allgemeinen keine Gesamtsanierung bei der energetischen Sanierung», erklärt Edelmann. Man könne den Heizungsersatz natürlich im Rahmen eines Gesamtkonzepts der Gebäudesanierung durchführen, doch sei das neue Heizsystem selber in diesem Fall nicht der treibende Kostenfaktor.

Edelmann rät Hauseigentümer:innen dazu, sich bei einer Energieberatung zu den Möglichkeiten der energetischen Sanierung beraten zu lassen: «Bis der Krieg ausgebrochen ist, lief das Angebot der Energieberatung bei einem Teil der Eigentümer:innen unter dem Radar. Wenn die Heizung ersetzt werden musste, wurde in der Regel ein Installateur gerufen, der die Heizung oftmals eins zu eins ersetzt hat.» Inzwischen versuchten Branchenverbände verstärkt, Heizungsinstallateure zu Beratern weiterzubilden, damit diese den Kund:innen die Möglichkeiten nachhaltiger Heizsysteme aufzeigen könnten. Edelmann ist überzeugt, dass der Anspruch von Casafair machbar ist, als Hauseigentümer:in die eigenen sozialen Ansprüche einer fairen Miete und die ökologischen Ansprüche eines nachhaltigen Heizsystems in Einklang zu bringen. Mit den höheren Energiepreisen im letzten und vor allem in diesem Jahr würden sich die Kosten von energetischen Sanierungen noch viel schneller amortisieren als bisher – ein Heizungsersatz habe daher kaum Auswirkungen auf die Gesamtkosten für Miete und Nebenkosten für die Mieter:innen.

10 bis 20 Prozent unter den Seefelder Mieten

Ein anderer privater Hauseigentümer, der sich nur anonym äussern möchte, wartet im Moment noch die Amortisierung seiner sechs Jahre alten Gasheizung ab. Danach werde er das Haus an einen der neuen Fernwärmeverbünde im Seefeld anschliessen lassen, sagt er. Das würde seiner Schätzung nach 30’000 bis 40’000 Franken kosten, «aber das ist meiner Auffassung nach nichts, was man auf die Mieterschaft abwälzen sollte.» Auch dieser Vermieter verwaltet sein Haus selbst, er wohnt auch selbst darin und hat dort die Büroräume seiner Firma untergebracht. Das Haus sei seit Generationen in Familienhand, erzählt er.

Die Leute sind nicht gleich wieder auf der Suche nach einer günstigeren Wohnung und ziehen bei der nächstbesten Gelegenheit um.

Anonymer Vermieter

Er versuche mit seinen Mieten immer 10 bis 20 Prozent unter den typischen Seefelder Mieten zu sein, sagt er, eine 2.5-Zimmer-Wohnung koste bei ihm um die 2’000 Franken. «So hat man auch weniger Mieter:innenwechsel», erläutert er: «Die Leute sind nicht gleich wieder auf der Suche nach einer günstigeren Wohnung und ziehen bei der nächstbesten Gelegenheit um.» Ein gutes Verhältnis zur Mieterschaft sei ihm wichtiger als eine Renditemaximierung, und es erleichtere zudem die Verwaltung der Liegenschaft. Weil er da wohne und schnell vor Ort sei, stelle die Verwaltung für ihn auch keinen besonders grossen Mehraufwand dar. Dazu komme, dass die Instandhaltungskosten durch die verhältnismässig neue Heizung nicht allzu hoch seien.

Der Generationenwechsel hat bisher immer gut geklappt

Dass der Aufwand gerade für manche älteren Hausbesitzer:innen dann doch irgendwann zu hoch werde und sie sich letztlich entscheiden, ihre Liegenschaft zu einem guten Preis zu verkaufen, das kann er schon verstehen, meint er: «Aber es muss ja nicht gleich das Maximalangebot sein. Es kann ja auch eines unter den ersten fünf sein, wo dann aber vielleicht nicht der Konzern dahintersteht, der eine Renditemaximierung herausholen will.»

Auch Dagmar Rutschmann sagt, sie könne es teilweise verstehen, wenn private Eigentümer ihre Liegenschaften veräussern, um das Geld herauszuziehen, das darin gebunden sei: «Gerade wenn es sich um mehrere Kinder in einer Erbengemeinschaft handelt und man sich dann nicht einigen kann.» Bei ihnen habe der Generationenwechsel bisher immer ziemlich gut geklappt, so dass sich immer eine Person gefunden habe, die sich um die ganze Verwaltung kümmere und das Haus weiterführe. «Manche Menschen sehen in so einem Haus ein Renditeobjekt», meint sie noch: «Aber für mich ist es einfach mein Elternhaus.»

Redaktionelle Mitarbeit: Marc Engelhardt, CORRECTIV CrowdNewsroom

Dieses Projekt wird unterstützt von JournaFONDS – Bündnis für Recherche und Reportage und der Stiftung Mercator Schweiz. 

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare