«Ich habe eine Leidenschaft für Essen und Nachhaltigkeit»

Er sagt von sich, er sei zwar noch immer überdreht, aber auch selbstkritischer und nachdenklicher als früher. Der Tsüri-Chopf Lucas Baumann ist in verschiedenen Bereichen äusserst engagiert. Wie ihn das Leben nach Togo führte und was er als König von Zürich ändern würde, erzählt er hier im Interview.

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Wer bist du und was hat dich zu dir gemacht?

Die vielen Reisen und Aufenthalte im Ausland haben mich sicher geprägt. Ich wollte alles erleben und suchte intensive Begegnungen, Freundschaften mit Menschen überall auf der Welt. Auch kulinarisch wollte ich die Reichhaltigkeit unserer Erde und ihrer Kulturen bis in die Extreme ausprobieren. Heute stehe ich hier in Zürich in meinem kleinen Epizentrum und versuche all die Erlebnisse zu verdauen, die Fäden meiner bisherigen Bekanntschaften zu halten und irgendwie etwas Zusammenhängendes daraus zu flechten.

Vom Charakter her bin ich noch immer überdreht, begeisterungsfähig und idealistisch, aber auch nachdenklicher und selbstkritischer als früher. Die Themen rund um Nachhaltigkeit und Essen beschäftigen mich leidenschaftlich und gleichzeitig verzweifle ich manchmal daran, all den Ansprüchen genügen zu wollen und die Widersprüche in meinem Leben auszuhalten. Ausserdem überkommt mich je länger je mehr die Liebe zu meinem jungen Sohn (20 Monate) und seiner Mutter (30 Jahre) und meine Prioritäten verschieben sich. Wo die Reise hingeht – keine Ahnung.

Du bist ja in verschiedenen Projekten aktiv die Welt am verändern. Kannst du uns deine beiden Haupt-Engagements kurz vorstellen?

Drei bis vier Tage pro Woche verbringe ich mit meinem Sohn Emil und begleite ihn auf seiner Entdeckungsreise. Es ist berührend und inspirierend, die Welt ein wenig mit seinen neugierigen Augen wahrnehmen zu dürfen. Dank Emil nehme ich mir wieder die Zeit, dreissig Minuten lang einer Kuh beim Gras Kauen zuzuschauen. Ob ich damit aktiv die Welt verändere, wage ich zu bezweifeln.

Die anderen Tage bin ich unter anderem Projektleiter für den Verein HappyTogo. Wir fördern die Entwicklung einer Modell- und Forschungsfarm für eine nachhaltige Landwirtschaft in Togo, einem kleinen Land in Westafrika. Wir lassen uns inspirieren von lokalen Anbaumethoden wie auch von Permakultur-Prinzipien und regenerativer Landwirtschaft. Dazu arbeite ich mit togolesischen Expert*innen, die wiederum mit der lokalen Bevölkerung die Farm aufbauen. Gleichzeitig unterstützen wir sie bei der Suche nach Partnerschaften auf Augenhöhe, zum Beispiel mit Marktteilnehmer*innen für den Absatz von Produkten und mit Forschungsinstituten für angewandte Forschung auf der Farm.

Wie bist du darauf gekommen, in Togo etwas aufzubauen? War das ein glücklicher Zufall?

Ja es war Zufall, Inshallah. Meistens bin ich auch glücklich darüber. Ich habe vor über fünf Jahren zusammen mit meinem Freund und Mitbewohner Wenzel meinen Zivildienst für sechs Monate in Togo geleistet in dem Dorf, wo heute die Modellfarm steht. Wir hatten den Auftrag, eine kleine Fischzucht aufzubauen. Nach vielen frustrierenden Misserfolgen, viel naivem Übermut und auch einer rechten Portion typisch westlicher Überheblichkeit staune ich heute, dass da wo einst nur ein einziger Mangobaum etwas Schatten spendete, heute eine blühende Farm steht. Doch noch mehr als über die sichtbare Veränderung, freue ich mich über die gewachsenen Beziehungen, die Basis nach fünf Jahren intensiver Auseinandersetzung im Besonderen mit Happy Attiogbe, dem gebildeten Soziologen. Er ist das Herz des Projektes, es ist seine Lebensaufgabe geworden, für die er sich trotz sehr herausfordernden Umständen mit jedem Atemzug einsetzt.

Alles, worüber wir hier sprechen, bringt dir wahrscheinlich keinen guten Lohn ein. Wovon lebst du?

Wir brauchen wenig Geld, ich lebe in einer lässigen WG, meine Freundin und ich teilen alles, bis jetzt geht es auf. Wir essen dennoch wie die Fürst*innen, die meisten Lebensmittel kommen von Kooperativen und solidarischer Landwirtschaft aus Zürich, welche wir in unserer Gourmet-WG aufwändig verkochen. Bis jetzt hatte ich nie Zukunftsängste. Ich glaube fest, dass, wenn ich mich dort engagiere, wo ich Freude habe und mit Herzblut bei der Sache sein kann, dann auch immer neue Türen aufgehen. Natürlich habe ich auch das Privileg, in der Schweiz zu leben und eine grosse Familie zu haben, die mir im Notfall immer helfen würde.

Und zum Schluss noch der Klassiker: Wenn du einen Tag lang König von Zürich wärst, was würdest du als Erstes tun?

Ich würde den königlichen Klimanotstand aufrufen und folgende ökomonarchische Massnahmen ergreifen:

  • Den Tsüri-Pass einführen für alle Menschen, die in Zürich wohnhaft sind: Er garantiert ein Mindesteinkommen von 2000 CHF und ein Recht auf Arbeit. Gleichzeitig ist es eine Verpflichtung, den eigenen ökologischen Fussabdruck auf «eine ERDE» zu reduzieren. Dazu wird gemeinsam ein Leitfaden entwickelt, um die Bewohner*innen in ein nachhaltiges Leben zu begleiten mit Wohngenossenschaften, zum Beispiel nach dem Model von Neustart Schweiz.
  • Einen analogen Tsüri-Pass entwickeln für Firmen und KMU’s, der sich auch an der Konzernverantwortungsinitiative orientiert und ein global nachhaltiges Wirtschaften der Akteure in Zürich einleitet.
  • Zürich wird autofrei bis 2030. Parallel würde ich ein neues intelligentes System für Warentransporte innerhalb der Stadt transdisziplinär entwickeln lassen. 40% der Strassen werden zu Grünflächen umgewandelt für Naherholung und für lokale Lebensmittelproduktion. Gleichzeitig würde das Fahrradnetz massiv ausgeweitet werden.

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