Hochverdiener: «Luxus ist für mich, Tomaten aus meinem Garten pflücken zu können»
7832 Franken Brutto betrug der mittlere Lohn in der Stadt Zürich im Jahr 2018; viele verdienen mehr oder auch weniger als das. Wie lebt es sich in der teuersten Stadt der Welt als Niedrig-, Mittel- und Hochverdiener*in? Wir haben nachgefragt. Teil 3: Christian Häberli.
Er habe nie angestrebt, viel Geld zu verdienen, sagt Christian Häberli. Fast 30 lang arbeitete der studierte Meteorologe bei MeteoSchweiz, pendelte zwischen Zürich und Wien, wo er lange in der Klimaforschung tätig war. Heute betreut Häberli als Consultant Firmen und öffentliche Verwaltungen, die ihre Daten zielgerichtet nutzen wollen – und verdient damit um die 11’000 Franken pro Monat. Für ihn sei es mehr als nur ein Brotjob: «Mein Beruf ist in erster Linie eine persönliche Herausforderung», so Häberli. «Ein grosses Privileg», denn der 60-Jährige ist sich durchaus bewusst, dass es nicht alle so gut haben wie er: «Durch meinen Wohlstand ist es mir möglich, sozial nachhaltige Produkte zu konsumieren. Produkte, die entsprechend teurer sind.» Einkäufe im Aldi, Lidl und Co. seien für ihn ein No-Go.
Der Klimawandel stellt uns vor viel grössere Probleme als die Pandemie. Das muss uns endlich bewusst werden.
Christian Häberli
Geld sei indes ein schräges Konzept, sagt er, eines, das sehr viele Ungleichheiten entstehen lasse – etwas extrem Unphysikalisches. «In der Atmosphäre hat es immer gleich viel Luft: Energie kann nicht einfach so entstehen, sondern stets umgewandelt. Bei Geld ist das anders; dieses kann einfach nachgedruckt werden», erklärt Häberli. Ein Konstrukt, das dem Hochverdiener suspekt ist und mitunter ein Grund, weshalb er davon absieht, Investitionen zu tätigen. Ein anderer: «Die Mechanismen des Finanzplatz sind für mich nicht durchschaubar – und ich interessiere mich auch nicht dafür.» Das Haus in Leutschenbach im Grubenacker Quartier sei neben einige Aktien bei der Alternativen Bank sein einziger grösserer Besitz.
Ob er sich als bescheiden bezeichnen würde? «Eine schwierige Frage.» Zwar fahre er seit mehr als 25 Jahren das selbe Velo und versuche, seinen Konsum in Grenzen zu halten, aber was bedeute denn Bescheidenheit in einem System wie diesem? Eine Frage, die wohl nur philosophisch beantworten werden könne, so Häberli. Weniger philosophisch müsse die Klimafrage angegangen werden. Etwas, das dem Meteorologen grosse Sorgen bereitet: «Der Klimawandel stellt uns vor viel grössere Probleme als die Pandemie. Das muss uns endlich bewusst werden.» Und das werde alle gleichermassen betreffen; egal, ob Gering- oder Hochverdienende*r.
Tsüri.ch: Das Teuerste, das du dir bislang geleistet hast?
Christian Häberli: Hm, darüber führe ich nicht Buch. Aber beim Kauf meines Expeditions-Velos war mir der Preis unwichtig: Dass es ein Papalagi von MTB sein musste, war schon vor dem Gang in den damaligen Transa-Veloladen klar. Bei der Ausstattung hatten die Mechaniker*innen die Freiheit, die beste Ausstattung zu verwenden. Das Velo ist mittlerweile 26 Jahre alt und anderthalb Weltumfahrungen später zwar ein Oldtimer, aber noch immer mein einziger fahrbarer Untersatz.
Wie viel Geld verdienst du pro Monat? (Netto)
Um die 11’000 Franken.
Wie gibst du es aus?
Das Übliche: Nahrungsmittel und was man sonst zum Leben braucht. Und wenn nicht gerade Lockdown ist, gehe ich gern ins Kino oder an Konzerte.
Wie hoch sind deine Fixkosten?
Das kann ich nicht genau sagen
Was ist für dich Luxus?
Eine Veloreise irgendwohin und nach zwei, drei Wochen zum Beispiel neben dem weissen Turm in Saloniki einen Ouzo zu schlürfen. Oder ein Salat mit Tomaten aus dem eigenen Garten. Oder ein Garagenkonzert von und bei meinen Nachbar*innen.
Wie wohnst du und wie hoch ist dein Mietzins?
Ich lebe zusammen mit meiner Partnerin in einem kleinen Haus mit Garten im Leutschenbach. Die Wohnkosten betragen etwa 2800 Franken pro Monat.
Hast du eine dritte Säule oder Investments?
Ja, ich habe eine dritte Säule und fünf Aktien der Alternativen Bank. Für mehr sind die Finanzmarktprodukte zu suspekt.
Hättest du lieber mehr Zeit oder mehr Geld?
Da tu ich mich mit einer Antwort schwer. Die beiden sind nicht gleichwertig. Den Gegenwert eines Frankens kann ich beziffern. Doch was ist der Wert von einer Viertelstunde Mittagsschlaf? Mir persönlich ist Zeit viel wichtiger; insbesondere Zeit, die ich mir für mich oder andere Menschen nehmen kann. Oder zum Beispiel auch Zeit, die ich mir nehmen kann, diese Antworten zu überlegen.
Der Spruch jede*r ist seines eigenen Glückes Schmied*in ist eine Selbsttäuschung, mit der manche Menschen ihre Endlichkeit in der Fantasie zu kompensieren versuchen – und im dümmeren Fall ideologisch erhöhen.
Christian Häberli
Bist neidisch auf Menschen, die mehr Geld haben als du?
Nein, gar nicht. Wenn reiche Menschen damit beginnen, andere zu dominieren, dann regen mich diese in erster Linie auf.
Was sagst du zur Aussage, dass jede*r seines eigenen Glückes Schmied*in ist?
Ich finde diesen Spruch egoistisch. Wer das sagt, bringt in erster Linie zum Ausdruck, dass er sich um die Verantwortung drückt, die wir als Menschen auch füreinander haben. Es ist eine Selbsttäuschung, mit der manche Menschen ihre Endlichkeit in der Fantasie zu kompensieren versuchen – und im dümmeren Fall ideologisch erhöhen. Tatsächlich wird unser Dasein nicht nur biologisch eingeschränkt. Auch die gesellschaftlichen Verhältnisse, schränken menschliche Autonomie ein.
Magst du deinen Job?
Ja, sehr. Er schafft ganz viele Gelegenheiten, neue Menschen und ihre Fragestellungen kennenzulernen. Das mag ich sehr, und ich bin gerne unterwegs. Da kommt mir diese Tätigkeit sehr entgegen.
Machst du dir aufgrund der Corona-Krise Sorgen um deine finanzielle Zukunft?
Nein, ich mache mir viel mehr Sorgen, dass wir mit unserem verschwenderischen Verhalten unsere Lebensgrundlage zerstören.
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