Kryptowährungen und Co.: Warum uns Bargeld nicht nur in der Waschküche weiterhilft

Die Bargeld-Nutzung nimmt ab. Immer mehr unserer Transaktionen finden digital statt, seit Corona sowieso. Könnte man Bargeld dann nicht gleich ganz abschaffen? Was für Konsequenzen hätte das? Eine Annäherung von der Waschküche über den Bio-Bauern bis zur SNB und wieder zurück.

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Das wird wohl noch eine Weile so bleiben: Der Münzeinwurf der Waschmaschine. (Foto: Steffen Kolberg)

Während die Börsenwelt in Aufruhr ist, weil ein paar Kleinanleger*innen mithilfe von Online-Foren und Trading-Apps milliardenschwere Hedgefonds in Bedrängnis bringen, während eine nischige Kryptowährung mit einem Hunde-Meme als Logo seinen Wert verdoppelt und während der Bitcoin-Kurs einen historischen Höchststand erreicht, habe ich ein Problem: Ich brauche Münz. Eigentlich ist Bargeld schon fast aus meinem Alltag verschwunden, doch um den Bezahlautomaten in der Waschküche unseres Hauses zu bedienen und beim nahen Biobauern frische Milch aus dem Automaten zu zapfen, komme ich nicht drum herum. Es hilft nur der Gang zum Bankomat.

Trotzdem: Nach einem Jahr Pandemie wirft die bargeldlose Welt immer deutlicher ihre Schatten voraus. Während Einzelhandel, Gastronomie und Kulturbetriebe monatelang geschlossen werden, boomt der Online-Handel. Wer trotz Krise genug auf dem Konto hat, gibt sein Geld eben beim virtuellen Shopping aus oder investiert es via Trading-App in Aktien, ETFs oder Kryptowährungen.

Wer wenig hat, hat vielleicht trotzdem eine Trading-App geladen und hofft auf das Glück beim nächsten Investment-Hype. Wer aber fast nichts hat, auf dem Gehsteig nach Münz fragt oder in Ladeneingängen Strassenzeitungen verkauft, hat ein Problem: Weil wir dazu angehalten werden, unsere Einkäufe nur noch elektronisch zu bezahlen, tragen nur noch die Wenigsten Bargeld mit sich herum. Während unsere Kontostände mit ein paar Klicks munter wachsen und schrumpfen, bleiben unsere Portemonnaies inzwischen meist leer oder gleich ganz zuhause.

Ende 2020 verzeichneten wir über 3 Millionen Nutzer*innen. Zu Jahresbeginn lag diese Zahl noch bei 2 Millionen.

Twint-CEO Markus Kilb

Digitale Systeme ergänzen das Bargeld, ersetzen können sie es aber nicht

Andreas Jahn ist Kommunikationsbeauftragter beim Verein Surprise, der das gleichnamige Strassenmagazin in Basel, Bern und Zürich vertreibt. Er bestätigt, dass es seit Corona vermehrt Anfragen gibt, die Verkaufenden mit Cashless-Systemen auszustatten. Und er verspricht: «Wir sind dran.» Ganz so einfach sei das allerdings nicht, denn armutsbetroffene Menschen seien digital nicht immer auf der gleichen Ebene wie solche aus anderen Teilen der Gesellschaft. Surprise könne bei dem Thema aber auf Erfahrungen aus dem internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen zurückgreifen, in dem der Verein organisiert ist. Bei Strassenmagazinen in den USA und Südafrika, die schon mehrere Jahre Cashless-Systeme benutzen, läge die tatsächliche Nutzung bei 15 bis 20 Prozent. Deshalb schlussfolgert Jahn: «Das sind meistens Systeme, die komplementieren, aber das Bargeld nicht ersetzen.»

Bei Surprise wird der Lohn der Verkaufenden nicht zentral ausbezahlt, sondern besteht aus der Differenz zwischen dem Einkaufs- und dem Verkaufspreis des Magazins. Für etwaige bargeldlose Systeme stelle sich also die Frage, ob die Verkaufenden überhaupt ein Bankkonto haben, auf die das Geld transferiert werden kann und ob sie über dieses Konto tatsächlich Einkäufe des täglichen Bedarfs erledigen. Da habe man bei Surprise aber ganz gute Voraussetzungen, so Jahn.

Er schätzt, dass etwa 95 Prozent der Verkaufenden über ein Smartphone und ungefähr 90 Prozent über ein Bankkonto verfügen. Die Möglichkeit, die Einnahmen bei Surprise zentral zu verwalten und den Verkaufenden einen Lohn auszubezahlen, würde den administrativen Aufwand ihm zufolge allerdings erheblich erhöhen. «Was noch ein Problem ist, sind die Zusatzkosten, die bei Systemen wie Twint entstehen», meint er. «1,3 Prozent pro Transaktion sind erstmal nicht allzu viel, aber wenn man das hochrechnet, müsste man schauen, dass das nicht zulasten der Verkaufenden geht.»

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Andreas Jahn ist Kommunikationsbeauftragter beim Strassenmagazin Surprise. (Foto: Ruben Hollinger)

Mit Twint durch den Alltag

Twint ist ein Mobile-Payment-Gemeinschaftsprojekt der Schweizer Banken und konkurriert in dieser Funktion mit anderen digitalen Bezahldiensten wie Apple Pay oder Samsung Pay. Die App wurde 2017 eingeführt und erfreut sich seitdem so starker Beliebtheit, dass «twinten» als Bezeichnung für eine Überweisung von Smartphone zu Smartphone inzwischen in die Alltagssprache der Deutschschweiz eingegangen ist. «Die Zahlen der Nutzer*innen steigen seit mehreren Jahren sehr schnell an», bestätigt Twint-CEO Markus Kilb per E-Mail. Während der Pandemie hätten sie sich noch einmal drastisch erhöht: «Ende 2020 verzeichneten wir über 3 Millionen Nutzer*innen. Zu Jahresbeginn lag diese Zahl noch bei 2 Millionen.»

Beliebt ist der Dienst vor allem deshalb, weil sich damit bequem mit dem Smartphone Geld hin- und herschicken lässt. Darüber hinaus können Händler*innen mit einem QR-Sticker recht unkompliziert am Twint-System teilnehmen. Kilb schreibt, man habe den Anspruch, die Menschen in der Schweiz durch den Alltag zu begleiten: «Dazu gehört aus unserer Sicht nicht nur der grosse Onlineshop oder Supermarkt, sondern ebenso die Parkuhr oder der Hofladen.» An den Automaten und Kühlschränken der Höfe könne man mit Twint problemlos immer passend zahlen: «Die Anzahl der Hofläden, die Twint verwenden, ist im letzten Jahr um mehrere Tausend Höfe gestiegen.»

Inzwischen ist es schwierig, eine Bank zu finden, in der ich die Münzen überhaupt noch ohne Gebühren einzahlen kann.

Biobauer Markus Willi-Bosshard

Weniger Bargeld heisst mehr Gebühren

Der Hof von Biobauer Markus Willi-Bosshard gehört da noch nicht dazu. Er befindet sich neben dem ETH-Campus Hönggerberg hoch über der Stadt und hat einen Milchautomaten, der bei den Anwohner*innen der angrenzenden Kreise 10 und 11 sehr beliebt ist. Am Wochenende bilden sich oft Schlangen davor. Manchmal komme es vor, dass an einem Samstagabend um 22.30 Uhr noch Leute klingelten und nach Wechselgeld fragten, erzählt Willi-Bosshard. Denn der Automat nimmt nur passendes Münzgeld. Und er selbst müsse die ganzen Münzen dann wieder loswerden, berichtet er: «Inzwischen ist es schwierig, eine Bank zu finden, in der ich die überhaupt noch ohne Gebühren einzahlen kann.»

Seit Corona fragten immer mehr Leute nach einer Option, die frische Milch bargeldlos zu bezahlen, so der Bauer. Der Hersteller habe versprochen, die Maschinen so umzurüsten, dass sie auch mit Twint funktionieren. Aber Willi-Bosshard sieht das nicht nur positiv: «Es ist natürlich nicht so toll, dass ich dann einen Teil meiner Einnahmen für Gebühren ausgeben muss.»

Er hat schon andere Zahlungsmethoden kommen und gehen sehen: «Als mein Schwiegervater den Betrieb hatte, gab es das Cash-System. Da konnte man mit dem Chip auf der Bankkarte zahlen. Das funktionierte über eine Telefonleitung, an die der Automat angeschlossen war. Und dann kam das Geld direkt auf das Konto.»

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Immer mehr Bäuer*innen verkaufen ihre Hofprodukte bargeldlos. Biobauer Markus Willi-Bosshard sieht dem nicht nur positiv entgegen. (Foto: Steffen Kolberg)

«Elektronische Geldbörsen»

Das Cash-System war die Schweizer Variante der in den 90er-Jahren aufkommenden sogenannten «elektronischen Geldbörsen». Sie funktionierten als Prepaid-System: Man konnte bis zu 300 Franken auf die Karte laden und damit bargeldlos bezahlen. Doch der Chip konkurrierte eher mit dem Magnetstreifen der Karte als mit realen Portemonnaies, denn gegenüber der normalen Bankkartenfunktion sparte man sich die PIN-Eingabe und damit in erster Linie Zeit.

In Kundenkarten von Anbietern wie Spotify, Apple oder Zalando hat sich das Prepaid-Prinzip bis heute erhalten. In Sachen Schnelligkeit hat das Smartphone aber das Cash-System längst überholt: Mit NFC-Technologie und QR-Codes lassen sich Zahlungen mit einem Fingerdruck erledigen, während das Smartphone meist schon in der Hand bereit liegt.

Bargeld sei in der Schweiz aber auch weiterhin stark verbreitet und populär, erklärt ein Mediensprecher der Schweizerischen Nationalbank (SNB): «Dies zeigt sich auch am kontinuierlichen Anstieg des Notenumlaufs in den letzten Jahren.» Auch bei der Zürcher Kantonalbank geht man davon aus, dass Bargeld als Zahlungsmittel die nächsten Jahre noch Bestand haben werde, erklärt Roger Zuberbühler, der dort Bereichsleiter für Produktmanagement, Passivgeschäft und Bargeld ist.

Persönlich glaube er, dass es damit sogar noch lange nicht vorbei sei: «Die skandinavischen Länder, insbesondere Schweden, sind Vorreiter beim bargeldlosen Bezahlen. Und dort sieht man gerade, dass die Diskussion wieder in Richtung Erhaltung des Bargeldes geht. Denn ein Teil der Bevölkerung, insbesondere unter den Senior*innen, kann mit elektronischen Zahlungsmitteln nicht umgehen. Und die kann man ja nicht einfach aus dem Barzahlungsverkehr ausschliessen.»

Ein breiter Zugang zu digitalem Zentralbankgeld würde das heutige zweistufige Bankensystem in Frage stellen. Statt wie heute als Bank der Banken zu operieren, träte die SNB als eigentliche Geschäftsbank auf und übernähme eine Rolle, die heute dem Privatsektor zukommt.

Mediensprecher SNB

Was wäre aber nun, wenn man Bargeld tatsächlich komplett abschaffen würde? Nun, dann steigt man erstmal tief in makroökonomische Fragestellungen ein. Helfen kann da Florian Böser. Er forscht am Department of Management, Technology and Economics D-MTEC der ETH Zürich. «Das gesetzliche Zahlungsmittel, das für einzelne Bürger*innen heute zugänglich ist, ist ausschliesslich Bargeld», erklärt er: «In unser Wirtschaftssystem kommt es durch Abhebungen von Einlagen bei Geschäftsbanken. So ist es institutionell und gesetzgeberisch geregelt: Die Einlagen, die Bürger*innen bei Banken haben, sind eine Forderung auf das gesetzliche Zahlungsmittel.

Die Geschäftsbanken wiederum leihen sich das Bargeld von der Zentralbank, um es den Kund*innen bei deren Abhebung der Einlagen auszuzahlen.» Gäbe es nun kein Bargeld mehr, müsste statt der Abhebung eine Art von Transfer zu irgendeinem anderen Account stattfinden. Es braucht also wieder eine «digitale Geldbörse».

Die Frage ist allerdings, wer die Funktionen dieser digitalen Geldbörse managt, also die technische Plattform dafür stellt. Anbieten würde sich hier die Zentralbank: Sie hat den gesetzlichen Auftrag, die Bevölkerung mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel zu versorgen und wäre in dieser Funktion deshalb auch Herausgeberin einer digitalen Währung. Doch hierbei ergeben sich laut Böser mindestens zwei grundlegende Risiken: «Das eine ist, dass die Zentralbank, und damit letztlich der Staat, theoretisch viele Informationen über die Transaktionen seiner Bürger*innen gewinnen kann.»

Das andere Risiko erscheine zumindest in der ökonomischen Welt viel bedrohlicher: «Wenn wir faktisch alle Konten bei der Zentralbank haben, hat diese eine ungewollt grosse Macht. Sie könnte rein theoretisch zum Beispiel Zinsen einführen. Das hört sich gut an, solange die Zinsen positiv sind. Doch so wie Zentralbanken heute schon Negativzinsen auf Sichtguthaben der Banken einführen, um deren Kreditvergabe anzukurbeln, könnten sie dann theoretisch auch zu negativen Zinsen für die Zentralbankkonten der Bürger*innen greifen, um die Ökonomie zu stimulieren.

Wenn es dann kein Bargeld mehr gibt, ist die Flucht in ein anderes gesetzliches Zahlungsmittel unmöglich. Wer keine Einlagen bei Banken halten möchte, könnte dann sein Geld in Anleihen oder sogar Aktien anlegen, aber das ist mit Risiken verbunden. Ausserdem sind diese Vermögenswerte nicht für Transaktionen im Alltag geeignet. Zwei zentrale Funktionen des Geldes, die der Werterhaltung und die des Tauschmittels, stünden also nicht mehr gleichzeitig zur Verfügung.

Digitales Geld hat auch seine positiven Aspekte

Auch bei der SNB selbst ist man von diesen Aussichten nicht begeistert. Sie hat erst vor kurzem die Machbarkeit eines digitalen Zentralbankgelds untersucht, konzentrierte sich dabei allerdings auf Transaktionen zwischen Banken. Man sehe keine Vorteile bezüglich eines digitalen Zentralbankgelds für die breite Bevölkerung, so ihr Mediensprecher: «Ein breiter Zugang zu digitalem Zentralbankgeld würde das heutige zweistufige Bankensystem in Frage stellen.

Statt wie heute als Bank der Banken zu operieren, träte die SNB als eigentliche Geschäftsbank auf und übernähme eine Rolle, die heute dem Privatsektor zukommt.» Da es auf digitalem Wege einfacher sei, seine Bankeinlagen abzuheben, könne sich im Krisenfall das Risiko eines Bankensturms erhöhen: «Insgesamt hätte die Umsetzung dieses Vorschlags somit weitreichende Folgen nicht nur für die Banken, sondern für das gesamte Finanzsystem.»

Und auch wenn der Bitcoin zunehmend als Zahlungsmittel Akzeptanz findet: Keine bisherige Kryptowährung kommt an die klassischen Geld-Funktionen heran.

Florian Böser, forscht am Department of Management, Technology and Economics D-MTEC der ETH Zürich

Doch es gebe auch positive Aspekte von digitalem Geld, erklärt Florian Böser: «Vor allem kann man Kosten reduzieren: Für die Bürger*innen, die kein Bargeld mehr mit sich herumtragen müssen und für die Banken, die heute in die entlegensten Ecken eines Landes Bargeld schaffen müssen.» Manche würden auch mit einer grossen Innovationskraft argumentieren: Durch eine komplett neue Infrastruktur, die im Zuge der Einführung eines digitalen Zentralbankgelds für jeden geschaffen wird, könnten neue FinTech-Unternehmen entstehen und neue Arten der Zahlungsabwicklung erfunden werden. Das könnte letztlich der Effizienz dienen.

Diesen Aspekt sieht auch Chris Renfer. Er ist Leiter im Bereich Trend- und Innovationsmanagement bei der Zürcher Kantonalbank und meint: «Insbesondere im globalen Kontext sind Transaktionen, die auf Distributed Ledger Technologie basieren, effizient und transparent und könnten beispielsweise im Zusammenhang mit Handelsfinanzierungen zu einer besseren internationalen Angliederung an Zahlungssysteme führen.» Distributed Ledger Technologie ist die Technik der dezentralen Transaktions-Dokumentation, auf der die Blockchain-Architekturen und somit auch die meisten Cryptocurrencies aufbauen.

Kryptowährungen – vor allem bei illegalen Geschäften beliebt

Wieso aber eine «nationale» digitale Währung schaffen, wenn es da draussen schon tausende verhältnismässig sichere und vor staatlichem Einfluss geschützte Cryptocurrencies gibt? «Weil sie allenfalls sehr begrenzt die Funktionen von Geld erfüllen», erklärt Böser: «Geld erfüllt in der Regel drei Funktionen. Zunächst hat es als Recheneinheit die Funktion des Messens und Vergleichens von Gütern.» Dazu kommen noch die bereits erwähnten Funktionen von Werterhaltung und Tauschmittel: «Als Tauschmittel lassen sich mit Geld Transaktionen abwickeln. Und dann soll es auch als Wertaufbewahrungsmittel dienen. Und mit Wertaufbewahrung ist nicht ein maximaler Return gemeint, wie man ihn gerade bei den Höhenflügen diverser Cryptocurrencies sieht, sondern eine stabile Werterhaltung. Und auch wenn der Bitcoin zunehmend als Zahlungsmittel Akzeptanz findet: Keine bisherige Kryptowährung kommt an diese klassischen Geld-Funktionen heran.»

Der Mediensprecher der SNB hält zum Thema Bitcoin fest, den Menschen sei es in privaten Geschäften freigestellt, wie sie bezahlen wollen. Der Schweizer Franken habe sich in den vergangenen rund zwanzig Jahren im Nebeneinander mit dem Euro sehr gut behaupten können: «Ähnlich dürfte es gegenüber einer digitalen privaten Konkurrenz sein.» Chris Renfer von der Zürcher Kantonalbank erklärt, warum es bei seiner Bank aktuell keine Möglichkeit gibt, Kryptowährungen zu halten oder zu handeln: «Gründe dafür sind insbesondere ihr hochspekulativer Charakter sowie die damit verbundenen Risiken.»

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Florian Böser, Forscher am Department of Management, Technology and Economics D-MTEC der ETH Zürich. (Foto: Steffen Kolberg)

Trotzdem ist der Bitcoin als Zahlungsmittel gefragt. Der Schutz vor dem Zugriff Dritter, den die Blockchain-Technologie bietet, macht Kryptowährungen vor allem bei illegalen Geschäften beliebt. So hat der Bitcoin weithin den Ruf als Online-Drogengeld, mit dem auf Handelsplattformen im Darknet oder über verschachtelte Messengernetzwerke illegale Substanzen erworben werden können.

Kryptowährungen kommen je nach ihrer technischen Ausgestaltung ziemlich nah an die Anonymität von Bargeldtransaktionen heran, wobei die klassischen Schwachpunkte digitaler Kommunikation – Internetverbindungsdaten, Browserverläufe oder Kontaktdaten – trotzdem Anhaltspunkte für die Nachvollziehbarkeit von Transaktionen liefern können. Eine vollumfängliche Lösung, wie Geld unabhängig von solchen Schwachstellen von einer elektronischen Geldbörse in die nächste gelangen könnte, gibt es noch nicht.

Wie die Privatsphäre erhalten?

Das Open-Source-Projekt Taler versucht, den Schutz der Anonymität zumindest auf Käufer*innenseite zu gewährleisten. Leon Schumacher ist Vorstandsvorsitzender von Taler Systems, das den Taler zusammen mit Studierenden der Fachhochschule Bern entwickelt hat. «Wir haben Taler so gebaut, dass man die Privatsphäre von Bargeld für die ausgebende Person behalten kann», erläutert er: «Aber die Person, die das Geld bekommt, ist transparent. Eine anonyme Entgegennahme von Geld ist also nicht möglich.»

Das System funktioniere ein bisschen wie ein Geldautomat: «Sie überweisen Geld auf das Konto, das am Geldautomaten hängt, dann ziehen Sie das Geld aus dem Automaten heraus und stecken es in Ihr Portemonnaie, was zum Beispiel ein digitales Wallet sein kann. Dieses Geld können Sie nun ausgeben wie Sie wollen, es kann nachher nicht mehr Ihrem Konto zugeordnet werden.» Während der Taler auf Käufer*innenseite Anonymität sicherstellen soll, garantiert er auf der Verkäufer*innenseite die technische Nachvollziehbarkeit der Transaktionen: Bei jedem Kauf generiere das System einen Vertrag, so Schumacher. Dieser enthalte einen Unique Fingerprint, der die Transaktion klar der Person zuordnet, die die Taler erhält. So seien Einkünfte für Finanzbehörden überprüfbar und Geldwäsche-Aktivitäten praktisch unmöglich.

Der Taler ist nicht als Währung gedacht. Er soll ein digitales Äquivalent zur jeweiligen Landeswährung sein, also zum Franken in der Schweiz und zum Euro im Euro-Raum. Für diesen habe man sogar schon eine Partnerbank in Deutschland gefunden, mit der man das Konzept umsetzen wolle, erzählt Schumacher. Und auch manche Zentralbanken würden den Taler als gute Möglichkeit für die Einführung digitalen Zentralbankgelds sehen. Bis jetzt wird das Modell noch im kleinen Massstab getestet: In der Mensa der Berner Fachhochschule kann das Mittagessen bereits mit Taler bezahlt werden, die Kaffeeautomaten sind mit entsprechenden QR-Codes ausgestattet.

Während bei Kreditkarten oder Systemen wie Twint immer Dritte, wie Banken oder Verkäufer, Informationen über die Käufer*innen einsehen könnten, habe man beim Taler die volle Kontrolle darüber, welche persönlichen Informationen man preisgibt, so Schumacher. Und während Banken und Zahlungsdienstleister theoretisch den Zugang zu Bankkonten und Kreditkarten sperren könnten, sei diese Kontrolle beim Taler nicht möglich, denn: «Ich habe das Geld ja bei mir, genauso wie beim Bargeld.»

Das System unterstütze ausserdem Mikrotransaktionen, was völlig neue Businessmodelle ermögliche: «Nehmen Sie zum Beispiel Zeitungsartikel. Einzelne Artikel zu lesen, ist im Internet heute schwierig: Oft muss man dafür ein Abo der ganzen Zeitung über ein Jahr, einen Monat oder wenigstens einen Tag abschliessen.

Mit so etwas wie Taler könnten Publisher*innen Preise von ein paar Rappen pro Artikel festlegen, die man dann mit einem Klick bezahlt.» Mit verschlüsselten E-Mails und Messenger-Diensten liesse sich das elektronische Geld sogar als Anhang versenden, was wiederum zur Bekämpfung von Spam genutzt werden könnte: «Wenn ich zum Beispiel festlegen würde, dass jeder, der nicht in meinem Adressbuch steht, nur in meine Inbox kommt, indem er zehn Rappen an die E-Mail anhängt, dann wäre das Spam-Business vorbei. Dann würden sich die Leute plötzlich um Spam-Mails reissen», lacht er.

Doch bis es soweit ist, schluckt der Bezahlautomat in der Waschküche weiterhin nur Münz. Wann dieses System durch ein Neues ersetzt wird und welches das sein könnte, kann der Zuständige von der Hausverwaltung auf Anfrage nicht sagen. Eine Erneuerung des Bezahlsystems werde in der Regel im Rahmen einer Generalsanierung durchgeführt. Wenn es dann soweit sei, werde geschaut welche Systeme es am Markt gibt. Zudem würden in der Liegenschaft ja auch viele ältere Mieter*innen wohnen: «Die freuen sich vielleicht auch noch, dass sie die Geräte einfach mit Bargeld bedienen können.»

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