Graffitibeauftragte der Stadt Zürich im Interview: «Ein Graffiti ist schön, wenn es legal ist»

Sie muss ihr eigenes Ebenbild von den Wänden entfernen lassen und ein Graffiti ist «schön, wenn es legal ist»: Priska Rast ist Graffitibeauftragte der Stadt Zürich. Sie ist europaweit die Einzige mit dieser Berufsbezeichnung. Auch ein Zeichen dafür, dass wir es hier mit einem First-World-Problem zu tun haben?

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Kannst du sprayen? Priska Rast: Nein, ich habe es zwar versucht – legal natürlich –, aber ich habe kein Talent. Also kein Kriterium, um Graffitibeauftragte zu werden... Es war ein Zufall. 2004 begann ich bei den Immobilien der Stadt Zürich zu arbeiten. Kurz darauf ging der damalige Graffitibeauftragte in Pension und ich konnte seine Stelle übernehmen. Er hatte damals nur Beratungen gemacht und bei verletzenden Schmierereien, wie beispielsweise einem Hakenkreuz, eingegriffen. Der Auftrag wurde dann erweitert. Was machst du den ganzen Tag – Graffiti entfernen und illegale Sprayer entlarven? Ich bin nur zu 50 Prozent als Graffitibeauftragte angestellt: Ich berate Anwohnende zur Graffitientfernung, koordiniere die Reinigung innerhalb der Stadt, tausche mich mit der Stadtpolizei aus und baue Wissen rund ums Thema Graffiti auf. Auch der Kontakt mit Sprayern, die legal sprayen wollen, und auf der Suche nach einer freien Fläche sind, gehört zu meinem Job. Kanntest du dich vor deinem Stellenantritt besonders gut mit Graffiti aus? Nein, ich hatte überhaupt keine Ahnung von Graffiti. Weil ich Facility Management studiert hatte, war Reinigung aber kein Fremdwort für mich. Lässt du alle illegalen Graffiti entfernen? Für die Graffiti-Entfernung an Gebäuden, die der Stadt gehören, bin ich verantwortlich. Wenn eine Privatperson eine versprayte Garagentür hat, muss sie diese selbst reinigen. Ausser es sind Schmierereien, die Personen- oder Personengruppen verletzen, die entfernt die Stadt auf ihre Kosten. Aber diese werden zum Glück immer weniger. Warum gehen sie zurück? Solche Äusserungen werden von der Allgemeinheit nicht geduldet. Phasenweise treten sie aber vermehrt wieder auf. Zum Beispiel vor ca. drei Jahren, als die Israeli und Palästinenser sich intensiver bekämpften, tauchten hier in der Stadt vermehrt Hakenkreuze auf.

Letzthin sah ich das Graffiti «Blocher isst heimlich Döner». Solche Graffiti kommen immer sehr zielgerichtet vor. Wenn Christoph Blocher z.B. an die Uni geht, um zu referieren, kann ich fast davon ausgehen, dass sie während der Nacht davor besprayt wird.

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Illegales Strichmännchen an 1 Wand.

Für viele Graffitikünstler bist du eine Spielverderberin. Bekommst du das zu spüren? Ich mache nicht viele schlechte Erfahrungen, jene, die mich blöd finden, die sprechen einfach nicht mit mir. Diejenigen, die etwas gestalten wollen, suchen den Kontakt bewusst: «Kannst du mir eine Wand organisieren, Priska?» Als ob das so einfach wäre, es gibt viel mehr Sprayer als freie Wände. Bekommst du nie hässige Mails von Sprayern, die dir vorwerfen: «Warum zum Teufel hast du mein schönes Graffiti beseitigt»? Die Aussage, die Stadt sei stier und entferne schöne Graffiti, höre ich nie direkt, lese es aber ab und zu in der Presse. Für uns ist die Sachlage klar: Ist das Graffiti illegal entstanden, muss es weg, ist es legal, darf es bleiben. Ein Sprayer weiss das und rechnet damit. Sprayen ist nun mal eine temporäre «Kunst». Im Sommer 2014 haben Sprayer über Nacht deinen Namen plus den Schriftzug «Rastlose Liebe» auf einen SBB-Wagen gesprayt. Was ging dir da durch den Kopf? Es ist das alte Spiel von Jägern und Gejagten. Das findet immer wieder statt. Es gab auch schon Schablonen-Graffiti mit meinem Gesicht darauf. Meinen Namen muss ich immer wieder lesen und der Graffiti-Reiniger der ERZ durfte auch schon seinen eigenen Namen entfernen. Das finden die Sprayer amüsant. Was war der Hintergrund bei der Zugaktion? Hast du gerade ein grösseres Graffiti entfernen lassen? Ich habe keine Ahnung, wer das sein könnte. Alle Jahre wieder kommt so etwas vor. Es war auch ganz klar eine Marketing-Aktion. Sie stiegen in der Nacht in einen SBB-Werkhof ein, filmten sich dabei und schickten die Aufnahmen der Rundschau. Eine Variante, um wieder mal im TV zu kommen. Das ist auch die Schwierigkeit, wenn ich ein Interview gebe: Ich lasse mich bewusst nie vor illegalen Sprayereien fotografieren... Es wäre Königsklasse wenn ich mit einem illegalen Graffiti in der Zeitung erschiene. Kannst du überhaupt noch entspannt durch die Stadt spazieren oder musst du ständig illegale Graffiti fotografieren? Es passiert mir häufig, dass ich unterwegs ein Foto schiesse und es dann im Büro an den zuständigen Kollegen, der es entfernen muss, weiterleite. Wer steckt hinter dem Rüebli? Wer sprayt True Love? Ich weiss es nicht und setze mich mit diesen Fragen auch nicht auseinander. Das ist Polizeiarbeit. Das Spezielle beim Rüebli und bei True Love ist, dass es nie eine Signatur dazu hat. Es steht für sich. Der klassische Sprayer gestaltet etwas und «unterschreibt» es dann mit einem Tag.

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Das Rüebli: nicht legal.

Dann sind es vielleicht mehrere Sprayer? Innerhalb der Sprayerszene geht es ums Ego. Es bringt nichts für deinen Fame, wenn du jemand anderen kopierst. Es ist ein Postulieren, ein Markieren «Ich bin der Boss hier». In aller Regel sind es Einzeltäter. Es sind zwar schon Crews unterwegs, die zusammen arbeiten, aber nicht kopieren.

Was ist für dich ein schönes Graffiti? Ein legales! Sind illegale in deinen Augen immer hässlich? Es kann mir auch etwas gefallen, das illegal entstanden ist. Es ändert einfach nichts daran, dass ich es entfernen lasse. Ein schönes Graffiti ist für mich eines, dem man ansieht, dass jemand ein paar Stunden daran gearbeitet hat. Innerhalb von zwei Minuten macht niemand ein schönes Graffiti. Ist Graffiti für dich Kunst? Eher Kultur. Es ist definitiv eine Jugendkultur, eine Ausdrucksform und eine Zeitströmung. Wer definiert, was Kunst ist und was nicht? Ich staune manchmal schon, was man mit einer Spraydose überhaupt hinbringt. Aber es steht für mich nicht im Vordergrund. In vielen Städten gehören Graffiti zum Stadtbild. In Zürich hat es fast keine. Warum ist Zürich in dieser Hinsicht so grau und bieder? Ein Grund ist der gute Zustand der Gebäude: In Berlin triffst du ständig ein verlassenes Haus an, in das keiner mehr Geld hineinsteckt. Die Häuser hier sind belebt, es gibt viele Läden und Büros. Da macht es sich nicht gut, wenn dein Eingang versprayt ist. Auch die Sozialkontrolle ist hoch, viele rufen an, wenn sie ein illegales Graffiti entdecken.

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Das ist ein legales Grafitti.

Es gibt immerhin ein paar, dort wo der Zug vom Flughafen her in den Hauptbahnhof einfährt... Diese Graffiti werden nicht weggeputzt, denn für die Reinigung mit Wasserdruck müssten wird die Stromleitungen abstellen. Das ist so aufwändig, da müsstest du ein ganzes Sicherheitsequipment mitnehmen. Für die Sprayer ist das gefährlich, doch zum Glück gab es schon länger keine Toten mehr. Andere Städte haben mit anderen Problemen zu kämpfen. Ist deine Stelle Zeichen eines First-World-Problems? Immer wenn der Gemeinderat übers Sparen diskutiert, ist mein Dasein Thema. Aber sie stellen fest, dass wenn meine Präventionsarbeit wegfällt, wieder viel mehr Geld für die Reinigung verwendet werden muss. Meine Stelle rentiert sich.

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