Nach Verkauf von 11-Millionen-Haus: Zurück bleibt die Angst - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Isabel Brun

Redaktorin

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20. November 2023 um 05:00

11-Millionen-Haus am Idaplatz: Kein Happy-End für alle

Am Idaplatz stand ein Wohnhaus für über 11 Millionen zum Verkauf. Nun hat das Grundstück eine neue Eigentümerin gefunden. Während das Gewerbe im Innenhof ausziehen muss, dürfen die Mietenden im Haus bleiben.

Tschüss Gewerbe, hallo Wohnraum: Die neue Eigentümerin will keine Autogarage mehr im Innenhof. (Foto: Isabel Brun)

Es ist Herbst geworden an der Zurlindenstrasse: Goldgelbe Blätter kleben am nassen Boden, Regenwasser rinnt vom Dach. Die Kirschblüten, die das Quartier im Kreis 3 prägen, sind längst vergessen. Doch für die Mieter:innen des Wohnhauses mit der Nummer 218 ist der Frühling noch immer präsent – und mit ihm die Angst, durch den Verkauf ihres Zuhauses eine neue Bleibe finden zu müssen.

11,1 Millionen Franken wollten die ehemaligen Eigentümer, drei Brüder aus Winterthur, für das Grundstück. Nun ist es verkauft: An eine Privatperson aus Zürich. Diese lässt die Bewohnenden zu den gleichen Bedingungen dort wohnen. Ende gut, alles gut? Nicht ganz: Denn während die Mieterschaft bleiben darf, trifft den Betreiber der Autogarage im Innenhof ein härteres Schicksal. 

Ein Mantel des Schweigens

Aussagen zufolge hat sich die neue Hauseigentümerin mit einem Brief an die Mieterschaft gewandt und gemeint, dass die Bedingungen die gleichen bleiben würden. Den Bewohnenden wird nicht gekündigt und auch die Mieten steigen nicht.

Mit den Betroffenen in Kontakt zu treten, gestaltete sich aber trotzdem schwieriger als angenommen. «Wir wollen keine Öffentlichkeit», sagt eine Mieterin, die anonym bleiben will, am Telefon. Andere, die noch vor einem halben Jahr offen über ihre Angst vor einem Rauswurf gesprochen haben, lassen Anfragen gänzlich unbeantwortet. Man will sich nicht die Finger verbrennen. Jetzt, wo man bleiben darf.

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Und auch die Eigentümerin hüllt sich in Schweigen. Sie will nicht im Rampenlicht stehen, keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das gibt sie deutlich zu verstehen. Angesichts des hohen Verkaufspreises nicht ganz unverständlich, zumal hinter ihrem Namen kein Unternehmen steht und sie selbst in dieser Stadt wohnt.

Käuferin zahlt drauf

Und so bleibt auch unklar, welche Zukunftspläne die neue Eigentümerin für das Wohnhaus unweit des Idaplatzes hegt. Aktuell liegen die Nettomieten für die acht 3-Zimmerwohnungen zwischen 1200 und 1800 Franken und jene für die zwei 2,5-Zimmerwohnungen bei 1700 respektive 1160 Franken. 221’000 Franken kommen so jährlich zusammen.

Bei einem Kaufpreis von über 11 Millionen Franken ein Minusgeschäft, gab Karin Weissenberger vom Verband Casafair Schweiz bereits vergangenen April zu bedenken. «Ich kenne die Bausubstanz nicht, aber dieser Preis liegt vermutlich hart an der Grenze zum Missbräuchlichen», sagte die Immobilienexpertin. Sie ging damals davon aus, dass das Wohnhaus nach der Veräusserung saniert und die Mietzinse entsprechend angehoben werden. Zu welchem Preis die Liegenschaft nun verkauft wurde, ist unklar. Weder die neue Eigentümerin noch die ehemaligen wollen sich dazu äussern. 

Noch stapeln sich Reifen an der Zurlindenstrasse 218a. (Foto: Isabel Brun)

Während die Mieter:innen des Wohnhauses aufatmen können, bringt sich der Gewerbetreiber des Gebäudes im Innenhof, das ebenfalls zum Grundstück gehört, in Kampfstellung. Denn geht es nach der neuen Eigentümerin, muss er seine Tätigkeiten bald an einem anderen Ort weiterführen.

Garagen-Betreiber will rechtlich vorgehen

Die Kündigung glich für Moischi Neufeld einer Katastrophe. Seit über 20 Jahren führt er an der Zurlindenstrasse 218a eine Autogarage. Eine Alternative in der Stadt zu finden, sei praktisch unmöglich, so Neufeld. Statt Autos repariert, soll im Innenhof künftig gewohnt werden. Die neue Eigentümerin hat ein Baugesuch eingereicht, um das Gelände von Gewerbe in Wohnen umzonen zu lassen. Dem städtischen Amtsblatt ist zu entnehmen, dass auf dem Flachdach des Garagengebäudes eine Pergola entstehen soll. Die Frage danach, was auf dem Grundstück genau entstehen soll, lässt sie wie alle anderen unbeantwortet. 

Mit Neufeld sei es zum Austausch gekommen, doch die persönlichen Gespräche hätten zu nichts geführt. Deshalb komme nur noch der Rechtsweg infrage. «Ich werde kämpfen. Schliesslich geht es um meine Existenz», so der Garagist. 

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