Zürcher:innen wollen weltoffen sein – Expats erleben das anders

Zürcher:innen sehen ihre Stadt als international, Expats aber fällt es schwer, hier Anschluss zu finden. Umfragen von Tsüri.ch zeigen: Schweizerdeutsch ist das Problem.

See Zürich Altstadt
Die meisten Expats fühlen sich hier sehr wohl – trotz den distanzierten Einheimischen. (Bild: Unsplash/Aho)

«Mit den Locals in Kontakt zu kommen, ist sehr schwierig.» Das sagen viele Expats, die an der Tsüri-Umfrage teilgenommen haben. Und: Echte Freundschaften zu knüpfen, sei kaum möglich. Zwar fühlen sich die meisten grundsätzlich sehr wohl in Zürich, doch soziale Nähe zur einheimischen Bevölkerung bleibt für viele eine Herausforderung.

Sie arbeiten hier, sie leben hier – wie geht es den Expats in Zürich? Und wie beschreiben die Zürcher:innen ihr Zusammenleben mit den Expats? Tsüri.ch hat zwei Umfragen durchgeführt, je rund 200 Expats und Zürcher:innen haben daran teilgenommen. Die Resultate zeigen: Die Einschätzungen der Expats und der Zürcher:innen gehen teils weit auseinander.

Als grösste Stadt der Schweiz, mit diversen Hochschulen, dem Bankenplatz und mehreren weltweit tätigen Grossunternehmen schätzt eine überwältigende Mehrheit der an der Umfrage teilnehmenden Locals ihre Stadt als «weltoffen» und «international» ein. Man ist gesellschaftlich progressiv, offen für neue Entwicklungen und Kulturen – und gefällt sich auch in dieser Rolle. 

Aber sobald im Café auf Englisch bestellt wird, kippt die Stimmung: Rund die Hälfte hat keine Lust, ihren Kaffee auf Englisch bestellen zu müssen.

Dazu passt, was die Expats in der Umfrage berichten. Es gäbe eine grosse Distanz zu den Einheimischen: sprachlich, kulturell, gesellschaftlich. Diese Distanz bleibt nicht folgenlos. Mehr als die Hälfte der Expats gibt an, in Zürich bereits aufgrund ihrer Sprache, Herkunft oder Hautfarbe diskriminiert worden zu sein.

Man will offen sein, fremdelt aber mit Menschen, die eine andere Sprache sprechen? International ja, aber bitte auf Schweizerdeutsch? 

Die Forderung der Zürcher:innen ist denn auch deutlich: Expats, lernt Deutsch! Nur neun Prozent geben an, Deutsch zu sprechen, sei nicht so wichtig. 

Die Expats nehmen diese Erwartung durchaus wahr. Viele sprechen nach eigenen Angaben zwar Deutsch oder Schweizerdeutsch, meist aber nur auf einfachem Niveau. Das reicht für den Alltag, nicht aber für tiefere Gespräche. 

Die Folge: Viele bleiben in der eigenen Community. Und wünschen sich mehr Unterstützung, zum Beispiel durch zusätzliche Deutschkurse. Einer der Befragten sieht es anders: «Cancel Swiss German.» Englisch solle stattdessen offizielle Sprache werden.

Das Bild, das viele Zürcher:innen von Expats haben, ist gemischt: gut gebildet, gut verdienend, nur kurzzeitig hier und darum nicht sonderlich an lokalen Strukturen interessiert. Manche empfinden Expats als hochnäsig und haben das Gefühl, dass von ihnen weniger Integration erwartet wird.

Ein Blick auf das soziale Engagement zeigt: Rund zwei Drittel der Expats sind nicht gesellschaftlich eingebunden, etwa in Sportclubs, Vereinen oder Nachbarschaftsinitiativen. Jene, die es sind, sagen jedoch, das helfe beim Ankommen.

Sie empfehlen deshalb anderen Expats: Engagiert und vernetzt euch. Und von den Locals wünschen sie sich, sich mehr zu öffnen gegenüber Menschen, die eine andere Sprache sprechen – oder wie es jemand formuliert: «be less racist».

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simon

An der Universität Zürich hat Simon Politikwissenschaften und Publizistik studiert. Nach einem Praktikum bei Watson machte er sich selbstständig und hat zusammen mit einer Gruppe von motivierten Journalist:innen 2015 Tsüri.ch gegründet und vorangetrieben. Seit 2023 teilt er die Geschäftsleitung mit Elio und Nina. Sein Engagement für die Branche geht über die Stadtgrenze hinaus: Er ist Gründungsmitglied und Co-Präsident des Verbands Medien mit Zukunft und macht sich dort für die Zukunft dieser Branche stark. Zudem ist er Vize-Präsident des Gönnervereins für den Presserat und Jury-Mitglied des Zürcher Journalistenpreises. 2024 wurde er zum Lokaljournalist des Jahres gewählt.

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Kommentare

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Judith Schmucki
25. August 2025 um 06:01

Speisekarten und websites in english only?

Vor 4 Jahren bin ich in ein Haus gezogen mit vielen internationalen MieterInnen. Darauf hatte ich mich gefreut! Die Freude ist rasch verflogen, obwohl ich alle grüsse, werde ich im Korridor selten bis nie zurückgegrüsst. Ich spüre allgemein wenig Gegeninteresse, die lokale Mieterschaft kennenzulernen. In Restaurants erhalte ich immer öfters keine Speisekarte mehr auf deutsch.Viele Websites von Zürcher Geschäften ebenfalls, nur in englisch. Oft spreche ich das an, weil ich es nicht als inklusiv, sondern als ausgrenzend empfinde. Doch für meine Empfindungen erhalte ich wenig Verständnis. Es sei halt 'internäschonäl'. Als expat würde mich das ebenfalls ärgern, denn die Landessprache gehört doch zur Kultur, die ich kennenlernen wollen würde. Von Einheimischen wird verlangt, den translater anzuwenden, wieso nicht von expats?

Alejandro Romero
25. August 2025 um 07:36

Bin ein desintegrierter Local

Ich hatte immer den Wohnsitz in Zürich, war aber nicht hier aufgewachsen und ging nicht hier zur Schule. Gymi und Uni habe ich nicht besuchen können. Hobbys und Leidenschaften habe ich auch keine. Somit konnte ich hier auch kein soziales Netz aufbauen. Dazu kommt, dass ich weder beruflich noch sozial integriert bin. Habe weder Job, Familie noch Freundeskreis. Ich fühle mich als eigentlicher Local völlig verloren, verarmt, vereinsamt und gelangweilt in dieser Stadt und meine etliche Expats sind integrierter als ich. Die haben Job, verdienen viel Geld, haben Familie, und ihre Arbeitskollegen.

Tina Khanam
25. August 2025 um 09:46

Expats=Migranten aus westlichen Staaten

Bei den allerwenigsten handelt es sich um Expats (also betriebliche Entsendung auf eine bestimmte Dauer). Dass ihr hier Ausländer bzw. Migranten aus westlichen Ländern meint, ist klar, aber bleibt doch bietet bei der richtigen Wortwahl. Man könnte ja glatt meinen ihr stuft Migranten unterschiedlich ein.

Tina K
25. August 2025 um 10:13

Expats = Migranten aus westlichen Ländern

Der Begriff Expats wird hier falsch genutzt. Expats sind Mitarbeiter eines Unternehmen, , die auf eine bestimmte Zeit in Partner Unternehmen oder Tochtergesellschaften entsendet werden. Bei den Befragten handelt es sich doch überwiegend um Migranten / Ausländer aus westlichen Ländern. Dass Ihr die Framing unterstützt, ist bedauerlich.

Marius Rübenacker
25. August 2025 um 14:20

Einer der Gründe, weshalb ich so gern in Zürich lebe, ist das internationale und multikulturelle Flair. Das Miteinander Locals/Expats funktioniert aus meiner Sicht sehr gut. Ich habe viele Schweizer Freunde, aber auch einige Expats im Umfeld – und ich bin immer offen, neue Menschen kennenzulernen. Natürlich gibt es auch weniger schöne Begleiterscheinungen, etwa die hohen Mieten. Doch das ist meiner Meinung nach weniger den Expats anzulasten, sondern vielmehr eine Frage von Firmenpolitik und politischem Rahmen, der es bislang nicht schafft, das Problem in den Griff zu bekommen. Im Alltag erlebe ich Integration als unkompliziert: In unserem Freundeskreis wechseln wir problemlos zwischen Deutsch und Englisch, sodass sich niemand ausgeschlossen fühlt. Gleichzeitig halte ich es aber für selbstverständlich, dass man in einem fremden Land zumindest Grundkenntnisse der Landessprache erwirbt – allein schon aus Respekt gegenüber der Kultur und um wirklich am Leben vor Ort teilhaben zu können.