Prime Time: Der Geschmack von Heimat

Aller Anfang ist schwer. Diese schmerzliche Erfahrung muss auch eine koreanische Familie in der Fremde machen. Das geht nur mit viel Mountain Dew und einer Oma, die sich jeder wünscht.

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Jacob hat grosse Pläne: Er will auf zwanzig Hektaren Land Gemüse für koreanische Einwanderer anbauen. (Foto: Pathé Films.)

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Text: Sarah Stutte

Das titelgebende «Minari» ist ein würziges, ostasiatisches Kraut, dass auch Wassertropfkraut oder Wassersellerie genannt wird. Es findet in der koreanischen Küche für viele Speisen Verwendung. Ein weiterer Vorteil: Es ist widerstandsfähig und wächst fast überall. So auch an einem versteckten Ufer in den sumpfigen Wäldern von Arkansas.

In diese ländliche Umgebung verschlägt es eine koreanische Immigranten-Familie. Jacob und Monica sind mit ihren Kindern, der älteren Tochter Anne und dem kleinen David, aus Kalifornien hierher gekommen, um sich ein besseres Leben aufzubauen. Beide fangen in der örtlichen Geflügelzuchtfarm an, tagein tagaus Küken nach Geschlecht zu sortieren. Doch Jacob hat grössere Pläne. Voller Tatendrang will er auf den zwanzig Hektaren Land, die er erworben hat, eigenes Gemüse für die vielen koreanischen Einwanderer in den USA anbauen.

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Monica jedoch hat Schwierigkeiten, sich zu assimilieren, im ungewohnten «Mobile Home» genauso wie in dem neuen Ort, in dem es keine koreanische Kirche gibt. Immer öfter kommt es zum Streit mit Jacob, der das ganze Geld in seinen Traum steckt und dabei die Sorgen seiner Frau vernachlässigt, die vor allem dem herzkranken David gelten. Deshalb holt Jacob seine Schwiegermutter Soonja aus Korea her und mit ins Haus, damit sich Monica nicht mehr so allein fühlt. Die alte Dame ist jedoch wahrlich ein ganz eigener Charakter, pflanzt mit gesundem Selbstbewusstsein ebenjene Minari-Samen in die neue Erde und stellt das schon angeknackste Familiengefüge nochmals total auf den Kopf.

Getragen wird der Film von grossartigen Darstellenden.

Die leise erzählte Familiengeschichte ist voller Poesie und bewegender Momente. Hier geschieht die Suche nach der Erfüllung des amerikanischen Traums erfreulicherweise einmal nicht nach Schema F, sondern geht nie den erwarteten Weg des geringsten Widerstands. Das fühlt sich nicht nur an wie mitten aus dem Leben gegriffen, das ist es auch. Denn die Geschichte von Drehbuchautor und Regisseur Lee Isaac Chung basiert auf seiner Kindheit, die er auf einer Farm in Arkansas in den 1980er-Jahren verbrachte.

Getragen wird dieser berührende kleine Film, der aus der kindlichen Perspektive von David erzählt wird, von grossartigen Darstellenden. Steven Yeuns Performance als sich aufopfernder jedoch verbissen einzelgängerischer Familienvater ist eindrücklich. Auch Han Ye-ri als Monica tritt so stolz und gleichermassen verletzlich auf wie eine Prinzessin im Exil und Will Patton als kauziger Jesus-Freak ist wahrlich eine Klasse für sich. Am nachhaltigsten bleibt einem jedoch die 74-jährige Youn Yuh-jung als schrullig-liebenswerte Oma im Gedächtnis, die für ihre grossartige Leistung zu Recht in diesem Jahr mit dem Oscar für die beste Nebenrolle bedacht wurde.

«Minari» ist ein Film über das, was in den Dingen verborgen liegt – im Schicksal, im Verlust und im Scheitern. Die Hoffnung, die der Papierflieger von David und Anne mit der Aufschrift «Don't fight» in den Raum trägt, in dem die Eltern streiten. Die Erinnerungen, die tiefe Wurzeln schlagen. Die Sehnsucht nach Heimat, die jeder Mensch schlussendlich nur in sich selbst findet.

Regie: Lee Isaac Chung, mit: Steven Yeun, Yeri Han

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