Hohe Entsorgungsgebühren

Entsorgungs-Rückgang: Stadt will mit neuem Angebot Kreislaufwirtschaft fördern

Rund ein Drittel weniger Kund:innen besuchten im Vergleich zum Vorjahr die städtischen Recyclinghöfe. Damit diese aber nicht auf der Strasse landen, hat die Stadt im Kreis 5 ein neues Tausch- und Reparaturangebot gestartet. Das Prinzip: Wer etwas vorbeibringt, kann im Gegenzug etwas mitnehmen.

Josy Tauschplatz Stadt Zürich
Für vier Jahre können nahe der Josefwiese Dinge getauscht, ausgeliehen und repariert werden. (Bild: Jenny Bargetzi)

Entsorgen ist teurer geworden. Wer heute in Zürich ein durchgesessenes Sofa, ein alter Spiegel oder ein sperriges Regal loswerden will, zahlt dafür 22 Franken 70 pro 100 Kilogramm. Denn seit Anfang Jahr gibt es keine kostenlosen Entsorgungs-Coupons mehr. Ab 2026 soll stattdessen ein Reparaturbonus von bis zu 100 Franken pro Person und Jahr Anreize zum Reparieren schaffen.

Seit die Gratis-Coupons abgeschafft worden seien, würden die Quartiere zusehends vermüllen, sagte Susanne Brunner, Co-Präsidentin der städtischen SVP, kürzlich gegenüber der NZZ. Die Menschen stellten ihren Sperrmüll kurzerhand auf die Strasse, anstatt ihn zu entsorgen. Tatsächlich registrierte das Meldeportal «Züri wie neu» seit dem Frühling mehr Abfallmeldungen, wie die Zeitung weiter schreibt. 

Coupons gaben den Entsorgungstakt vor

Tobias Nussbaum, Mediensprecher Entsorgung + Recycling Zürich (ERZ), widerspricht: «Bei der Zahl illegaler Abfallablagerungen nehmen wir keine anhaltende Veränderung wahr.» Die Zahlen schwankten wie üblich, etwa während der Ferienzeit oder Zügeltagen.

Dennoch bringen die Zürcher:innen laut Nussbaum rund ein Drittel weniger Gegenstände in die städtischen Recyclinghöfe als im Vorjahr. Exakte Zahlen zu Einlieferungen und Besucher:innen liegen jeweils erst nach Jahresabschluss vor. Nussbaum sagt: «Das Ablaufdatum der Coupons gab zuweilen den Takt fürs regelmässige Ausmisten vor. Ohne Coupons verteilen sich die Entsorgungen womöglich anders.»

Manche Personen nutzten nun den mobilen Recyclinghof, andere sammelten länger und lieferte grössere Mengen auf einmal. Wieder andere verschenkten, verkauften oder reparierten ihre Sachen – oder nutzten sie schlicht länger.

Mit dem Ende der Coupons sei auch der inoffizielle Handel mit Entsorgungsmarken verschwunden, der früher auf Online-Plattformen florierte. Darum blieben Anlieferungen von ausserhalb der Stadt aus, während einige Zürcher:innen ihre Abfälle zu Anbieter:innen ausserhalb der Stadtgrenze bringen würden.

Wie sich die Situation in anderen Recyclinghöfen entwickelt, ist unklar. Das private Recyclingwerk Zürich (RWZ) von Spross liess mehrere Anfragen unbeantwortet.

Wer etwas bringt, darf etwas mitnehmen

Während die Abschaffung der Coupons bei vielen Bürger:innen und Politiker:innen Kopfschütteln auslöst, hat die Stadt eine Reihe neuer Angebote angestossen, die Abfall vermeiden und Wiederverwertung fördern sollen.

Eines davon liegt im Kreis 5, zwischen Schiffbau und Viaduktbögen. Hier hat diese Woche das «Josy» eröffnet: Eine kostenlose Bring- und Holbörse, wie sie einige Zürcher Wohnbaugenossenschaften bereits kennen.

Schon jetzt sind die Regale in der Halle an der Neuen Hard 10 dicht befüllt. Viele Gegenstände stammen vom mobilen Recyclinghof oder vom Entsorgungshof Looächer. Langfristig soll das Projekt aber von den Nutzer:innen selbst getragen werden. Wer etwas bringt, darf auch etwas mitnehmen – jedoch nur für sich selbst und nur, was zu Fuss, mit dem Velo oder den öffentlichen Verkehrsmitteln transportiert werden kann.

Neben der Halle steht ein schwarzer Container, in dem Mitarbeitende externer Organisationen kaputte Dinge reparieren oder upcyceln. Wer will, kann sich wochen- oder monatelang einmieten, die ersten Plätze sind bereits vergeben. Ob für Reparaturen gezahlt werden muss, entscheiden die Anbieter:innen.

Das Zwischennutzungsprojekt läuft bis mindestens 2028 und kostet 5,4 Millionen Franken.

Mobiler Recyclinghof ersetzt Cargo- und E-Tram

Im gleichen Quartier macht der mobile Recyclinghof einmal im Monat Halt. Er nimmt Sperrgut, Metall, Elektrogeräte und andere Gegenstände kostenlos entgegen und ersetzt ab 2026 das Cargo-Tram sowie das E-Tram. Dann wird er 32 Stationen im gesamten Stadtgebiet anfahren.

Das Projekt startete 2022 und wird 2026 definitiv eingeführt. Neu gibt es auch dort eine Reparaturberatung, bei der Kund:innen ihre Gegenstände überprüfen lassen können. Laut Tobias Nussbaum bringen bei jedem Halt durchschnittlich rund 370 Personen ihre Gegenstände vorbei.

Doch auch hier gilt: Möbel, Teppiche und Lampen dürfen nur zu Fuss, mit dem Velo oder dem ÖV transportiert werden. Für Autofahrer:innen blieben die konventionellen Recyclinghöfe, schreibt die Stadt. Nur dort können weiterhin grosse Gegenstände entsorgt werden.

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jenny

Bachelorstudium der Psychologie an der Universität Zürich und Masterstudium in politischer Kommunikation an der Universität von Amsterdam. Einstieg in den Journalismus als Redaktionspraktikantin bei Tsüri.ch. Danach folgten Praktika bei der SRF Rundschau und dem Beobachter, anschliessend ein einjähriges Volontariat bei der Neuen Zürcher Zeitung. Nach einigen Monaten als freie Journalistin für den Beobachter und die «Zeitung» der Gessnerallee seit 2025 als Redaktorin zurück bei Tsüri.ch.

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