Prostitutionsverbot oder bessere Bedingungen für Sexarbeiterinnen?
Aus den Augen, aus dem Sinn!
<br><br> <!--more--><br><br> An der dritten Veranstaltung von Welt am Donnerstag im Autonomen Schule Zürich in Zusammenarbeit mit der WOZ fand ein Talk über die «Notwendigkeit einer legalen Prostitution» mit Rebecca Angelini (FIZ Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration) und Brigitte Obrist (ehemalige Sexarbeiterin und langjährige Projektleiterin Aidshilfe Schweiz) statt. Ein gefüllter Saal mit frisch durchmischtem Publikum beider Geschlechter von jung bis alt erstreckte sich vor den Diskussionsteilnehmern und liess eine spannende Informations- und Diskussionsrunde erwarten.<br><br> Das Thema Strassenstrich und Prostitution scheint sowohl Kultur als auch Politik über ganz Europa hinweg zu beschäftigen. Eine Welle von Diskussionen über neue Gesamtverbote für Prostitution in verschiedenen Ländern machte die letzten Jahre in den Medien immer wieder die Runde. Auch in der Schweiz wurde das Thema mit der Errichtung von Sexboxen in Zürich von internationalen Medien behandelt. Immer wieder gibt es neue politische Vorstösse für ein Verbot der Prostitution, die entweder Sexarbeiterinnen oder Freier kriminalisieren würden. 2013 fand ein Vorstoss für allgemeines Prostitutionsverbot Zustimmung bei 43 Mitgliedern, also über 1/5 des gesamten Nationalrats. In Schweden wird das scheinbare europäische Erfolgsmodell umgesetzt, Freier zu kriminalisieren, nicht jedoch die Sexarbeiterinnen. Die Freier werden mit Geld- oder Haftstrafen von bis zu sechs Monaten gebüsst. Auch Frankreich hat unterdessen dieses Modell ansatzweise übernommen und bestraft Freier mit 1500 Euro und kostenpflichtigen Sensibilisierungskursen. <blockquote class="instagram-media" style="background: #FFF; border: 0; border-radius: 3px; box-shadow: 0 0 1px 0 rgba(0,0,0,0.5),0 1px 10px 0 rgba(0,0,0,0.15); margin: 1px; max-width: 658px; padding: 0; width: calc(100% - 2px);" data-instgrm-captioned="" data-instgrm-version="4"> <div style="padding: 8px;"> <div style="background: #F8F8F8; line-height: 0; margin-top: 40px; padding: 50% 0; text-align: center; width: 100%;"></div> <p style="margin: 8px 0 0 0; padding: 0 4px;"><a style="color: #000; font-family: Arial,sans-serif; font-size: 14px; font-style: normal; font-weight: normal; line-height: 17px; text-decoration: none; word-wrap: break-word;" href="https://instagram.com/p/c53S0IExK2/" target="_top">#strichplatz #züri #basislager #partypuff //de neu strichplatz in züriwest ab 26.august 2013 @hellobitches</a></p> <p style="color: #c9c8cd; font-family: Arial,sans-serif; font-size: 14px; line-height: 17px; margin-bottom: 0; margin-top: 8px; overflow: hidden; padding: 8px 0 7px; text-align: center; text-overflow: ellipsis; white-space: nowrap;">Ein von BullaBulla (@heissliim) gepostetes Foto am <time style="font-family: Arial,sans-serif; font-size: 14px; line-height: 17px;" datetime="2013-08-12T07:05:56+00:00">12. Aug 2013 um 0:05 Uhr</time></p><br><br> </div></blockquote> <script src="//platform.instagram.com/en_US/embeds.js" async="" defer="defer"></script><strong>Sexboxen sind eine Art Mini-Campingplatz </strong>Das Engagement der Stadt Zürich mit der Errichtung von Sexboxen sollte den Strassenstrich vom Sihlquai weiter aus der Stadt hinaus verlagern. Beim damaligen Eröffnungsbesuchstag zeigte sich dem neugierigen Normalbürger eine Art Mini-Campingplatz aus Beton und Holz. Eine erhöhte Sicherheitsgewährleistung und der Anschluss an die Frauenorganisation FloraDora wurden als progressives Projekt angepriesen. Mit einem Ticketautomaten können Sexarbeiterinnen seit anhin dort und an den weiteren offiziellen Strassenstrichen der Stadt Zürich (Niederdorf und Brunau) mittels einer Tagesbewilligung für 5 Franken legal anschaffen. Dies sind mit Sicherheit verbesserte Bedingungen, die einer progressiven Strategie im Ansatz entsprechen. Jedoch bieten die Sexboxen nur beschränkten Platz. Was jedoch komplett ausser Acht gelassen wird, ist die peinliche laisser-faire Politik der Stadt Zürich über Jahre hinweg am Sihlquai. Damit sollen nicht fehlende durchgreifende Massnahmen gemeint sein, sondern das Bieten von einfacher Infrastruktur für die Betreuung, Hygiene und Sicherheit der Sexarbeiterinnen. «Die Stadt hat am Sihlquai komplett versagt», meint Rebecca Angelini.<br><br> <strong>Die Ehe als Langzeitprostitution? </strong>Politische Kampagnen im Zusammenhang mit dem Sexgewerbe und die sich daraus ergebenden Gesetze, wie diejenigen in der hiesigen Prostitutionsgewerbeverordnung (PGVO), scheinen leider viel zu häufig nur Ausdruck des persönlichen moralischen Rechtsempfindens von Bürgern bzw. ihrer Politiker und zu wenig an Umständen der Realität orientiert. Das pseudofeministische Selbstbild von Frauen wird auf das Leben der Sexarbeiterinnen projiziert und darin ein starkes Täter-/Opferprofil geprägt. «Die klischeehafte Darstellung von Prosituierten in Formaten wie Tatort leistet dazu ihren Beitrag», meint Brigitte Obrist. Immer mal wieder wird im philosophischen Diskurs auch in der Ehe eine patriarchalische Form der Langzeitprostitution gesehen, und das auch noch unter dem Banner eines banalen Feminismus eine ziemliche Frechheit gegenüber jeglichen tatsächlichen Bestrebungen feministischer Emanzipation von Frauen wie Männern, die sich für deren Selbständigkeit und Gleichstellung einsetzen. Gleichermassen ist die Verbesserung der Bedingungen von Sexarbeiterinnen nicht gleich ein Zeichen von Gutheissung der Prostitution, sondern eine soziale Entscheidung, die sich an der Realität orientiert.<br><br> <strong>Nur 42 Fälle von Menschenhandel </strong>Wichtig ist die Bekämpfung der Kriminalität im Sinne von Menschenhandel und Gewaltdelikten. Jedoch ist klar zu unterscheiden zwischen selbständiger Sexarbeit und Zwangsprostitution. In der Schweiz arbeiten schätzungsweise 1500020'000 Sexarbeiterinnen. Gleichzeitig wurden 2014 in der Schweiz gerade mal 42 Menschenhandelopfer gemeldet. «Natürlich ist jedes Opfer eines zu viel. Aber leider werden diese beiden Dinge in der Politik oft in einen Topf geworfen», sagt Rebecca Angelini. Selbstbestimmung würde das klassische Bild der Opfer-/Täterrolle doch tatsächlich eher umkehren, deutet Brigitte Obrist an. Durch die versuchte Verlagerung des Strassenstrichs durch die Stadt Zürich sind die Sexarbeiterinnen jedoch immer mehr auf Etablissements angewiesen. Dort verfolgt die Politik mit der PGVO jedoch ebenfalls eine schleichende Verdrängung. Danach braucht jedes Etablissement eine Betriebsbewilligung.<br><br> <blockquote class="instagram-media" style="background: #FFF; border: 0; border-radius: 3px; box-shadow: 0 0 1px 0 rgba(0,0,0,0.5),0 1px 10px 0 rgba(0,0,0,0.15); margin: 1px; max-width: 658px; padding: 0; width: calc(100% - 2px);" data-instgrm-version="4"> <div style="padding: 8px;"> <div style="background: #F8F8F8; line-height: 0; margin-top: 40px; padding: 50% 0; text-align: center; width: 100%;"></div><br><br> <a style="color: #c9c8cd; font-family: Arial,sans-serif; font-size: 14px; font-style: normal; font-weight: normal; line-height: 17px; text-decoration: none;" href="https://instagram.com/p/JLqBG/" target="_top">Ein von ???? ????????? (@eastmeetswest) gepostetes Foto</a> am <time style="font-family: Arial,sans-serif; font-size: 14px; line-height: 17px;" datetime="2011-08-02T21:17:39+00:00">2. Aug 2011 um 14:17 Uhr</time> </div></blockquote><br><br> <script src="//platform.instagram.com/en_US/embeds.js" async="" defer="defer"></script> <strong>Verdrängung aus dem Kreis 4 </strong>Viel auschlaggebender ist jedoch die ebenfalls benötigte Baubewilligung nach Zonenverordnung. Diese besagt, dass in Wohnquartieren mit mehr als 50 Prozent Wohnanteil keine solchen betrieben werden dürfen. Damit werden die Lusthäuser von der Langstrasse aus dem Kreis 4 passiv mit Verordnungen verdrängt. Am Meisten betroffen sind Klein- und Einzelbetriebe, die sich nicht wehren können. So wird indirekt grossen Etablissements in die Hände gespielt, die in entsprechenden Machtstrukturen insgesamt ein grösseres Gefahrenpotential bedeuten können für Sexarbeiterinnen. Besuche ohne jeglichen Durchsuchungsbefehl der uniformierten Sittenpolizei, die den laufenden Betrieb unterbrechen, seien keine Seltenheit, meint Brigitte Obrist aus eigener Erfahrung. Welche Ausmasse diese Besuche nehmen können, haben Skandale wie im Chilis gut aufgezeigt. Rebecca Angelini fügt an: «Bewilligungsverbote für Migranten aus armen Ländern aufgrund von Opfereinstufungen haben in der Tendenz zugenommen. Und das im Namen des Schutzes der Frauen.» Sie befürchtet, dass die Frauen teilweise auch in «unsichere Gebiete» abwandern.<br><br> <strong>Freier kommen übers Internet </strong>Auf die Frage, wohin diese vielen Sexarbeiterinnen gehen können bzw. welche neuen Stadtgebiete in Zürich neu Raum für entsprechende Etablissements bieten könnten, haben wohl weder die Stadt noch die Fachstellen eine konkrete Antwort. Fakt ist jedoch, dass mit aktueller Gesetzeslage und zunehmender Aufwertung die Langstrasse immer weniger dafür in Frage kommt. Das Treiben in die Illegalität birgt jedoch vor allem ein Gefahrenpotential für die Sexarbeiterinnen. So werden kurzerhand mehr Privaträumlichkeiten gemietet, umfunktioniert und Freier verstärkt über das Internet und per Mobiltelefon angeworben, um weiter arbeiten zu können. Auch im schwedischen Modell setzen sich damit Sexarbeiterinnen in illegalen Etablissements oder Privaträumen der Gefahr von Gewalt aus, die sie aufgrund ihrer eigenen illegalen Handlungen nicht mehr melden werden. So sinken zwar die öffentlich Statistiken und Meldungen von Menschenhandel und Gewaltdelikten im Sexgewerbe, aber die Situation insgesamt wird bloss in den Untergrund verdrängt und die Chance auf eine soziale Betreuung komplett vergeben. Gleichzeitig leidet das Vertrauen dieser Frauen in die Behörden stark.<br><br> Aus den Augen, aus dem Sinn!<br><br> <em> Titelbild: <a href="http://instagram.com/p/rZIOzqoaYs/" target="_blank">Instagram</a></em>
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