«COFFEE&DEEDS»: Hipper Biokaffee inmitten eines verschlafenen Wohnquartiers
<!--more--><br><br> In Hirzenbach hat Anfang Juni ein Café mit dem Namen <a href="http://coffee-deeds.ch/" target="_blank">COFFEE&DEEDS</a> eröffnet, was auf Deutsch so viel wie Kaffee und Taten bedeutet. Es soll ein Treffpunkt im und für das Quartier sein und zusätzlich als niederschwellige Anlaufstelle für bedürftige Menschen dienen. Die Idee ist einfach: Die Cafébetreiber verkaufen Kaffee und bieten dabei unentgeltlich Hilfe bei persönlichen Problemen der Gäste, seien diese seelischer Natur oder auch nur auf das Ausfüllen der Steuererklärung beschränkt. Der Gast selbst kann dabei mithelfen, indem er mit einem «suspended coffee» (auf Deutsch: einem aufgeschobenen Kaffee) einem bedürftigeren Gast einen Kaffee spendiert, indem er zwei Kaffees bezahlt, aber nur einen trinkt. Das Konzept stammt ursprünglich aus Italien und wird dort aber auch in anderen Ländern wie den USA und Deutschland erfolgreich angewendet. Die Idee fand auch hierzulande Anklang: Insgesamt wurden 170'000 Franken gesammelt, 50'000 Franken davon per Crowdfunding, und in dieses schicke moderne Café investiert, welches am Idaplatz wohl ziemlichen Erfolg hätte nur befindet es sich eben nicht dort, sondern in Hirzenbach, im zwölften Stadtkreis Zürichs, in Schwamendingen, an der Grenze zu Wallisellen und Dübendorf.<br><br> <strong>Hirzenbach Die Endhaltestelle des 9er-Trams </strong>Wenn ich an Hirzenbach denke, dann fällt mir kaum mehr dazu ein, als dass das 9er-Tram dort seine Endhaltestelle hat und das Quartier die höchste Arbeitslosenquote besitzt (6.5 Prozent im Jahre 2010). Benjamin Bucher nickt verständnisvoll, als ich ihm meine Unkenntnis über diese Gegend gestehe es ist wohl nicht das erste Mal, dass er sich solches anhören muss. Der Projektleiter von COFFEE&DEEDS kontert mit der Nähe zum Greifensee, zum Flughafen und auch in der Stadtmitte sei man mittlerweile in zehn Minuten. Nicht zuletzt sei das Quartier auch äusserst multikulti, was ihm persönlich sehr gefalle. Und es sei sehr ruhig manchmal vielleicht fast ein wenig verschlafen. «Ein Hauptziel des Cafés ist es vor allem auch, einen Begegnungsort zu schaffen, um neue Impulse ins Quartier zu bringen», meint Bucher. Auf der einen Seite würden zwar viele Wohnungen gebaut und neue, besserverdienende Menschen würden nach Hirzenbach ziehen, jedoch fehle es auf der anderen Seite an gemütlichen Orten, um sich zu treffen. Hirzenbach solle mehr sein als nur ein Schlafquartier.<br><br> <strong>Kein verstaubtes Chilekafi mit Kafeemaschine </strong>Ein erster Schritt scheint gelungen: Während des Gesprächs betreten immer wieder Anwohner das Café und äussern sich positiv über die Einrichtung. Zwar bewegen sich die meisten eher im Rentenalter, aber auch Eltern mit Kindern sind unter den Gästen und vergnügen sich in der Spielecke. Die Atmosphäre wirkt äusserst familiär: Benjamin Bucher steht während des Gesprächs ab und zu auf, fragt die Gäste nach dem Wohlbefinden und hilft die leeren Tassen abzuräumen. Bis jetzt sei noch niemand vorbeigekommen, der die niederschwellige Anlaufstelle in Anspruch genommen hätte, jedoch seien auch erst ein paar wenige Wochen vergangen; er sei da zuversichtlich. Es gäbe halt allgemein kaum Laufkundschaft, «wir müssen mit Gutscheinen flyern gehen, um das Ganze bekannt zu machen, sonst wird das nichts».<br><br> Wie das mit dem Niederschwelligen genau aussehen werde, müsse sowieso erst herausgefunden werden: «Vielleicht beim Servieren ansprechen, vielleicht auch nicht, dass muss man dann abschätzen». Er mache sich da aber keine Sorgen: Die Mitarbeiter würden zwar so gut wie alle auf freiwilliger Basis mitarbeiten und seien nicht professionell ausgebildet, sie würden aber speziell ausgewählt und geschult im richtigen Umgang mit den Leuten (zum Beispiel Gesprächsführung) sowie auch bezüglich der Arbeit im Service. Man versuche schon, möglichst professionell zu arbeiten, «damit die Leute merken, dass das nicht nur irgendein verstaubtes Chilekafi mit ein paar Tischen und einer Kaffeemaschine ist».<br><br> <strong>Kein Geld von der Stadt wegen der Religion </strong>Schliesslich müsste das «Deeds» dann auch Gewinn abwerfen, denn im Gegensatz zu ähnlichen städtischen Hilfsangeboten wird das «Deeds» nicht von der öffentlichen Hand unterstützt. Dies liegt daran, dass die Trägerschaft des COFFEE&DEEDS die reformierte Kirchgemeinde Hirzenbach ist: «Wir haben beim Sozialdepartement angefragt wegen finanzieller Hilfe, haben aber nichts bekommen, weil bei einer allfälligen finanziellen Unterstützung wie auch bei vielen Stiftungen ein religionsneutraler Betrieb hätte gewährleistet werden müssen und mit der Kirche als Trägerschaft geht das natürlich nicht». Allgemein hätten sie öfters Bedenken bezüglich dieses Umstandes gehört, nicht zuletzt von offizieller Stellen: Das Projekt sei gut, aber das Misstrauen, dass die Kirche nur missionieren wolle, sei gross. Bucher verneint dies aber vehement: «Wir missionieren nicht aktiv. Wir sind zum Beispiel explizit nicht im Kirchengebäude selbst auch wenn das Gebäude der Kirche gehört. Wir wollten etwas machen, was allen zugänglich ist. Es hat hier nirgends eine Bibel auf den Tisch, niemand spricht einen an, ob man denn an Jesus glaube. Es geht darum, für den Menschen da zu sein, aber klar: Wenn jemand von sich aus über Gott reden will, machen wir das gerne. Wir wollen nicht dieses Image haben, dass wir jedem beim Eintreten gleich die Bibel um den Kopf hauen». <hr /><br><br> <strong>Tsüri-Mail: Einmal abonnieren bitte. Kein Scheiss. Kein Spam.</strong>
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<br><br> <hr /> <strong>«Die Kirche kann auch geil sein» </strong>Es gehe natürlich schon auch darum, den Leuten zu zeigen, dass die Kirche mitunter durchaus etwas Gutes sein könne: «Vor 20 bis 30 Jahren hatte die Kirche einen ganz anderen Status: Man ging in die Kirche, es gehörte zur Kultur. Wir versuchen die Kirche wieder attraktiv und relevant zu machen. Mit diesem Café wollen wir zeigen, dass Kirche auch geil sein kann». Das «Deeds» sei in diesem Sinne ein Projekt von zehn bis zwölf Freiwilligen der Kirche, welche versuchen, dem Negativtrend der Kirche entgegen-zuwirken. Hierzu meint Bucher: «Wir erleben manchmal, dass Junge von uns abwandern, auch hin zum ICF oder so, weil es dort vielleicht ein wenig hipper ist. Aber es zieht auch wieder an, gerade wenn man Dinge macht wie dieses Café». Die Freiwilligen übernehmen dabei jeden Tag bis zu drei Schichten von fünf bis sieben Stunden unentgeltlich. Es scheint, als sei das Café ein Projekt, das der Kirchgemeinde innerhalb sowie den Menschen ausserhalb helfen soll, wieder ein bisschen besser Tritt zu fassen.<br><br> <strong>Geblieben, um was zu ändern </strong>Trotz ein paar wenigen negativen Stimmen sei das Feedback mehrheitlich positiv: «Von den Lehrern im Schulhaus Hirzenbach über die Verkäuferinnen im Coop am Schwamendingerplatz bis hin zu den Pensionären in den Alterswohnungen an der Hirzenbachstrasse finden das die meisten eine gute Sache, einfach, weil mal was geht im Quartier», meint Bucher. Das kann man sich gut vorstellen, denn wenn man das Café verlässt, fühlt es sich an, als würde man eine neue Welt betreten: Von einem hippen innerstädtischen Café mit regionalen Produkten und Biokaffee in die eher beschauliche, ein wenig verschlafene Welt des Quartiers Hirzenbach. Da scheint wohl viel Verbundenheit zum Quartier da zu sein, wenn man hier ein Café eröffnen will und tatsächlich: Auf die Frage, ob er nie wegziehen wollte, antwortet Benjamin Bucher: «Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht auch schon mal weggehen wollte, aber unterdessen liebe ich es hier und will hier auch etwas zum Besseren verändern». Es scheint wohl noch ein weiter Weg zu sein, aber mit Menschen wie Benjamin Bucher und den anderen Freiwilligen, die das «Deeds» auf die Beine gestellt haben, ist wohl ein erster wichtiger Schritt getan zu sein.<br><br> <em>Video vom COFFEE&DEEDS für das Crowdfunding auf 100days.net</em><br><br> <iframe src="https://www.youtube.com/embed/kItqVkVSjZ8" width="560" height="315" frameborder="0" allowfullscreen="allowfullscreen"></iframe>
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