«Was, wenn nur noch Influencer-DJs in unseren Clubs spielen?»

Unser Nachtleben-Kolumnist Dominik André findet: Rezepte, die in der Clubwelt Anfang der 2000er funktionierten, sind heute nur noch was für Nostalgiker:innen. DJs und Clubs würden gut daran tun, neue und eigene Wege zu finden, anstelle das Konzept «Festival» zu kopieren.

Keyvisual mit Rahmen-D
Illustration: Zana Selimi

Gerade werden wieder die Timelines unserer Social-Media-Apps mit den Lineups für die kommende Festivalsaison geflutet. Das Spannende daran ist einerseits zu sehen, wie oft manche DJs hintereinander auflegen können, wer wann und wo auflegt und nicht zuletzt ist der Zeitpunkt der Ankündigung interessant. Dieser scheint mit Ende Januar doch eher früh zu sein. 

Denn: Die Festivals stehen unter einem enormen Druck. So hatten manche davon im letzten Sommer Schwierigkeiten, alle Tickets wegzubringen und einige mussten deswegen sogar ganz absagen. Die Lösung der Veranstalter scheint zu sein, immer noch früher mit dem Vorverkauf zu beginnen. Es gibt sogar Festivals, die bereits im letzten Jahr ihre nächste Ausgabe angekündigt haben. Vielleicht können wir bald an den Festivals selbst Tickets für das nächste Jahr kaufen?

Die Eventbranche ist gefordert. Zum einen, weil die Produkte im Einkauf teurer wurden, was sich massiv auf das Budget auswirkt. Dann scheinen sich die Menschen immer kurzfristiger zu entscheiden, ob sie ein Festival, Konzert oder eine Party besuchen wollen, was bei grösseren Produktionen zu einer fehlender Planungssicherheit führt.

Der Wahn nach grossen Namen

Was bedeutet das nun für die hiesigen Clubs? Es wäre ein Leichtes zu sagen, dass Festivals in Grossbritannien, Kroatien oder Holland den Veranstaltern hier egal sein können, weil sie keinen direkten Einfluss auf die lokalen Geschehnisse haben. Das stimmt so leider nicht. «Der Wahn nach grossen Namen hat sich durch die sozialen Medien eindeutig verstärkt. Künstler:innen mit professionellen Marketing-Strategien dominieren global und bespielen in fast ständig wiederholenden Line-Ups die grossen Bühnen dieser Welt», schreibt der Club Zukunft in seinem aktuellen Newsletter.

Es findet also eine Konzentration auf gewisse DJs statt, was sich an den Festival-Lineups gut ablesen lässt. Dies geschieht, weil es einige schaffen, unter anderem durch ihre Präsenz auf Social Media, eine Fanbase aufzubauen. Und da Algorithmen funktionieren, wie sie funktionieren, multipliziert sich der Effekt von mehr Aufmerksamkeit für das, was schon viel Aufmerksamkeit hat.

Auch Zürcher Clubs sind von dieser Aufmerksamkeitsökonomie betroffen und die Zeiten des:der anonymen DJ sind vorbei. Wer sein Geld mit Veranstaltungen verdienen will, muss sich in einer Form den Marktmechanismen unterwerfen. Im Newsletter der Zukunft steht auch, wer dafür verantwortlich ist: «Der Ursprungsgedanke der elektronischen Musik, die gesichtslos begann und sich an überschaubaren Orten abspielte, ist an den Giga-Events verloren gegangen und das Handwerk des DJs spielt an vielen Orten eine untergeordnete Rolle.» Das viele Partybesucher:innen eher Veranstaltungen mit bekannten DJs auf dem Lineup besuchen, ist zwar ein bekanntes Phänomen, hat sich aber post-pandemisch zugespitzt.

«Was, wenn bei Nischen-Acts keine:r mehr kommt?»

Dominik André

Clubs sehen sich also gezwungen, DJs mit Namen und Reichweite zu buchen. Das Problem: Ein Festival kann wesentlich höhere Gagen bezahlen. Und DJs und ihre Booker mögen hohe Gagen. Diese sind bis zu einem gewissen Grad auch berechtigt. Wenn jemand eine Location voll kriegt und die Einnahmen an der Tür und an der Bar brodeln, dann hat diese:r DJ auch einen Anteil zugute.

Wenn ich gefragt werde, was ich von Star-DJ X oder Star-DJ Y halte, dann antworte ich jeweils damit, dass mich diese Art des Auflegens nicht betrifft. Das meine ich keinesfalls abwertend. Ich beobachte gerne, was sich global im Kontext von DJ- und Clubkultur tut, und ich finde, dass solche «Mega-Events» auch ihre Berechtigung haben. Was ist aber, wenn nur noch Influencer-DJs in unseren Clubs spielen, weil sie den Laden voll machen und bei Nischen-Acts keine:r mehr kommt? Dann geht aus meiner Sicht ein wichtiges Stück DJ-Kultur verloren, oder um es in den Worten der Zukunft zu sagen: «Das ist irgendwie bedauerlich.»

*Dominik André war von 2019 bis 2021 verantwortlich für Kommunikation des Clubs Zukunft. Er schreibt als freier Autor für das clubeigene Onlinefanzine und spielt sporadisch im Club oder der Bar3000.

Dominik Andre

Dominik André

Dominik André schreibt seit einigen Jahren über DJ-Kultur, Musik-Nerd-Kram und manchmal auch über das Musikgeschäft. 2014 mitbegründete er das Onlinemagazin 45rpm.ch und schrieb eine Zeit lang für das Groove Magazin in Berlin und das Szene- und Eventportal ubwg.ch. Als aktiver DJ und Betreiber des Plattenlabels Subject To Restrictions Discs lebt er mit, um und in Clubs und Plattenläden. Für Tsüri.ch schreibt er regelmässig über Clubkultur und was die hiesige DJ-Szene grade umtreibt.

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