Klima-Briefing im März: Retten Innovationen unser Klima? - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Isabel Brun

Redaktorin

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31. März 2023 um 10:00

Klima-Briefing im März: Retten Innovationen unser Klima?

Das Klima-Briefing ist der monatliche Newsletter über Klima-Themen aus Zürich und der Welt. Was uns im März 2023 beschäftigt hat: Neues aus der Forschung, Altes aus dem Weltklimarat und Gratis-Zertifikate für Schweizer Unternehmen.

Illustration: Zana Selimi

Die Schweiz gehört zu den innovativsten Ländern der Welt. Das ist nicht nur «so ein Gefühl», sondern dies zeigen auch die Zahlen des Europäischen Patentamts (EPA): Dort wurden im vergangenen Jahr insgesamt 193'460 Patente angemeldet – so viele wie noch nie. 9008 davon stammen von Schweizer Erfinder:innen. Somit landet die Schweiz immerhin auf dem siebten Platz im Ranking. Auf dem Siegerpodest steht die USA, Platz zwei gehört Deutschland und dritter wurde Japan. Ein guter Mix. 

Wie der EPA-Präsident Antonio Campinos gegenüber SRF erklärt, habe es deutlich mehr Anträge zu sauberer Energietechnik und der Erzeugung, Verteilung und Speicherung von Strom gegeben. Vor allem die Batterietechnik sei ein beliebtes Forschungsfeld. «Der anhaltende Aufschwung auf diesem Gebiet trägt dazu bei, die Energiewende voranzubringen», ist sich Campinos sicher. 

Dass Forschung auch für den Klimaschutz wichtig ist, weiss auch die Stadt Zürich. Und weil es für kleine und grosse Erfinder:innen nicht einfach ist, ihre Ideen zu finanzieren, will die Regierung Start-ups und gemeinnützige Organisationen, die der Stadt auf dem Weg zu Netto-Null behilflich sind, stärker fördern. «KlimUp» heisst das Programm, das ausgewählte Innovationen aus Zürich mit einmaligen zwölf Millionen Franken unterstützen soll. Falls der Gemeinderat dem Vorschlag zustimmt, will man laut Medienmitteilung bereits im Oktober 2023 mit der Finanzierung starten.

Mit Kristallen und Kinderbüchern gegen die Klimakrise

Ungeachtet dieser Förderung gibt es aber bereits eine Menge Forschungsprojekte, die sich auf die eine oder andere Art mit der Klimakrise beschäftigen. Hier eine kleine, unvollständige Auswahl, die mir im vergangenen Monat aufgefallen sind:

  1. Frostresistente Bäume kommen besser mit der Klimakrise zurecht als andere. Das zeigt eine aktuelle Studie der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Warum das wichtig ist? «Bäume, die sich von Frösten gut erholen, können trotz bestehendem Frostrisiko früher im Jahr austreiben», was in Zeiten der Erderhitzung immer wichtiger werde, heisst es in der Mitteilung. Laut den Forschenden wird es zwar häufig früher im Jahr warm, das Risiko von Spätfrösten dürfte währenddessen aber mindestens gleich hoch bleiben. Durch diese Anpassungsfähigkeit würden sich die Wälder in der Schweiz langfristig verändern, da sich frosttolerante Arten gegen frostempfindliche durchsetzen könnten.

  1. Hast du schon einmal etwas von Hochentropie-Oxiden gehört? Ich auch nicht. Aber solche ungeordnete Kristalle, wie sie auch genannt werden, sind scheinbar nicht unwichtig im Kampf gegen die Klimakrise. Das hat die junge Wissenschaftlerin Amy Knorpp herausgefunden, die an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, kurz Empa, forscht. Ihr zufolge haben die Kristalle ein enormes Potential für katalytische Systeme speziell bei der Umwandlung von CO2 und Wasserstoff zu Methanol. Dieses wird auch für die Treibstoffherstellung verwendet. Um synthetisches Methanol im grossen Stil erzeugen zu können, brauche es jedoch robustere und effizientere Katalysatoren, als zurzeit vorhanden seien. Wo wir wieder bei den ungeordneten Kristallen wären. Diese könnten nämlich «ein potentielles Material» für solche Katalysatoren sein, erklärt Knorpp in der Medienmitteilung. Bis die Hochentrope-Oxide uns jedoch wirklich helfen können, wird es jedoch noch etwas dauern. Man stehe noch ganz am Anfang was die Forschung mit den Kristallen betreffe.

  1. Um Energie dreht sich auch das nächste Forschungsergebnis – wortwörtlich. An der ETH haben Forschende versucht zu eruieren, wo in der Schweiz die laut Windenergiekonzept vorgesehenen 760 Turbinen stehen sollen. Bis 2050 sollen diese nämlich jährlich 4,3 Terawattstunden Strom erzeugen. Heute ist man den Forschenden zufolge noch weit davon entfernt: Die 40 Windkraftanlagen liefern gerade einmal 0,14 Terawattstunden und damit 0,3 Prozent unseres Stroms. Während die aktuelle Raumplanung vor allem die Alpen für neue Turbinen vorsehe, hätten die Wissenschaftler:innen in dieser Studie auch versucht, Räume zu nutzen, auf welchen momentan noch keine Windräder gebaut werden dürfen. Sprich auf Land, das heute auch für die Lebensmittelproduktion genutzt wird. «Indem wir besonders gutes Ackerland, sogenannte Fruchtfolgeflächen, im windstarken Mittelland neben der Nahrungsmittelproduktion auch für die Erzeugung von Windstrom nutzen würden, müssten wir deutlich weniger Windkraftanlagen im alpinen Raum bauen», erklärt eine der Forscher:innen in einer Mitteilung. Dazu müsste man jedoch noch die Raumplanungsvorschriften ändern. 

  1. Ein weiteres Forschungsprojekt der Empa zusammen der Pädagogischen Hochschule St. Gallen hat etwas mit Kindern zu tun. Immerhin sind sie es, die nach uns dieses Erbe übernehmen müssen. In einem illustrierten Kinderbuch sollen die Visionen der Kinder für eine nachhaltige Zukunft mit Ergebnissen aus der Forschung kombiniert werden. «Co-Kreation einer zirkulären Zukunft» heisst das Projekt, das auch vom Schweizerische Nationalfonds (SNF) unterstützt wird. Gemäss der Medienmitteilung geht es darum, die Bedingungen, Wege und Möglichkeiten der Kreislaufwirtschaft greifbar zu machen. «Wenn man Erwachsene nach Lösungen für die Zukunft fragt, bekommt man tausend Gründe, warum dieses oder jenes nicht funktionieren wird. Fragt man hingegen Kinder, bekommt man tausend Ideen», so der Initiant Harald Desing.

  1. Von (hoffentlich) süssen Kindern zu (definitiv) süssen Tieren. Wie sich die Klimakrise auf das Leben von grossen, langbeinigen Tierarten auswirkt, gilt als relativ gut erforscht. Kleine Säugetiere würden hingegen oft untergehen – nicht nur aufgrund ihrer Grösse, sondern auch, weil sie sich in der Regel gut an veränderte Bedingungen anpassen könnten, heisst es in einer Medienmitteilung der Universität Zürich (UZH). Doch das treffe nicht auf alle gleich zu: Wie eine Untersuchung zweier deutschen Primatenforscher:innen zeigt, haben Mausmakis, einer Lemurenart, auf Madagaskar an trockeneren Regen- und wärmeren Trockenzeit ganz schön zu knabbern. Über 26 Jahre lang haben Peter Kappeler und Claudia Fichtel die Altersstruktur einer Mausmaki-Population untersucht und nun herausgefunden: Zum einen steigen die Fortpflanzungsraten, zum anderen nimmt die Sterblichkeit zu. «Diese gegensätzlichen Trends haben zwar einen Zusammenbruch der Mausmaki-Population verhindert, aber dennoch zu einer Destabilisierung der Population geführt, da der sowieso schon schnelle Lebenszyklus der Tiere weiter beschleunigt wurde», führt Fichtel aus. Das wiederum könne zum Aussterben der Tierart führen. Lemuren, wie die Unterart Mausmaki, gehören gemäss WWF zu den am meisten gefährdeten Tieren der Erde und kommen nur auf Madagaskar vor. 

Böse Miene zu bösem Spiel

Kommt es dir auch vor, als hättest du von mindestens die Hälfte der oben genannten Forschungsprojekten oder -Ergebnissen bereits gelesen oder gehört? Das könnte daran liegen, dass wir uns gewissermassen im Kreis drehen. In etwa so erging es mir, als ich den neuesten Bericht des Weltklimarats. Dieser hatte Mitte März in Interlaken getagt. «Weltklimarat warnt vor Extremwetter und fordert zum Handeln auf», titelte das SRF – zum gefühlt 100. Mal.

Neu sind die Erkenntnisse nicht, neu war aber, dass sich 190 Staaten darauf einigen konnten, dass sie den neuesten Stand der Wissenschaft abbilden. Konkret haben sie sich also darauf geeinigt, dass die Welt alles andere als auf dem richtigen Weg ist. Laut den Klimaforschenden steuern wir mit den aktuell umgesetzten klimapolitischen Massnahmen auf eine Erwärmung zwischen 2,2 bis 3,5 Grad Celsius bis ins Jahr 2100 zu. «Wir sind heute in einer Notlage. Noch 2014 ging man davon aus, dass eine Erwärmung um 2 Grad einigermassen tragbar wäre. Heute kennen wir die Risiken viel besser und wissen, dass auch die Erwärmung um 1,5 Grad schon sehr grosse Auswirkungen hat», so die ETH-Klimaforscherin und Co-Autorin Sonia Seneviratne.

Was ebenfalls bereits bekannt ist, im Bericht aber noch einmal verdeutlicht wird: Nicht nur die Generationen sind ungleich von der Klimakrise betroffen, sondern auch die Weltgegenden. Zwar würden die Temperaturen global ansteigen, besonders hoch sei der Leidensdruck jedoch in Ländern, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben. Diese hätten aber wiederum am wenigsten Mittel, um mit den Folgen umzugehen. Ein Widerspruch, dem ein Fonds zu Hilfe eilen soll, in den alle einzahlen und die Staaten unterstützt, die unter dem CO2 der Industrieländern leiden. Ein solcher Topf wurde schon seit 30 Jahren gefordert – und schliesslich im vergangenen November an der 27. Klimakonferenz im ägyptischen Sharm El-Sheikh beschlossen (ich habe im Klima-Briefing von November darüber berichtet). Damals sprachen die Klimaforschenden von einem Meilenstein, auch wenn Hauptemittent China nicht mitmachen wollte.

Menschen mit Jahrgang 2020 werden stärker unter der Klimakrise leiden als jene die früher geboren wurden. (Grafik: Screenshot IPCC)

Eine dieser Regionen ist Kenia. «Wir erleben immer mehr verheerende Dürren», sagt die Kenianerin Stellamaris Mulaeh im Interview mit dem Sonntags-Blick. Das führe zu Ernteausfällen, was wiederum eine Hungersnot auslösen könne. 4,1 Millionen Menschen haben in ihrem Ursprungsland laut Mulaeh keine Garantie auf Essen. Gemäss einer aktuellen Studie der Vereinten Nationen (UN) hat gar jeder vierte Mensch auf der Welt keinen ausreichenden Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die Klimakrise verschärfe diese Situation zusätzlich.

An der Weltwasserkonferenz vergangenen Monat in New York versuchten Fachleute und Politik deshalb eine Lösung für das Problem zu finden. Laut dem Tagesspiegel war es das das erste grosse UN-Treffen seit 1977, bei dem ausschliesslich das Thema Wasser behandelt wurde. Zwar sei es nicht darum gegangen, ein Abkommen abzuschliessen, wohl aber ein Aktions-Papier auszuarbeiten – das jedoch nicht verbindlich ist. Das Ziel sei, dass die Strategien in den Bereichen Wasser, Ökosystemen und Klima besser aufeinander abzustimmen, um Treibhausgase zu reduzieren. Angefangen bei einer belastbaren Infrastruktur, Wasserleitungen und Abwasserbehandlungsplänen bis hin zu einem Frühwarnsystem vor Naturkatastrophen.

Nach all diesen Erkenntnissen aus der Forschung, den Stimmen von Betroffenen könnte man meinen, dass es in der heutigen Zeit niemanden mehr gibt, der den menschengemachten Klimawandel in Frage stellt. Aber wir, also du und ich, haben die Rechnung ohne den EDU-Politiker Erwin Sutter aus Schaffhausen gemacht. «Wir haben keine Klimakrise», sagte er allen Ernstes vor wenigen Tagen im Kantonsparlament. Das berichten die Schaffhauser Nachrichten. Stattdessen hätte unsere Klimapolitik uns in eine Energiekrise geführt. Und Klimamodelle, das sei nicht «Science», sondern «Science-Fiction».

Eh ja, was soll ich dazu noch sagen... Aber hey, immerhin musstest du für den heutigen Realitätscheck nicht das Haus verlassen.

Bleibt ein Wasserschloss ohne Wasser ein Schloss?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich Herr Sutter sein Glück nicht bewusst ist. Dem Glück, in einem Land geboren worden zu sein, das zum einen ganz gut gelegen ist – im Winter nicht zu kalt, im Sommer nicht zu heiss –, zum anderen als Wasserschloss Europas gilt. Wie lange die Schweiz diesem Namen noch gerecht wird, sei allerdings dahingestellt. Schaut man sich die rasant fortschreitende Gletscherschmelze an (ich habe vergangenen Monat ausführlich darüber berichtet), könnte es allerdings nicht mehr allzu lange dauern, bis auch wir die Auswirkungen zu spüren bekommen.

Der vergangene Sommer sei erst ein kleiner Vorgeschmack gewesen, für das, was noch kommen soll. Denn bereits der kommende könnte trockener werden, sagen Forschende gegenüber SRF. Grund dafür sei der fehlende Niederschlag in den Bergen vom letzten Winter. Laut dem Hydrologe Massimiliano Zappa müsste es diesen Frühling überdurchschnittlich viel regnen oder schneien, um das Wasserdefizit zu entschärfen. «Zurzeit fehlen in den Bergen grossräumig etwa 200 mm Wasseräquivalent an Schnee. Das sind 200 Liter pro Quadratmeter», resümiert Zappa im Interview mit SRF

Um einen Umgang mit den Auswirkungen der zunehmenden Trockenheit zu finden, will der Bund ein Frühwarnsystem einrichten, das mehrere Wochen im Voraus aufzeigen soll, wenn sich eine kritische Situation anbahnt. Nur so könnten Landwirt:innen und Trinkwasserversorger:innen rechtzeitig Massnahmen ergreifen und Schäden vermeiden. Was zwar bereits im Mai letzten Jahres entschieden wurde, wird noch einige Jahre dauern, bis die Praxis davon profitieren kann. Der Plan des Bundesrats sieht vor, dass das Frühwarnsystem 2025 genutzt werden kann.

Scheinbar haben andere Länder noch nichts von dem Wandel im Wasserschloss gehört und stellen sich noch immer ein Herrschaftssitz im verschneiten Winterwonderland vor. Allen voran China. Wie der Blick schreibt, will der asiatische Staat nämlich eine unserer grössten Wasserreserven kaufen. Die Trinkwasserquelle «Mühlackern» im Wallis. Dass die Quelle ins Ausland verkauft werden soll, sorgt für einige rote Köpfe. «Alles wird ins Ausland verkauft, das hat man ja jetzt schon bei der Toblerone gesehen», zitiert die Zeitung einen 77-jährigen Anwohner. Es wäre «schon gut», wenn wir bei mehr Trockenheit im Sommer auf die vorhandenen Quellen zugreifen könnten. Das würde dann wohl nicht mehr gehen. Ob tatsächlich Unternehmer:innen aus China die Rechte der Quelle übernehmen, sei noch unklar – unterschrieben ist gemäss Blick noch nichts.

Foto: Screenshot Tages-Anzeiger/Marco Zanoni

Klimakopf des Monats: Andreas Fischlin

Vielleicht wird dir der Name Fischlin bekannt vorkommen. Vielleicht schaust du regelmässig die Tagesschau auf SRF und erinnerst dich: Franz Fischlin moderierte von 2004 bis 2022 die Nachrichtensendung. Doch heute soll es nicht um ihn gehen, sondern um seinen Namensvetter Andreas Fischlin. Dieser heisst zwar ähnlich, ist jedoch in einem ganz anderen Feld tätig.

Passend zum heutigen Themenschwerpunkt: Der ETH-Professor ist einer der führenden Schweizer Klimaforscher:innen und arbeitete als Vizevorsteher des Klimarats massgeblich an den IPCC-Berichten mit. Nun will er kürzer treten und wird kommenden Juni sein Amt niederlegen. Es sei Zeit, dass er für jüngere Kolleg:innen Platz mache, so der 73-Jährige im Interview mit dem Tages-Anzeiger.

In den 30 Jahren, in denen Fischlin als Vizevorsteher tätig war, sei viel passiert. Nicht nur Gutes. Beispielsweise kam es im Jahr 2010 zu einer fehlerhaften Aussage zum Abschmelzen der Himalaja-Gletscher. Ein gefundenes Fressen für Klimaskeptiker:innen. Die betroffenen Autor:innen hätten eine warnende Aussage fehlinterpretiert, erinnert sich Fischlin: «Ich selbst kam bei dieser Arbeit während eines halben Jahres an meine physischen Grenzen, schlief kaum noch, war total erschöpft. Ich wollte in meinem Kapitel ja keinen Fehler machen.» Es habe sieben Jahre gebraucht, bis der IPCC-Bericht seine Reputation wiederherstellen konnte. Viel schlimmer sei aber gewesen, dass die Klimapolitik unter dem Fehler gelitten habe: «Viele Jahre gingen dadurch verloren, die wir benötigt hätten, um mit einer breit abgestützten Klimapolitik weiterzukommen», so der Forscher. Spätestens seit dem Pariser Klimaabkommen von 2015 sei es wieder bergauf gegangen. Trotz den Fortschritten in der Forschung würde es auch heute noch viele Hürden zu meistern geben. Stichwort «Tipping Points», also jene Punkte, an dem ein Klimasystem unumkehrbar kippt. «Wir wissen, dass es sie gibt, aber leider oft nicht, wo genau sie sind.» Dabei wären sie laut Fischlin wichtig, um sich an die Veränderungen durch die Klimakrise anzupassen.

Der Klimaforscher will übrigens auch nach seinem Rücktritt seiner Leidenschaft nachgehen: «Ganz aufhören kann ich nicht.» 

Kurz & knapp:

  1. Der faule Handel mit CO2-Zertifikaten. Kannst du dich noch ans Klima-Briefing von Januar erinnern? Darin zitierte ich eine Recherche von der Zeit, der britischen Tageszeitung Guardian und des britischen Reporterpools Source Material, die aufdeckte, dass weltweit rund 89 Millionen Tonnen CO2-Einsparungen gefaked waren. Auch in der Schweiz werden CO2-Emissionen mit Zertifikaten kompensiert. Durch das Emissionshandelsystem (EHS) können Unternehmen, vereinfach gesagt, für jede Tonne CO2, die sie ausstossen, Emissionsrechte kaufen, um so von der CO2-Steuer befreit zu werden. Doch so gut das System auf Papier scheint, so scheinheilig zeigt es sich in der Praxis. Das bringen Berechnungen des Onlinemagazins Das Lamm zu Tage: Zum einen hätten Grosskonzerne in den letzten Jahren wenig bis nichts für ihre Umweltverschmutzung gezahlt, zum anderen entgingen dem Staat dadurch 2,9 Milliarden Franken. Der Clue an der ganzen Sache: Der Bund gibt Emissionsrechte auch gratis ab, damit Grossunternehmen nicht ins Ausland verschwinden. Zur mehrteiligen Serie zum Emissionshandel in der Schweiz, einer «Flatrate auf Monsteremissionen», gelangst du hier. Lesen lohnt sich!

  1. Verstösst die Schweiz mit ihrer Klimapolitik gegen die Menschenrechte? Dieser Frage musste sich letzten Mittwoch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg widmen. Über 2000 Frauen des Vereins «KlimaSeniorinnen» und vier Einzelklägerinnen verklagen die Schweiz, dass diese mit ihrer Klimapolitik ihr Leben gefährdet – und somit gegen das Menschenrecht verstösst. Meine Kollegin Lara Blatter hatte im Vorfeld mit Cordelia Bähr (sie wurde von mir auch schon zum Klimakopf des Monats gekürt) über den Fall gesprochen. Die Zürcher Rechtsanwältin begleitet die Klägerinnen bereits seit acht Jahren. Obwohl die Schweiz im Jahr 1992 die Klimarahmenkonvention unterzeichnet hat, seien die Emissionen seit den 90er-Jahren kaum gesunken, so Bähr im Interview: «Das alleine deutet darauf hin, dass die Politik ihre Aufgabe nicht gemacht hat.» Falls der EGMR die Beschwerde gutheisst, wäre das die erste Klimaklage auf europäischer Ebene, die Erfolg hätte. Ein Urteil werde allerdings erst Ende Jahr erwartet, berichtet das SRF.

  1. Die erste Velovorzugsroute in der Stadt Zürich wurde geboren – und soll dazu führen, dass mehr Menschen aufs Zweirad umsteigen. Ab sofort würden Velofahrende sicher auf 2,9 Kilometern von Altstetten in den Kreis 4 fahren können. Am 9. März wurde das Baby der Öffentlichkeit vorgestellt. Doch kaum auf der Welt, muss sich das Neugeborene Kritik anhören: Zu viel Durchgangsverkehr, schlechte Signalisation, kein konsequentes Durchsetzen von Einbahn-Abschnitten. «Die Umsetzung genügt den Vorgaben des Volksentscheids nicht», fasst der SP-Politiker Florian Utz, der die Vorlage einst ins Parlament brachte, zusammen. Die zuständige Stadträtin Simone Brander (SP) gab an der Eröffnung zu, dass dies nicht die «Super-Lösung» sei. Mit dem aktuellen Zustand sei erst Stufe zwei von drei erreicht. In einer dritten Phase würden grössere Umbauten geplant, die das Verkehrssystem grundsätzlich neu organisieren würden. Diese Phase beansprucht ab dem Moment der Planung mehr als fünf Jahre. Alle Beiträge von meinem Kollegen Simon Jacoby zur Velovorzugsroute findest du hier.

  1. Die Stadt Zürich soll grüner werden, um besser mit der Hitze im Sommer zurecht zu kommen. So will es die «Stadtgrün»-Initiative. Die Kosten für die Massnahmen sollten mit einem Prozent der jährlichen Steuereinnahmen gedeckt werden. Da dies jedoch gemäss der Stadt nicht erlaubt ist, hat die Regierung einen Gegenvorschlag ausgearbeitet. Dieser wurde vergangenen Mittwoch vom Stadtzürcher Parlament vorgestellt und von links-grün ergänzt, respektive in einigen Punkten abgeändert – zur Freude der Initiant:innen, dem Verein Stadtgrün. Wie mein Kollege Simon Jacoby aus dem Gemeinderat berichtete, wurde der Rahmenkredit von 83 Millionen Franken auf 130 Millionen erhöht, die über die nächsten zehn Jahre in vier Programme fliessen sollen. Ob die Initiant:innen ihre Initiative zugunsten des Gegenvorschlags zurückziehen, werden sie laut Medienmitteilung in den nächsten Wochen entscheiden. 

Bild: Migusto.Migros.ch

Rezept des Monats: Pulled-Jackfruit-Curry mit Jungspinat

Zutaten für 4 Portionen 
Zubereitungszeit: 45 min

Zutaten:

  1. 2 Dosen Jackfruit à 400 g
  2. 1 Zwiebel
  3. 3 Knoblauchzehen
  4. 1 Chilischote
  5. 3 EL Kokosfett oder Kokosöl
  6. 1 TL Fenchelsamen
  7. 2 TL Kreuzkümmel
  8. 2 EL milder Curry
  9. 1 Zimtstange
  10. 1 Dose Tomaten (Pelati) à 400 g
  11. 5 dl Gemüsebouillon
  12. ½ Limette
  13. Salz
  14. 100 g Spinat

Jackfruit in ein Sieb abgiessen. Mit Wasser abspülen und abtropfen lassen. Jackfruit in Streifen zupfen. Gut ausdrücken. Zwiebel, Knoblauch und Chili hacken. Jackfruit im Fett anbraten, bis sie etwas Farbe annimmt. Zwiebel, Knoblauch, Chili, Fenchelsamen, Kreuzkümmel, Curry und Zimt dazugeben. Kurz mitdünsten. Tomaten und Bouillon dazugiessen. Limette auspressen. Saft dazugeben. Alles circa 30 Minuten leicht köcheln lassen. Mit Salz abschmecken. Kurz vor dem Servieren Spinat dazugeben. Mitköcheln, bis er zusammenfällt und servieren. Dazu passt Basmatireis.

Die Good-News zum Schluss

Im Hinblick auf Netto-Null bis ins Jahr 2040 will die Stadt Zürich beim Thema Ernährung vorwärts machen: Immerhin fallen pro Person und Jahr in Zürich zwei Tonnen CO2-Emissionen alleine durch die Ernährung an. Aus diesem Grund hat die Stadt jetzt eine Charta eingeführt, die Gastronomiebetrieben helfen soll, ihr Angebot klimafreundlicher zu gestalten. Wie die Stadt in einer Mitteilungschreibt, wurde das Projekt von der Initiative healthy3.ch initiiert und wird vom Verband Gastro Stadt Zürich und der Stadt Zürich unterstützt. 50 Betriebe hätten die Charta als Erstunterzeichnete unterschrieben, das Ziel sei jedoch, dass sich noch mehr Gastronom:innen anschliessen würden.

Interessierte können sich von der Stadt auch beraten lassen, entsprechende Kurse besuchen und werden auf ihrem Weg finanziell unterstützt. «Wir sind überzeugt, dass wir mit der Charta und dem neuen Beratungsangebot die Zürcher Gastronomie auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit stärken und damit insbesondere bei den indirekten Emissionen einen wichtigen Beitrag zum städtischen Netto-Null-Ziel leisten können», so der Stadtrat Andreas Hauri. Es braucht schliesslich alle.

Event-Tipps

  1. 14.04. um 19 Uhr im Kulturpark Zürich West:Der Verein Klimastadt Zürich, VCS, Umverkehr, Pro Velo und der Fussgängerverein diskutiert zur Zukunft der Mobilität «Die Stadt neu denken: Wie schaffen wir in Zürich die Verkehrswende?»
  2. 18.04. von 18.30 bis 20 Uhr in der Stadtgärtnerei Zürich: Die Biologin und Projektleiterin von Grün Stadt Zürich führt dich durch das Projekt «Cool down Zurich» und erklärt, warum unsere Stadt mehr Pflanzen, Schatten und Wasser braucht.
  3. 19.04. von 17 bis 18.30 Uhr online über Zoom: Das Klimalabor der Republik lädt zum Austausch 1.0. «Ich stehe am Anfang meiner beruflichen Laufbahn und möchte möglichst viel bewirken fürs Klima. Was tun?»
  4. 21.04. von 18.30 bis 20 Uhr im Klimapavillon auf dem Werdmühleplatz: Wie können wir klimafreundlicher Reisen? Unter dem Motto «Shape Your Trip» kann man in einem Workshop lernen, wie das geht.
  5. 26.04. von 20.30 bis 22 Uhr online über Zoom: Das Klimalabor der Republik lädt zum Austausch 2.0. «Wie spreche ich mit meinen Kindern über die Klimakrise?»

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