Velounfall in Zürich: Rechts-abbiegende Lastwagen als Todesfalle - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Simon Jacoby

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2. Oktober 2022 um 15:00

Velounfall in Zürich: Todesfalle der rechts-abbiegenden Lastwagen

Schon wieder ist eine Velofahrerin bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen – innert drei Jahren bereits der fünfte Unfall dieser Art. Immer mit dabei: Ein rechts-abbiegender Lastwagen. Dieser Tod hätte verhindert werden können. Ein Kommentar von Simon Jacoby.

Die tragische Unfallszene beim Lochergut. (Bild: zvg)

Freitagabend gegen 17 Uhr. Eine Velofahrerin fährt beim Lochergut auf der Badenerstrasse Richtung Letzigrund. Bei der Verzweigung Badener-/Seebahnstrasse biegt ein Lastwagen nach rechts in die Seebahnstrasse ab. Der Betonmischer kollidiert mit der Velofahrerin, diese stirbt noch auf der Unfallstelle, wie die Stadtpolizei in einer Medienmitteilung schreibt. 

Ein tragischer Tod, der hätte verhindert werden können. Ein Blick auf die letzten drei Jahre zeigt, dass der Unfallhergang keineswegs zufällig ist. Rechts-abbiegende Lastwagen werden zur schwerverletzenden oder gar tödlichen Falle für Velofahrer:innen in Zürich:

  1. November 2019: Bei der Tramstation Hubertus kollidiert ein rechts-abbiegender Lastwagen mit einer Velofahrerin, die an den Folgen des Unfalls stirbt. 

  2. Ebenfalls November 2019: Bei der Kreuzung Schönegg-/Langstrasse kollidiert ein rechts-abbiegender Lastwagen mit einem Velofahrer, der schwere Beinverletzungen erleidet.

  3. Juni 2020: Bei der Badener-/Freihofstrasse kollidiert ein rechts-abbiegender Lastwagen mit einer Velofahrerin, die an den Folgen des Unfalls stirbt. 

  4. Mai 2020: Bei der Seebahnstrasse kollidiert ein rechts-abbiegender Lastwagen mit einer Velofahrerin, die schwere Beinverletzungen erleidet. 

  5. September 2022: Ein rechts-abbiegender Lastwagen kollidiert beim Lochergut mit einer Velofahrerin, die noch am Unfallort ihren Verletzungen erliegt. 

Wiederholt hat sich die Zürcher Bevölkerung an der Urne für sichere Velowege ausgesprochen. Zuletzt vor einem Jahr mit dem Ja zum neuen Richtplan, davor mit der Annahme der Initiative für durchgehende Velorouten. Zusätzlich zu den klaren Bekenntnissen bei Abstimmungen gehen monatlich tausende Velofahrende auf die Strasse, um an der Critical Mass ein Zeichen zu setzen. Nicht zu vergessen sind auch die regelmässigen Velo-Demonstrationen, welche mehr Platz und Sicherheit für Velofahrer:innen fordern. 

Dass trotz diesem klaren Wunsch und Auftrag der Zürcher Bevölkerung für bessere Infrastruktur noch immer Velofahrende auf der Strasse sterben müssen, ist für unsere Stadt ein Armutszeugnis – und verhinderbar. 

Die fehlenden Velowege sind einerseits dem jahrelang fehlenden Willen der Behörden und andererseits den langsamen Mühlen des Schweizer Bausystems geschuldet. Werden die Pläne für Velorouten ausgeschrieben, hagelt es fast sicher Einsprachen und Rekurse. Selbst die härtesten Auto-Kulturkämpfer:innen und Parkplatz-Liebhaber:innen dürften einsehen, dass Velofahrende die schwächsten Verkehrsteilnehmenden sind und deshalb solche tödlichen Unfälle wie jener vom vergangenen Freitag zu verhindern sind. 

So kommen wir nur langsam voran und die bisher umgesetzten Massnahmen schaffen es nicht, die tödliche Lastwagenfalle zu beheben. Was tun, damit keine Velofahrer:in mehr stirbt, bis die baulich abgetrennten und damit sicheren Velorouten gebaut sind? 

Eine Möglichkeit wäre, dass Lastwagen per sofort nicht mehr rechts abbiegen dürfen. Damit liesse sich der Tod von mehreren Velofahrenden jährlich verhindern. Seit einiger Zeit dürfen Velos bei bestimmten Kreuzungen auch bei rot rechts abbiegen, genauso gut liesse sich diese Richtung für LKWs verbieten. 

Oder: Bei Kreuzungen mit Ampeln erhält zuerst die Velospur grün, Lastwagen und Autos dürfen erst dann fahren, wenn die Velos wieder stehen müssen. Das Problem hierbei: Es mindert die Gefahr nur bei Kreuzungen mit Ampeln. 

Wie wärs mit etwas zivilem Ungehorsam?

Als Fussgänger freue ich mich nicht über die Velofahrer:innen, die auf dem Trottoir gelegentlich von hinten an mir vorbeisausen. Aber ehrlich gesagt verstehe ich alle, die um ihr Leben fürchten, wenn sie auf der Strasse fahren müssten. Als Akt des kleinen zivilen Ungehorsams und Widerstands könnten Velofahrer:innen auch auf den Trottoirs fahren, bis die Velowege sicher sind – vorsichtig natürlich, sodass sich Fussgänger:innen weiterhin in Sicherheit wähnen können. 

Alles, was weitere schlimme oder gar tödliche Unfälle mit rechts-abbiegenden Lastwagen verhindern kann, muss sofort umgesetzt werden. Jede tödlich verunglückte Person auf dem Velo ist eine zu viel und muss durch eine gute Verkehrsführung im Strassenbau verhindert werden. 

Dass es nur eine Frage von wenigen Monaten ist, bis es wieder zu einem ähnlichen Unfall kommen wird, lässt mich und viele andere Velofahrende traurig, wütend und ohnmächtig zurück. Was sollen wir denn tun?

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