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Von Laura Kaufmann

Redaktorin

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16. April 2020 um 14:47

Ein Monat Corona in 20 Schweizer Songs

Vor genau einem Monat, am 16. März 2020, hat der Bundesrat die ausserordentliche Lage beschlossen. Zum «Jubiläum» verrät dir Tsüri-Redaktorin Laura Kaufmann hier ihre 20 liebsten Corona-Songs von Schweizer Künstler*innen.

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Titelbild: Lil Bruzy/Youtube

1. Crimer – Hours

«And we ain't going nowhere tonight, we are losing our power, slaying the hours.»

Wir sind zum Drinbleiben verdammt. Keine Partys, keine Mexikaner-Shots im Gonzo beim Crimer-Konzert. Und so tanzt besagter Crimer im Video einsam und alleine zwischen Tulpen umher. Er schneidet sich danach tanzend selber mit der Maschine die Haare, wie es niemand anderes so stilvoll tun könnte. Es regnet Geld, während er auf weissen Kissen in einem leeren Raum liegt. Geld hat es für selbständige Musiker*innen bisher keines geregnet, doch Hours ist der perfekte Sound um in der Nacht alleine auf der Dachterrasse zu tanzen.

2. Gina Été - Mauern

«Hey, kannst du uns hören? Wir demonstrieren in der Stadt? Kannst du’s schon spüren, deine Zeit wird knapp! (...) ich wünsche uns, dass du nie mehr regierst, die Welt wär besser.»

Gina Été singt zwar auf Hochdeutsch, ist jedoch Schweizerin und beim Zürcher Label Lauter unter Vertrag. Es wird schnell klar, von welchem Staatsoberhaupt, das die Corona-Krise mehr schlecht als recht meistert, hier die Rede ist. Im Video, welches in Mexiko gedreht wurde, sieht man Szenen, die sich an der Grenze der USA abspielten. Was gerade in Griechenland an der Grenze Europas passiert, ist jedoch nicht viel weniger dramatisch. Mit der Kampagne evakuieren-jetzt fordern online knapp 30’000 Leute den Bundesrat zum handeln auf. Denn ja, auf die Strasse gehen und demonstrieren, geht momentan leider nicht.

3. Stereo Luchs - Balkon

«Ich bliben-ufem Balkon, ich glaub ich lueg hüt chli in Hof. Und ja, ich mues der zuestimme, wän’d seisch, machemer d Fläsche uf. Ich han kei Lösig hüt für gar nüt. Irgendöper eroberet d Wält hüt, aber mir nöd. Gahne maximal ad Tankstell hüt.»

Der Zürcher Sonntagssong schlechthin – auch in normalen Zeiten. Diese «Ode an Balkonien» ist der perfekte Soundtrack zum zuhause sitzen, Prosecco trinken und kiffen. Auch «Ziitreis» scheint sich momentan grosser Beliebtheit zu erfreuen, um in alten Zeiten zu schwelgen, jetzt wo man plötzlich wieder alte Freund*innen anruft.

4. SASA, KimBo, Sascha & Mer – Mir streiked!

«Mir verbünded eus. Mir streiked, fürenand, füre solidarischi Gsellschaft. Bildet ä Bandi über s ganze Land. Mir streiked, mir sind Schwöstere.»

Weil die schlechten Arbeitsbedingungen im Bereich der Care Arbeit während des Lockdowns mehr denn je sichtbar werden, passt der offizielle Song des Frauenstreiks 2019 perfekt zu Corona. Gerade weil aktuell nicht auf der Strasse demonstriert werden darf, weckt das Musikvideo des Frauenstreiks schöne Erinnerungen.

5. Loredana – ANGST

«Die Angst in euren Augen, ja ich seh’ das. (...) Fick die Bild Zeitung und die Blick Zeitung, und die 20 Minuten sucht wieder irgendeinen Grund. Nur um irgendwas zu schreiben, pack mein Bild auf Titelseite. Aber alles gut, solange eure Auflagen steigen.»

Nach DJ Bobo und DJ Antoine wohl einer der erfolgreichsten Schweizer Musik-Exporte der letzten 20 Jahre – man hasst oder liebt die Luzernerin. In ihrem Song mit dem zu Corona passenden Titel Angst, den sie Anfang März veröffentlichte, teilt sie gegen die (Schweizer) Medienwelt aus. Zurecht? Falls du gerade viel Zeit hast, hör dir dieses Interview an.

6. DAIF - Liebi i Ziite vo dä Mediekrise

«Baby schrib, was hesch hüt ah, Baby blib vor dä Kamera, Baby mach no ä Story uf Insta, lah eus tele-figge. Kenn di usem Chat, aber du bisch alles für mi. I bi so in Love mit dim Profilbild, mit dinere Nachricht und mit dinere Bio. I weiss nöd, öbmer IRL au chönted zeme sii.»

DAIF hat die Millennial-Liebeshymne 2020 geschrieben. Tinder und «be my quarantine» laufen momentan auf Hochtouren, weil wir dank Corona plötzlich wieder Zeit für so absurde Dinge wie Liebe haben. Viele Schweizer Medienhäuser haben während der Corona-Krise Kurzarbeit beantragt, doch Soforthilfe gibt es keine.

7. Dachs - Büzlä

«Büzlä vor de eigetä Hüttä, mir tünd dä Dräck id Wält usä schüttlä. Mit äm Schüfäli und äm Bäseli, sie säged: c'est la vie, sie säged: lueg uf di. Vo wäge die Wält sig am Änd, lueg mer händ ganz suberi Händ.»

Auch in Zürich gibt es fleissige selbsternannte Hilfspolizist*innen, die die Polizei auf Trab halten. Wir zeigen gerne mit dem Finger auf die anderen, die eben nicht zuhause bleiben. Der Videoclip ist zwar schon vier Jahre alt, doch ein ästhetisches Meisterwerk. Der bekannte Schweizer Schauspieler Max Rüdlinger fährt einen klapprigen Fiat Punto drei Minuten lang durch die Waschanlage, hört dazu ab Kassette Dachs und beisst am Ende ins Lenkrad. Marie Kondo-st du noch oder büzlisch scho?

8. Radio 200’000 – Im Huus

«Isch s Glatttal im Huus? Isch Winterthur im Huus? Isch d Pfnüselküste im Huus? D Goldküschte wämer nöd, Göldküschte wämer nöd, wil sie scho zu St.Galle ghört.»

Bleiben Sie zuhause. Bitte. Alle. Was passt da besser als begeistert «im Huus» mitzugrölen, wenn die eigene Agglo-Gemeinde (die wir insgeheim immer noch ein bisschen lieben) genannt wird? «St.Galler-Bashing ist die geheime Waffe der Zugezogenen aus der Zürcher Agglo, wenn sie mal wieder mit Minderwertigkeitskomplexen zu kämpfen haben», würde unsere Community-Redaktorin Seraina Manser wohl sagen.

9. Anna & Stoffner - Kei Wälle

«Ich glaub ich installier ä Überwachigskamera i minere Chuchi, demit ich wenigstens überwacht wird, besser als nüt. Ich surfe durs Netz, und gseh all diä Lüüt (...) und ich surfe und ich wünschti sie gsächted au mich, aber sälbscht wän, ich zapple ja gliich eifach vor mich hii.»

Man könnte es Flatten-the-Curve-Spoken-Word-Poesie nennen. Anna Frey machte schon immer ihr eigenes Ding. Kei Wälle wäre vor einem Monat wohl noch als dystopisch-apokalyptisch und abstrakt durchgegangen, doch plötzlich werden die experimentellen Songs auch für die breite Masse greifbar.
Es lohnt sich auch in die eineinhalb Minuten Systemkritik auf dem Track Us Freud reinzuhören. Dieser ist nämlich nicht auf dem neuen Album von Anna & Stoffner zu finden.

10. Bonaparte, Sophie Hunger, Les Soeurs Dion – Dene wos guet geit

«Dene wos guet geit, giengs besser, giengs dene besser, wos weniger guet geit. Was aber nid geit, ohni dass's dene weniger guet geit, wos guet geit.»

Keiner kann die Gesellschaft so kurz, knapp und treffend beschreiben wie Mani Matter. Dieses Lied sollten sich manche Politiker*innen und Wirtschaftsvertreter*innen mal wieder anhören. Das Original ist der Klassiker schlechthin für Zeiten, in denen wir mit sozial Schwächeren solidarisch sein sollten und wird noch heute in so manchem Klassenzimmer gesungen, wenn nicht gerade E-Learning angesagt ist. Mani Matter in einem Coversong gerecht zu werden – daran sind schon viele gescheitert – Bonaparte, Sophie Hunger und den Soeurs Dion ist es jedoch gelungen.

11. Lil Bruzy – Dolce Vita II

«Chan machä was ich wet, easy nice. Cha ufstah wän ich wet, easy nice. Shit, schowieder uf mim Eames Chair iipent, mis Läbe so wiä jede Tag Weekend. Läbe immerno das Dolce Vita, cha mi nöd beschwere, mir gahts prima.»

In der Villa auf dem Züriberg macht die Quarantäne einfach ein bisschen mehr Spass als in einer kleinen JUWO-WG oder Genossenschaftswohnung ohne Balkon. Lil Bruzy nimmt die High Snobiety in gewohnt lässigem Stil aufs Korn.

12. Bonaparte – Apotheker Apotheker

«Apotheker, Apotheker, draussen sein ist viel zu krass, gib mir etwas für den Vibe, etwas gegen den Hass. (...) Ist kein Gelbfieber, ist nicht Ebola, hab' ich alles getestet, HIV, Malaria. Der Doktor sagt, ist alles normal, ich sag: Hey Doktor! Schau mich an, ist nicht normal!»

Bonaparte ist noch immer eine der erfolgreichsten Schweizer Bands im deutschsprachigen Raum – auch dank einer Bühnenshow, an die so schnell niemand rankommt. Der Berner, der im coolen Berlin Fuss gefasst hat, hatte schon immer ein gutes Händchen für die Zukunft (siehe letztes Lied in dieser Liste). An dieser Stelle erwähne ich jeweils gerne die Anekdote meines Zürcher Kollegen, der in jungen Jahren nach Berlin auswanderte, um in der ersten Woche festzustellen, dass Bonaparte auch hier sind. Im Bandraum. Direkt über seiner Wohnung.

13. DAWILL - Tschädere

«I wet ke liebi vo dir, i wet tschädere, tschädere, tschädere, tschädere. Mini Zunge isch hie zum läcke u nid zum labere da.»

Beim Thema Sex und Schweizer Musik, stammt der grösste Hit nach «Sex und Röschti» wohl von DAWILL. So manches junge Schweizer Pärchen hatte schon einmal Sex zu seiner Ode an den Cunnilingus. Doch Jessica Jurassica kritisierte ihn zurecht für abstruse Aussagen auf SRF Virus und seinen neuen Song «Polyamorie».
Für diejenigen, die beruflich mit vielen Menschen Sex haben, ist es jedoch momentan alles andere als einfach. Die Frauenberatung der Stadt Zürich, die FIZ, Flora Dora und andere Zürcher Organisationen setzen sich jedoch nicht nur während des Lockdowns auf beeindruckende Art und Weise für die Zürcher Sex-Arbeiter*innen ein.

14. Kimbo – Scho No Geil

«Ich fahr mit mim Trotti dur d Gasse, Paparazzi mach äs Foti. Ich bi schono geil, schono geil, schono geil...»

Kimbo ist sowas wie die politische Zürcher Antwort auf DAWILL. Wenn du einen «systemrelevanten Beruf» ausübst, dann shake deinen Booty an deinem einzigen, freien Tag zu diesem Song. Ihr seid alle «schono geil» und vor allem habt ihr bessere Löhne und Arbeitsbedingungen verdient.
Das Video verkürzt übrigens die Zeit, bis wir (2021?) auf Flamingos und Einhörnern die Limmat hinab böötlen dürfen.

15. Faber – Die Tram ist leer

«Die Tram ist leer, ich bin voll. Ich falle in ein tiefes Loch und nichts zieht mich ho-o-o-o-o-och. Ich lieg mir selber in den Armen, ich wein mich selber in den Schlaf.»

Faber liebt dramatische Formulierungen und trifft mit seinen Zeilen den Nagel auf den Kopf. Wer das Tramfahren vermisst, kann sich in diesem Youtube-Video die Ansagen der 4er Linie durch den Kreis 5 und 4 anhören...einfach fürs Feeling. Und darüber sinnieren, was Menschen auf die Idee bringt, solche Videos zu produzieren (in Zeiten vor Corona).

16. IKAN HYU - Whatcha’ waitin’

«And I watch you waitin’, I watch you waaitin’ but tell me what you’re waitin’ fo-o-o-r!»

Zwei Musik-Multitalente, die vielleicht beste Gitarristin der Schweiz – IKAN HYU sind jedes Jahr wieder ein Festival-Highlight. Und haben auch mal an einem Tsüri-Fäscht eingeheizt. Zu diesem Lied können wir uns auf der Dachterrasse den Zürcher Festivalsommer und die Gratis-Konzerte in der Bäckeranlage zumindest vorstellen. IKAN HYU und andere Schweizer Bands kannst du übrigens hier mit dem Kauf eines Band T-Shirts und einem Soli-Beitrag supporten.

17. Stahlberger – Du verwachsch immer wieder nur i dinere Wohnig

«Du laufsch und laufsch und laufsch und laufsch e Ewigkeit, und denn verwachsch wider nume i dinere Wohnig. Vorem einte Fenschter schiffts, und vorem andere isch es sunnig.»

Kein Aufwachen am Strand. Kein Aufwachen in fremden Laken. Sondern immer wieder im eigenen Schlafzimmer. Manuel Stahlberger hat die Gabe, Alltägliches in schöne Worte zu fassen. Er erzählt von der Tapete im Zimmer, die irgendwann zu leben beginnt, wenn man sie zu lange anschaut. Das Lied ist zwar 6 Jahre alt, doch ist in Würde gealtert. So wie viele Lieder der St.Galler Band Stahlberger z.B. der Klassiker Rägebogesiedlig. Und bitte nicht erschrecken: Am Anfang des Videoclips hustet jemand in einem Wartezimmer.

18. Steff la Cheffe – Guggisbärglied

«S isch äben e Mönsch uf Ärde und i möcht bi-n'ihm si. Ha di no nid vergässe, ha ging a di dänkt, ging a di dänkt...»

Steff la Cheffe liefert die beste Interpretation des vielleicht schönsten Schweizer Volksliedes. Die Moll Klänge haben auch 250 Jahre später nichts an Schönheit eingebüsst und gehen direkt ins Herz. Ein Lied, das ich bereits als Kind liebte.

19. Luna Mwezi - Ich gibe nöd uf

«Heb mich fescht a de Sterne, um die Nacht nöd under zgah. Wän jede en Ballon het, mit Wünsch isch er gfüllt. Häsch du dine losglah, mine heb ich ganz fescht.»

Allen lustigen Memes, Live-Streams, Tinder und Gin Tonic zu trotz ist nicht immer alles Dolce Vita. Jede*r von uns hatte in den letzten vier Wochen bestimmt mal einen Moment, in dem man einfach traurig war, weinte und sich wünschte, dass alles vorbei ist oder Menschen im eigenen Umfeld Trost spenden musste. Bei diesem Lied handelt es sich um den Soundtrack zum Film «Platzspitzbaby» – gesungen von der Hauptdarstellerin. Der Song ist zwar etwas kitschig, doch er berührt mich jedes Mal von Neuem. Das vielleicht schönste Gute-Nacht-Lied für Zürcher Kinder. Und Luna Mwezi das grösste Schweizer Nachwuchs-Filmtalent seit Joel Basman. Mwezi wusste übrigens schon vor Corona, was selbständiges Lernen bedeutet. Während den Dreharbeiten, musste sie am Wochenende den verpassten Stoff nachholen.

20. Bonaparte – Quarantine

«Spending money you don’t have, to impress people you don’t like. (...) This ship is in quarantii-ine.»
Zum Abschluss der musikalische Banger schlechthin: Seltsam verkleidete Kreaturen fahren auf einem selbstgebauten Floss durch Berlin und singen den Song mit dem Titel Quarantine. Lustigerweise heisst das Album, auf welchem das Lied im Jahr 2012 erschienen ist «Sorry, we’re open». Mehr gute Zufälle kommen nicht mehr – höchstens die Polizei, weil sich deine Nachbar*innen über die laute Musik beschweren. Deshalb ist dies der letzte Song auf dieser Liste.

Die «extended Version» dieser Playlist findest du übrigens hier auf Spotify.

Kennst du selber Songs von Schweizer Musiker*innen, die perfekt zur Corona-Krise passen? Schreib sie uns in die Kommentare!

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