Mit dem Velo in Züri – Rechte, Pflichten, Fakten und Mythen - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Yann Bartal

Praktikant Redaktion

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15. Juni 2023 um 04:00

Mit dem Velo in Züri – Rechte, Pflichten, Fakten und Mythen

Zürich ist keine Velostadt. Fehlende Infrastruktur, unklare Signalisation und mangelnde Kenntnisse halten viele vom Fahrradfahren ab. Hier kommt der Tsüri-Guide, damit du selbstsicher in der Stadt unterwegs bist – auf dem Velo natürlich.

Urmel der Tsüri-Hund kennt seine Rechte. Du auch? (Foto: Yann Bartal)

Das Velo ist zweifellos das tollste Fortbewegungsmittel in der Stadt. Was gibt es Schöneres, als sich im Sommer nach der Arbeit aufs Fahrrad zu setzen, unterwegs noch ein paar Freund:innen aufzugabeln und dann gemeinsam an die Limmat zu fahren. Selbst wenn man nach Sonnenuntergang schon leicht einen sitzen hat, kommt man schnell wieder nach Hause.

Trotz all der Vorteile stagniert die Zahl an Velofahrer:innen auf Stadtzürcher Strassen. Wie Tsüri-Kolumnist Thomas Hug schreibt, ist der Anteil an Wegen, die mit dem Velo zurückgelegt werden, seit 2015 leicht gesunken. Fehlende Infrastruktur, wenig Platz auf den Strassen und eine aggressive Grundstimmung im Verkehr dürfte viele Zürcherinnen und Zürcher davon abhalten, mit dem Fahrrad unterwegs zu sein.

Auch dass auf dem Velo kein rechtsfreier Raum herrscht und man gleichzeitig als schwache:r Verkehrsteilnehmer:in gewisse Vorrechte hat, ist manchen zu wenig bewusst. Hast du dich auch schon gefragt, was dein gutes Recht ist, wofür du eine Busse bekommen kannst und was zwar erlaubt, aber gefährlich ist?

Höchste Zeit, dass wir kompetente Fahrradfahrer:innen werden. Hier kommt der Tsüri-Velo-Guide: Rechten, Pflichten, Fakten und Mythen.

Bahn dir deinen Weg

Beginnen wir mit dem Wichtigsten. Beim Überholen von Autokolonnen gibt es tragischerweise immer wieder schwere Unfälle. Doch ist es nicht gerade der Sinn vom Fahrradfahren in Zürich, dass man sich nicht in den Autostau einreihen muss? Folgendes gilt es dabei zu beachten:

  1. Rechts überholen: In einer stehenden Kolonne darfst du rechts überholen. Achte darauf, dass, sobald sich die Autos wieder in Bewegung setzen, du entweder vor oder hinter, aber nie neben einem Auto fährst – unter Umständen wirst du übersehen und das Auto biegt rechts ab.
  2. Links überholen ist verboten und gefährlich.
  3. Und überholen bei Lastwagen und Bussen? Solange uns das Gesetz nicht zusätzlich schützt, beispielsweise mit einem Verbot für LKWs innerorts rechts abzubiegen, lass es bleibenTodesfalle der rechts-abbiegenden Lastwagen.
  4. Bonus: Kennst du die Zusatztafel «Rechtsabbiegen bei Rot erlaubt»? Seit 2021 darfst du bei diesem Verkehrsschild nach rechts abbiegen, selbst wenn die Ampel rot ist.

Velovorzugsroute

Seit März hat Zürich eine erste Velovorzugsroute. Weisst du, was der grüne Streifen bei der Vorzugsroute bedeutet? Die Vorzugsroute erkennst du nämlich daran, dass sie grün markiert ist. Grün ist der Streifen deshalb, weil es sich um eine Vorzugsroute handelt. Gecheckt? Ich auch nicht.

Der grüne Streifen signalisiert die Velovorzugsroute. (Foto: Elio Donauer)

Die Idee ist grundsätzlich gut. Auf der Baslerstrasse über die Bullingerstrasse bis zur Höhe Seebahnstrasse soll das Velo von Vortrittsberechtigung, breiten Velostreifen, einer klaren Markierung und Tempo 30 profitieren. Doch leider ist die Route bisher alles andere als vom Autoverkehr befreit.

In den kommenden Jahren soll in der Stadt ein Vorzugsroutennetz von insgesamt 130 Kilometern entstehen. Gegen die meisten Bauvorhaben wurden aber Rechtsmittel ergriffen. Bis zu einer vollständigen Umsetzung der Volksinitiative «Sichere Velorouten für Zürich» werden wir uns alle noch gedulden müssen.

Hier findest du weitere Beiträge zur ersten Zürcher Veloroute:

  1. Die erste Zürcher Veloroute: Was sollen diese grünen Streifen?
  2. Das Velo zu Gast auf seiner eigenen Vorzugsroute

Know your Bussenkatalog

Mark Hourgaard Jensen, CC BY-SA 2.0

Hier darfst du. (Foto: Mark Hourgaard Jensen, CC BY-SA 2.0)

Wenn ich etwas von meinem Vater gelernt habe, dann ist es, den Bussenkatalog im Hinterkopf zu behalten. Womit kommt man gerade noch durch und ab wann wird's teuer?

(Selbstverständlich solltest du dich immer an alle Verkehrsregeln halten. Was du mit diesen Infos machst, ist dir überlassen.)

  1. Fahrradsünde Nr. 1: Unerlaubtes Befahren des Trottoirs. In Zürich wurden deswegen im vergangenen Jahr 1633 Bussen verteilt. Kostenpunkt: 40 Franken. Aber Kinder bis 12 Jahre dürfen seit 2021 auf dem Trottoir fahren.
  2. Fahrradsünde Nr. 2: 1555 Menschen wurden gebüsst, weil sie über Rot gefahren sind. Nichtbeachten eines Lichtsignals kostet 60 Franken. Jeder letzte Freitag im Monat ist aber ein guter Moment, um sicher über Rot zu fahren. Denn an der Critical Mass fährst du ab 10 Personen im Velozug. Wenn dann die Ampel auf Rot stellt, fährt der Zug trotzdem geschlossen weiter.
  3. Ohne Licht fahren, gehört ebenfalls zu den Bestsellern des eidgenössischen Bussenkatalogs. 40 Franken bei beleuchteter, 60 Franken bei unbeleuchteter Strasse. Wie du auf dem Fahrrad richtig leuchtest, erfährst du weiter unten.
  4. Beim Stoppschild nicht vollständig anhalten – tatsächlich wird der sogenannte Rollstopp auch rege mit 30 Franken gebüsst.
  5. Unerlaubtes Mitführen einer Person kann dich 20 Franken kosten. Die Busse lässt sich also gut durch zwei aufteilen.
  6. Auch wenn du dich von einem anderen Verkehrsmittel ziehen lässt, beträgt die Busse 20 Franken.
  7. Weiterhin ist nebeneinander Fahren verboten und wird mit 20 Franken geahndet. Auch hier ist die Ausnahme der geschlossene Verband von mehr als zehn Fahrrädern – hallo Critical Mass.
  8. Acht Mal wurde 2022 wegen Verweigern des Vortritts von Fussgänger:innen eine Busse von 40 Franken ausgesprochen. Richtig so – Fussgänger:innen haben in der Hierarchie der Verkehrsteilnehmenden am meisten Rücksicht verdient.
  9. Den kompletten Bussenkatalog findest du hier.

Es werde Licht

«Fahren ohne Licht bei beleuchteter Strasse nachts» ist das vierthäufigste Vergehen bei Velofahrenden. 630 Mal wurden deswegen 2022 in der Stadt Zürich Bussen ausgestellt. Was braucht es also genau? Bringen wir Licht ins Dunkle:

  1. Rechtlich brauchst du in der Nacht und bei schlechter Sicht vorne ein weisses und hinten ein rotes ruhendes Licht. Ruhend bedeutet, dass es nicht blinken darf.
  2. Vorne, hinten und an den Pedalen brauchst du Reflektoren. Ja, wirklich...
  3. Bonus: Die «gut hörbare Glocke» ist nicht mehr obligatorisch. Aber schon sehr praktisch, oder? 

Wo ist mein Platz?

In der Schweiz gilt das Rechtsfahrgebot. Pro Velo Schweiz empfiehlt in Absprache mit dem Bund vom rechten Strassenrand und auch von Linien einen Abstand von mindestens 70 Zentimeter einzuhalten. Entlang stehender Autos ist besondere Vorsicht geboten. Abweichen vom Rechtsfahren darf man in Kreiseln und in Linksabbiegespuren.

Die Strassen Zürichs sind eng. Mehr Platz fürs Velo wird gefordert. (Foto: Tsüri.ch)

  1. Fahre mit dem Velo nicht ganz am Strassenrand. So wirst du besser gesehen und kannst, wenn du zu knapp überholt wirst, auch noch nach rechts ausweichen.
  2. Wenn ein Fahrradweg oder -streifen vorhanden ist, muss dieser auch befahren werden. Ansonsten droht eine Busse von 30 Franken. Hier findest du die besten Velowege.
  3. Leider hat es oft nicht genügend Veloabstellplätze, deswegen gilt: Die Stadt ist dein Veloparkplatz. Fahrräder dürfen, wo nicht anders signalisiert, auf dem Trottoir abgestellt werden, sofern für Fussgänger:innen mindestens 1,5 Meter Platz bleibt.
  4. Übrigens: Autofahrende müssen beim Überholen «ausreichenden» Abstand zum Fahrrad halten. Damit steht die Schweiz wieder einmal ziemlich alleine da – die meisten unserer Nachbarländer kennen einen gesetzlichen Mindestabstand. Bis sich das endlich ändert, gilt «Abstand ist Anstand».

Velo-Surround-Sound

Mit dem Fahrtwind im Gesicht, die Arme ausgebreitet und mit Musik in den Ohren Fahrrad fahren. Das ist vielleicht ein schönes Bild, aber vor allem eins: gefährlich.

  1. Musik hören auf dem Velo? Einfach Nein. Auch wenn es kein explizites Verbot gibt, raten Fachleute dringend davon ab, beim Radeln die Kopfhörer aufzusetzen. Trams, LKWs, fehlende Fahrradwege – die Stadt Zürich ist schon genug gefährlich.
  2. Auch während der Fahrt mit einer Hand noch den Wocheneinkauf aus der Migros zu tragen, ist unnötig riskant und auch verboten. Loslassen der Lenkvorrichtung kann dich 20 Franken kosten.

Velo-Hünd sind Fründ

Immer wieder sieht man vierbeinige Beifahrer im Fahrradkorb. Doch ist das überhaupt erlaubt?

  1. Ja, Tiere gelten als Ladung und müssen entsprechend gesichert sein.
  2. Damit dein Hund, Leguan oder Erdmännchen nicht überraschend ausbüxt, empfiehlt es sich, einen speziellen Korb oder Anhänger zu benutzen.

Eher zu gross für den Fahrradkorb – Urmel geht lieber zu Fuss. (Foto: Yann Bartal)

Endgegner Langstrasse

Die Langstrasse ist ein hartes Pflaster. Auch aus Sicht der Fahrradfahrer:innen. Viel zu wenig Platz, ein einseitiges Fahrverbot und Fahrradwege, die ins Nichts münden. Seit Jahren wird am Flickenteppich Langstrasse gebastelt. Pro Velo hat eine Chronologie der Misere zusammengestellt.

Nun soll endlich eine fahrradfreundliche Lösung für die Hauptachse vom Kreis 4 in den Kreis 5 entstehen. Bis Ende November 2023 sollen weitere Veloparkplätze entstehen und tagsüber dürfen nur noch Busse, Taxis und Fahrräder die Langstrasse befahren. Ich bleibe vorsichtig optimistisch für das Projekt «Autoarme Langstrasse».

Wie lange gehts noch, bis die Langstrasse «autoarm» wird? (Foto: Elio Donauer)

Mit dem Velo ins Tram

Klar, wir machen grundsätzlich alles mit dem Fahrrad. Wenn man aber einen Platten hat, oder man zum Zoo rauf fahren muss, ist das Tram als Mitfahrgelegenheit sehr verlockend. An meiner Schule gab es das Gerücht, dass das Fahrrad im Tram gratis mitfährt, wenn das Vorderrad abmontiert ist. Seit Jahren frage ich mich, ob dieser Trick wirklich funktioniert. Wir haben bei der VBZ nachgefragt. Spoiler: Nope.

  1. Ob für das Velo ein Billett benötigt wird, hängt davon ab, ob es als Handgepäckstück oder als Velo transportiert wird: Ein Handgepäck wird im öffentlichen Verkehr unentgeltlich befördert, das Velo nicht.
  2. Wenn das Velo in einer Kiste in seine Einzelteile zerlegt ist – unter den Bedingungen des Handgepäcks – gilt es nicht als Velo. Wenn es nur leicht demontiert ist, ist es noch ein Fahrgerät.
  3. Velos mit demontiertem Vorderrad gelten nur als Handgepäck, wenn sie vollständig (mit dem Vorderrad) in einer spezialisierten Tragtasche verpackt sind.
  4. Schade. Aber wenn du das nächste Mal das Fahrrad in den öffentlichen Verkehr nehmen willst, kannst du eine solche Tasche beim VCS ausleihen.

Trunkenheit am Lenker

Egal, welche Tätigkeit – nüchtern geht es eigentlich immer besser. Das gilt auch beim Fahrradfahren. Laut Pro Velo Schweiz ist bei rund 19 Prozent der selbstverschuldeten, schweren Alleinunfälle auf dem Velo Alkohol im Spiel.

  1. Der Grenzwert ist wie beim Autofahren bei 0,5 Promille. Ab dann droht eine Busse.
  2. Ab 0,8 Promille gilt Grobfahrlässigkeit. Das Strassenverkehrsamt kann ein Velo-Fahrverbot aussprechen.
  3. Ab wann und für wie lange ein Fahrverbot gilt, kann nicht pauschal gesagt werden. Das Strassenverkehrsamt gibt auf Anfrage an, dass in jedem Einzelfall die Gesamtumstände geprüft werden: Gefährdung, Verschulden, Verkehrsregelverletzungen, Verkehrssituation etc.
  4. Spätestens ab einer Blutalkoholkonzentration von 2,5 Promille wird eine verkehrsmedizinische Fahreignungsabklärung eingeleitet. Im Fall eines negativen Fahreignungsgutachtens wird der Führerausweis entzogen (falls vorhanden).
  5. Bei der Bemessung der Strafe werden Velofahrende tendenziell jedoch weniger streng behandelt, weil sie sich vor allem selber gefährden. Bei einem Unfall unter Alkoholeinfluss drohen aber Versicherungskürzungen.

Bonus: Utopie Gleisüberquerung

Momentan kommt man mit dem Fahrrad von der einen Seite der Gleise nur via Langstrassenunterführung und über die Hard- und Duttweilerbrücke auf die andere Seite. Der Negrellisteg lädt zwar zum Verweilen ein, ist aber wegen des Lifts keine effiziente Route. In den kommenden Jahrzehnten sind weitere Gleisquerungen geplant. Solche Projekte können Jahrzehnte dauern, oder werden nie umgesetzt, aber manchmal muss man auch Träume haben – besonders als Velofahrer:in der Stadt Zürich.

Visualisierung der Rampe Sihlquai. (Foto: zvg.)

  1. Es ist zum Greifen nahe. Bis Herbst 2024 entsteht ein Velotunnel unter dem Hauptbahnhof. Er verbindet direkt die Kasernenstrasse mit dem Sihlquai.
  2. Auch die Verlängerung des Lettenviadukts wird immer realistischer. Verkündete im Jahr 2010 das Tiefbauamt noch eine Fertigstellung Ende 2016, ist inzwischen frühestens 2028 mit einem Baubeginn zu rechnen. Die Brücke würde dann vom Wipkinger-Viadukt im Kreis 5 über die Gleise zum kantonalen Polizei- und Justizzentrum im Kreis 4 führen. Wie toll wäre das denn?
  3. Schliesslich ist die Gleisquerung Flurstrasse noch definitiv Zukunftsmusik. Der Planungshorizont der Direktverbindung vom Einkaufszentrum Letzipark zum Stadion Hardturm wird laut NZZ im Antrag des Stadtrats als «langfristig» angegeben.
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