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3. Februar 2019 um 05:00

Zürich stimmt ab: Wassergesetz, Neubau Alterszentrum und Energieverbund

Ein Alterszentrum soll neu gebaut werden und ein Energieverbund entstehen: Darüber stimmen wir in der Stadt Zürich am 10. Februar 2019 ab. Wir erklären, um was es in den zwei Vorlagen geht. Und für einmal sprechen wir auch über eine kantonale Vorlage: Das Wassergesetz.

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Vorlage 1: Neubau Alterszentrum und Wohnsiedlung Eichrain, Quartier Seebach, Objektkredit von 131,91 Millionen Franken

In dieser Vorlage stimmen wir über den Objektkredit von 131,91 Millionen Franken für den Bau eines Alterszentrums und einer Wohnsiedlung in Seebach ab. Das Alterszentrum bietet 122 Personen Platz und kostet 64 Millionen Franken. Zusätzlich entstehen in der Siedlung gemeinnützige Wohnungen für rund 400 Personen. Kostenpunkt: etwa 68 Millionen Franken.

Alle sind dafür, ausser die SVP. Diese hat aber für einmal immerhin eine valable Begründung: Die Einheit der Materie sei bei dieser Vorlage geritzt. Die SVP stösst sich daran, dass wir als Stimmvolk in einer Vorlage über zwei verschiedene Dinge abstimmen, welche miteinander nicht allzu viel zu tun hätten: Ein Alterszentrum und gemeinnützige Wohnungen. Die SVP fordert daher zwei voneinander unabhängige Abstimmungen. Die Stadt hält dem entgegen, dass alles auf demselben Gelände gebaut wird, der bürokratische Aufwand viel grösser wäre und die Wohnsiedlung als «Lärmriegel» für das Alterszentrum diene, welches ansonsten nicht gebaut werden könnte.

Die Tsüri-Redaktion empfiehlt mit 8:0 Stimmen, diese Vorlage anzunehmen.

Vorlage 2: Energieverbund Altstetten und Höngg-West, Objektkredit von 128,7 Millionen Franken

In der zweiten Vorlage stimmen wir darüber ab, ob in Altstetten und Höngg für 128,7 Millionen Franken der «Energieverbund Altstetten» entstehen soll. Dieser soll gereinigtes Wasser aus dem Klärwerk Werdhölzli als Energiequelle nutzen und 30'000 Haushalte per Fernleitungen mit Wärme (oder im Sommer mit Kälte) versorgen. [...] Die Energiegewinnung findet wie folgt statt: Sechs umliegende Gemeinden lassen ihr Abwasser im Klärwerks Werdhölzli säubern. Das Abwasser ist dabei ungefähr 10 bis 20 Grad warm. Dem warmen Wasser wird die Wärme entzogen, welche als Energiequelle für Wärmepumpen dient. Diese wiederum erzeugen Wärme oder Kälte, welche per Fernleitungsnetz zu den Kund*innen geliefert wird.

Es würde sich also um erneuerbare lokale Energie handeln. Betrieben wird der Verbund vom Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (ewz), die Teilnahme der Haushalte ist freiwillig. Am Ende sollen jährlich bis zu 13 Millionen Liter Heizöl eingespart und die CO2-Emissionen um rund 30'000 Tonnen vermindert werden. Damit würde ein grosser Schritt in Richtung 2000-Watt-Gesellschaft getan. Als Beispiel wird in der Abstimmungszeitung das Hallenbad City hinzugezogen, dessen Becken man mit dieser Anzahl Liter Öl 6.5 Mal füllen könnte. Dieser Vergleich ist zwar nett gemeint, schliesslich werden wir uns aber wahrscheinlich auf Folgendes einigen können: Es ist ziemlich viel.

Auch hier sind wieder alle dafür, ausser die SVP. Ihre Begründung ist, dass sich die Stadt mit diesem Projekt «erneut in ein Hochrisikogeschäft» stürze. Zitat: «Die SVP bezweifelt, dass ohne staatlichen Zwang genügend Konsumentinnen und Konsumenten freiwillig diese Energieform beziehen werden, da sie teurer ist als Gas und Heizöl».

Die Tsüri-Redaktion empfiehlt mit 8:0 Stimmen, diese Vorlage anzunehmen.

Ausnahmsweise widmet sich diese Artikel-Reihe für einmal auch einer kantonalen Vorlage. Weil in der Stadt nichts los ist und weil die Abstimmung um das Wassergesetz Konfliktpotenzial birgt.

Kantonale Vorlage zum Wassergesetz

Das jetzige Wassergesetz im Kanton Zürich ist veraltet. Es ist in zwei Gesetzen geregelt, deren Entstehung bis in die 1960er-Jahre reicht. Zwei veraltete Gesetze werden in ein neues modernes Regelwerk gegossen – soweit, so unspektakulär. Nun ist Wasser aber das Elixier des Lebens, also überlebensnotwendig für den Menschen. Nicht zuletzt ist deswegen der Zugang zu sauberem Trinkwasser Menschenrecht. Kurz: Wasser geht uns alle etwas an. Es ist also der perfekte Nährboden für Grundsatzdiskussion, speziell wenn wir uns im Wahljahr befinden und jede*r Politiker*in ihren Standpunkt nochmals extra deutlich machen muss.

Es hat sich eine hitzige Debatte über die Vorlage entwickelt – inklusive jenseitiger Angriffe der SVP. Bei über hundert Paragrafen haben sich folgende Diskussionspunkte besonders stark hervorgetan: Der Hochwasserschutz, die Nutzung von Seeufern, der Schutz von Flüssen und Bächen vor Verunreinigungen und die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung. Bei all diesen Streitpunkten geht es übergeordnet um die Frage, ob man das Wassergesetz eher für das öffentliche allgemeine Wohl auslegen will oder eher für private Individualinteressen. Am meisten zu reden gab dabei die Trinkwasserversorgung, weshalb wir die Diskussion anhand dieses Punktes erklären.

Das neue Wassergesetz will, dass private Investor*innen die Möglichkeit haben, Minderheitsbeteiligungen (höchstens 49 Prozent) an der Wasserversorgung einer Gemeinde zu besitzen. Die Gemeinde würde aber jederzeit die Mehrheitsbeteiligung halten sowie über mindestens zwei Drittel der Stimmrechte verfügen. Es dürfen zudem keine Gewinne erzielt werden. So steht es in der Abstimmungszeitung des Kantons. Das «Nein»-Kommittee schreibt hingegen auf der eigenen Webseite: «Private investieren nur, wenn sie Rendite erzielen. Den Preis dafür zahlt die Bevölkerung mit höheren Kosten oder schlechterer Wasserqualität. Das zeigen die Erfahrungen im Ausland.»

Die Erfahrung aus dem Ausland mag das zeigen, ja. Dass man einer gewinnorientierten Privatisierung aber mit dieser Vorlage Tür und Tor öffnet, ist ein wenig zu hoch gegriffen. Das würde wohl mindestens eine weitere Abstimmung bedingen. Nicht falsch verstehen: Niemand würde wohl sein Trinkwasser nur noch von Coca-Cola beziehen wollen. Aber soweit käme es mit der Annahme der Vorlage noch lange nicht. Es stellt sich trotzdem die Frage: Will man das öffentliche Gut Wasser auch nur zu einem Teil privaten Anbieter*innen verkaufen?

Die Tsüri-Redaktion empfiehlt mit 10:0 Stimmen, diese Vorlage abzulehnen.

Titelbild: Marco Büsch

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