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14. Oktober 2018 um 07:10

So findet man Trüffel in der Stadt Zürich

Thierry Garzotto ist Architekt, doch in vier Jahren hat er sich ein zweites Standbein aufgebaut. Während rund 20 Stunden pro Woche sammelt er mit seiner Hündin Emma zusammen Trüffel in der Stadt Zürich.

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Die ganze Trüffel-Expedition startet im Kafi Lang. Thierry Garzotto packt aus seinem Rucksack eine Menge wunderlicher Werkzeuge: Eine Ahle, eine Raffel, ein scharfes Schneidwerkzeug und eine runde Bürste. Er erklärt die verschiedenen Werkzeuge, wie man die Trüffel putzt, schneidet oder raffelt. «All das braucht man, um eine richtige Trüffelmahlzeit zuzubereiten. Macht man das nicht richtig, nützt die beste Trüffel nichts.» Was man beim Kochen noch alles falsch machen kann, dazu später mehr. Nun ist keine Zeit, denn Emma, Garzottos Trüffelhündin, zerrt bereits ungeduldig an der Leine.

Doch sieht man in ihr liebliches Gesicht voller Locken, kann man Emma die Ungeduld nicht übel nehmen. Garzotto gibt nach, packt alle Geräte inklusive der spitzen Hacke ein. Seine Hände erinnern nicht als Erstes an die eines Architekten, der er noch bis vor vier Jahren ausschliesslich war. «Doch dieser Beruf war viel zu eintönig und stressig für mich», sagt er. Seit er nur noch 50 Prozent arbeite und an die 20 Stunden pro Woche trüffele, gehe es ihm physisch sowie psychisch viel besser, so Garzotto.

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Diese Werkzeuge braucht Thierry Garzotto, um den Trüffel zuzubereiten.

Er packt die Leine und geht Richtung Strasse. Doch er nimmt nicht etwa den 32-er Bus Richtung Käferberg in die Natur hinaus, sondern das 17-er Tram. Emma wird zusehends nervöser. «Sie spürt, dass wir bald da sind», so Garzotto. Die Rasse «Lagotto Romanolo» gehört zu den bekanntesten Trüffelhunden. Sie kommt ursprünglich aus Italien und hat das Trüffelschwein weitestgehend verdrängt.

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Der italienische Lagotto Romagnolo Emma wartet bereits ungeduldig auf seinen Einsatz.

Seit 1982 sind Trüffelschweine in Italien verboten, weil sie mit ihrer Nase den Boden aufgewühlt und dadurch der Natur geschadet haben. Ausserdem war die Trüffelsuche mit Schweinen auch sehr gefährlich, weil sie die Trüffel selber essen wollten und dadurch die Trüffelsucher*innen gefährdet haben. Zudem sind Schweine viel stärker und weniger zahm als Hunde. Lange galt Italien als die Trüffelnation schlechthin. Erst vor 12 Jahren wurde offiziell anerkannt, dass es auch in Zürich Trüffel hat. Als einer gefunden wurde, glaubten die Pilzkontrolleur*innen der Finderin erstmal nicht.

Trüffel mitten in Zürich

Am Hardturm ist Endstation. «Trüffel wachsen sehr gut in Parks», sagt Garzotto. Erschütterungen durch Passanten, herbizidfreie Orte und lichte Laubbäume sind gut für das Trüffelwachstum. Auch bestimmte Bäume wie Buchen, Eichen, Föhren, Haselnuss oder Linden begünstigen die Trüffel. «Aber unter Ahorn muss man beispielsweise gar nicht erst suchen», so Garzotto. Dies habe mit dem PH-Wert der Erde um die Bäume zu tun.

Emma zieht in die Richtung einer Eiche auf der ersten Erhebung. Sie schleift ihren Garzotto beinahe hinter sich her, so gierig ist sie auf die Trüffel. «Suech’s Trüffeli», animiert Garzotto die Hündin. Das lässt sie sich nicht zweimal sagen. Sie schnuppert. Da, einmal scharrt sie kurz mit der rechten Pfote über den Boden und schaut dann fragend zu Garzotto auf. Dieser schiebt sie zur Seite, packt die kurze Hacke und sticht in die Erde. Wenige Zentimeter unter der Erdoberfläche wird er fündig. Ein runder wenig zerfurchter fünflibergrosser Knollen liegt in seiner Hand. «Eine Herbsttrüffel – lateinisch, ein Tuber Uncinatum», benennt Garzotto die Trüffel.

Emma sucht nach Trüffeln in der Nähe des Hardturms.

Die Sorte mit lateinischem Namen zu kennen, wirkt nicht nur kompetent – bei Trüffelprodukten ist es gar die einzige Garantie, um zu bestätigen, dass wirklich Trüffel in einem Produkt drin ist. Seit das synthetische Trüffelaroma entwickelt worden ist, findet dieses in vielen Produkten und Gerichten Verwendung. Doch wo Trüffel draufsteht, ist noch lange nicht immer Trüffel drin. Die meisten Trüffelöle sind etwa mit komplett synthetischer Trüffel hergestellt, doch in ihrem Geschmack sind sie kaum von echter Trüffel zu unterscheiden. Auch andere Trüffelfälschungen kann man kaum entlarven.

Trüffel zu kaufen, ist folglich eine Vertrauenssache: «Manchmal werden die verhältnismässig billigen China-Trüffel etwa für 80 Franken das Kilo als teure Périgord-Trüffel zu einem Preis von 3’000 Franken verkauft», sagt Garzotto. «Nur ein Test unter dem Elektronenmikroskop könnte diesen Betrug aufdecken». Er selbst hat nur noch wenige Trüffelhändler in Zürich, denen er vertraut. Und noch weniger Trüffelrestaurants, in denen er einkehrt: «Die meisten kochen nur mit Trüffelöl und schaben zum Schluss einfach ein wenig Trüffel über die Pasta. Da könnten sie gleich Marroni drüber streuen»,sagt Garzotto.

An der rohen Knolle ist nämlich nicht viel, was an einen kulinarischen Höhenflug erinnern würde. Die Trüffel schmeckt erdig und für die meisten nicht besonders gut. «Ich hatte zweimal Trüffel, bevor ich selbst anfing zu suchen», sagt Garzotto. Doch an der Pasta von damals war maximal Trüffelöl dran und dass der Kellner danach noch eine Trüffel mit der Reibe über das Gericht verteilt hat, habe das Ganze nicht besser gemacht, im Gegenteil: «Es war widerlich. Gleichzeitig war ich fasziniert, irgendetwas musste doch an der traditionsreichen Knolle sein.» So machte er sich auf die Suche.

Das Erfolgsrezept des Trüffelns

«Doch das erste Jahr war harzig, ich habe nicht eine einzige Trüffel gefunden.» Stattdessen habe er einen Trüffelkurs nach dem anderen gebucht. Emma sei begeistert durch den Wald gerannt, aber habe ausser Spass nichts zwischen den Bäumen gefunden. Erst der dritte Kurs habe ihm das richtige Erfolgsrezept beigebracht. Damit man gute Trüffel findet, sei es wichtig, dass der Hund an der Leine ist. Danach müsse sich der*die Trüffelsucher*in nach kahlen Stellen, sogenannten brûlés, unter den Bäumen umsehen. Zuletzt noch das Wichtigste, man müsse das Myzel, ein fadenförmiger und kaum sichtbarer Pilz, beachten. Dieser ernähre nämlich die Trüffel.

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Herrchen und Hund arbeiten eng zusammen: Findet Emma keinen Trüffel, beginnt sie zu winseln.

«Das Myzel überlebt aber nur so lange, wie ein Fisch an Land überlebt», sagt Garzotto und deckt das eben entstandene Loch schnell wieder zu. Zum Schluss breitet er noch ein wenig Laub über der Stelle aus, aus der er soeben die Trüffel geholt hat. Kaum eine Handbreit daneben findet sich ein anderes Loch und daneben wieder eines. Schaut man genauer hin, ist die Anhöhe eine einzige Mondlandschaft. «Das kommt davon, wenn man die Hunde einfach wild graben lässt», sagt er und füttert Emma mit einer Tube LeParfait. Sie wedelt mit dem lockigen Schwanz, ihr Job ist getan.

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Leckerli für die Hündin: Emma erhält eine Belohnung für den gefundenen Trüffel.

Diesen Platz besucht er auch, wenn er einen seiner Trüffel-Kurse mit Interessierten und ihren Hunden durchführt. «Doch das war einer der einfachsten Orte», so Garzotto. In seinen Kursen zeige er den Teilnehmer*innnen auch unscheinbarere Stellen. Etwa eine Haselnussstaude neben einem Fussballplatz oder eine Buche, die eine eindeutige brûlé über den Wurzeln aufweist. Kaum hat Emma die Stelle gefunden, weiss Garzotto jedoch, hier kann keine Trüffel verborgen sein: Über der Fundstelle vom letzten Jahr wuchern die Brennnesseln. Tatsächlich, Emma beginnt leise zu winseln und zieht in Richtung Weg zum nächsten Ort.

Die speziellsten Trüffel landen in der eigenen Pfanne

«Manche denken, es sei doof, meine Konkurrenz mit Kursen zu fördern». Doch Garzottos Ziel sei vielmehr, ein verantwortungsvolles Trüffeln zu kultivieren. Damit es weder zu solchen Kraterbildern kommt, noch zu massenweise verwüstetem Myzel und schon gar nicht zu Gerichten, die mit einer rohen Trüffel garniert werden. Denn Garzotto weiss: «Trüffel ist lipophil, das heisst, sein Geschmack kommt erst in der Verbindung mit Fett zur Entfaltung.» Entsprechend bringe es nichts, wenn man ihn einfach so roh esse. Zudem lernen die Teilnehmer*innen die Hunde an der Leine zu führen und Gegner der Trüffel, wie etwa die Brennnesseln, auszureissen.

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Eine frisch aus der Erde gegrabene Trüffel.

Emma ist mittlerweile müde. Am letzten Ort der Trüffeltour, einer Wohnsiedlung mit Spielplatz, mag sie kaum mehr suchen. Das sei nach jedem Trüffelausflug so, dann liege sie jeweils ganz erschlagen zu Hause auf dem Sofa. Dann hat Garzotto Zeit, die Trüffel in Trüffelbutter, Trüffelsalz oder Trüffelhonig zu verwandeln. «Doch ich muss aufpassen, oft schon drehte ich mich um und Emma frass Trüffel im Wert von 100 Franken», so Garzotto. Besonders spezielle Trüffel wie etwa der Winter-Trüffel (tuber brumale) landen aber nicht in den Produkten, die Garzotto auf dem Markt im Viadukt verkauft, sondern in seiner eigenen Pfanne. Auf seiner Website finden sich dazu bewährte Zürcher Rezepte wie etwa die Kappeler Milchsuppe mit Züri-Trüffel. «Trüffel gut zuzubereiten, ist mir ebenso wichtig, wie sie zu finden», sagt Garzotto. Deshalb sei sein nächstes Projekt, ein Buch mit den Rezepten zu veröffentlichen.

Alle Bilder: Lydia Lippuner

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