Patrik Maillard: «Beim Wohnen müssen wir die Privaten in die Pflicht nehmen» - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Gemeinderat der Woche: Patrik Maillard (AL)

Bereits in den 90er Jahren war Patrik Maillard in der Wohnungsnotbewegung aktiv. Auch heute noch ist eines seiner politischen Kernthemen «Wohnen und Wohnen bleiben».

Patrik Maillard, AL

Vom Bau- und Gastgewerbe zum Journalismus und der Erwachsenenbildung: Patrik Maillard hat schon einige Stationen hinter sich. (Foto: Steffen Kolberg)

«Wir machen das unter anderem aus der Überzeugung heraus, dass man die antisemitische Geschichte nicht vergessen sollte. Auch die der Schweiz nicht», sagt Patrik Maillard, angesprochen auf den wiederholten Einsatz seiner AL-Fraktion für das Gedenken an die jüdische Geschichte Zürichs.

Zusammen mit seinem ehemaligen Fraktionskollegen Mischa Schiwow hatte er ein Postulat eingereicht, das einen Erinnerungsort zur jüdischen Geschichte der Stadt am Pfauen vorschlägt. Es wurde in dieser Woche ohne Gegenstimme überwiesen und reiht sich ein in mehrere Vorstösse, die zu diesem Thema bereits aus der Fraktion kamen: So die Motion zur Förderung des Museums Schauplatz Brunngasse oder das gescheiterte Anliegen, die Rudolf-Brun-Brücke umzubenennen, die nach einem Bürgermeister während judenfeindlicher Pogrome im Mittelalter benannt ist.

Maillard beschäftigt sich sonst eher mit anderen Themen, vor allem sozial-politischen. So reichte er im Januar mit seinem Fraktionskollegen Moritz Bögli ein Postulat ein, das eine ausschliesslich oberirdische Unterbringung von Geflüchteten in der Stadt Zürich fordert. Der Auslöser war ein Beschluss des Staatssekretariats für Migration (SEM), in der Zürcher Turnerstrasse eine Zivilschutzanlage als temporäre Asylunterkunft zu nutzen.

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Zivilschutzanlagen seien bisher als absolute Notlösung gehandhabt worden und würden nun zum Normalfall für die Unterbringung, seit der Ständerat sie auf Bundesebene ins Spiel gebracht habe. «Dagegen muss man sich wehren», so Maillard, der selbst als freiwilliger Deutschlehrer in einem Durchgangszentrum gearbeitet hat. «Es geht vielleicht nicht sofort, vollständig auf unterirdische Lösungen zu verzichten, doch der Stadtrat sollte sich das zum Ziel setzen.»

Ein weiteres Kernthema umschreibt Maillard mit «Wohnen und Wohnen bleiben». Als Mitglied der Finanzkommission im Gemeinderat kann er beim städtischen Wohnungsbau mitdiskutieren. Doch der reicht nicht aus, findet er: «Beim Wohnen müssen wir die Privaten in die Pflicht nehmen, sonst erreichen wir das Drittelsziel nicht.» Und egal ob privat oder gemeinnützig, die Anzahl subventionierter Wohnungen müsse dringend erhöht werden. «Da haben wir fast drei Viertel weniger als vor 25 Jahren. Und vor allem der unterste Mittelstand, der gerade so nicht mehr auf Sozialleistungen angewiesen ist, braucht solche Wohnungen.»

Vor kurzem fand ein Vorstoss eine knappe Mehrheit, den Maillard und AL-Co-Fraktionspräsidentin Tanja Maag eingereicht hatten. Darin wird die Möglichkeit einer Rente mit 60 in Berufen mit grosser körperlicher Belastung gefordert. «Ich bin wohl einer der wenigen Proletarier im Saal und weiss, wovon ich spreche», argumentierte der 58-Jährige bei der Begründung. Von seinem 19. bis zu seinem 30. Lebensjahr habe er auf dem Bau gearbeitet, danach 28 Jahre im Gastgewerbe.

Mit 40 Jahren habe er noch einmal etwas Neues machen wollen und sich an der Schule für angewandte Linguistik (SAL) zum Journalisten ausbilden lassen. «Ich habe dann ein Praktikum bei der WOZ gemacht und war dort später als freier Mitarbeiter tätig. Nebenher habe ich aber immer weiter als Koch gearbeitet», erzählt er. Vor einem Jahr liess sich Maillard umschulen und ist jetzt in der Erwachsenenbildung im Migrationsbereich tätig. Denn er habe festgestellt, dass er die körperlich anstrengende Arbeit im Gastgewerbe nicht bis 65 werde machen können.

Warum sind Sie Gemeinderat geworden?

Ich bin seit meiner Jugend politisch interessiert, war beispielsweise in der Wohnungsnotbewegung der 90er-Jahre aktiv und halte es heute erst recht für wichtig, den Kampf für eine sozialere Gesellschaft auf die Strasse zu tragen. Neben den ausserparlamentarischen Bewegungen braucht es auch in der Politik Menschen, die sich gegen die «Sachzwänge» eines auf stetigem Wachstum basierenden Wirtschaftssystems wehren und die sich konsequent für die Grundrechte und gegen rechte Hetze einsetzen.

Mit welche:r Ratskolleg:in der Gegenseite würden Sie gerne mal ein Bier trinken gehen?

Mit Sanija Ameti (GLP), die pointiert gegen fremdenfeindliche und/oder rassistische Hassreden der SVP votiert und die genau weiss, wovon sie spricht. In einem «Persönlich»-Talk auf Radio SRF hat sie von der Migrationsgeschichte ihrer Familie erzählt, wie sich ihre Familie überangepasst hat in einer Zeit, als es auf Plakaten der SVP hiess: «Kosovaren schlitzen Schweizer auf.»

Welches Abstimmungsergebnis hat Sie bisher am meisten geärgert?
Die Initiative «Sportstadt Züri» wurde 2020 abgelehnt. Ein Ja hätte den nicht kommerziellen Sportvereinen Gebühren und Miete erlassen und der Bevölkerung freien Eintritt in alle Schwimmbäder der Stadt ermöglicht. Ich hätte es den Vereinen und den Menschen mit geringem Einkommen gegönnt und Zürich hätte es sich leisten können. Aber immerhin sind in Zürich die Flussbäder kostenlos.

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