Sihlquai, X-Tra, Kraftwerk Selnau: Der Impact Hub kämpft und kämpft - Tsüri.ch #MirSindTsüri
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Von Lara Blatter

Co-Geschäftsleitung & Redaktorin

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15. Dezember 2023 um 05:00

Impact Hub: «Verschwindet das Kraftwerk, verschwinden nicht einfach Coworking-Plätze»

Mithilfe der Politik will der Impact Hub im Kraftwerk Selnau bleiben und stellt so den Standort für eine zukünftige Energiezentrale infrage. Gründer Christoph Birkholz betont, dass sie keinesfalls ein klimaneutrales Projekt bremsen wollen.

Mit dem Wegzug des Impact Hubs gehe ein wichtiger Kulturort in der Innenstadt verloren: Gründer Christoph Birkholz im Kraftwerk Selnau. (Foto: Lara Blatter)

Der Impact Hub als Netzwerk für Start-ups, Kulturschaffende und Kreative verfügt in Zürich aktuell über drei Standorte: am Sihlquai, im Viadukt und im Kraftwerk Selnau. 

Da zwei Standorte bedroht sind, soll ein neuer folgen. Der Coworking-Space hat den Zuschlag für die Pacht des Limmathauses bekommen. Eigentlich hätte der Hub im Januar einziehen sollen. Doch der Zeitpunkt des Umzugs ist ungewiss, die aktuelle Mieterin am Limmatplatz, der Club X-Tra, wehrt sich und will eine Mieterstreckung erwirken. 

Mühsam für den Impact Hub, denn die Zeit wird knapp. Der Kanton plant an der Sihl eine Berufsbildungsmeile und das EWZ will in den Räumen des Kraftwerks die Energiezentrale «Cool City» einrichten. 

Letzteres sieht vor, grosse Teile Zürichs im Sommer mit Seewasser zu kühlen und im Winter zu heizen. «Cool City» soll einst eines der grössten thermischen Netze werden, das die Stadt plant. Ein Schritt in Richtung Netto Null 2040. Heisst, das Museum Haus Konstruktiv und der Impact Hub, die beide im Unterwerk eingemietet sind, müssen Platz für die Energiezentrale machen. Die Stadt hat die entsprechenden Verträge, die am 1. Juli 2025 auslaufen, nicht verlängert. Das Museum hat bereits einen neuen Standort gefunden. Nicht aber der Impact Hub. Mit der Interessensgemeinschaft Selnau macht sich dieser für den Erhalt des Kraftwerks als Kulturort stark. Rückendeckung erhält er vom Gemeinderat.

Denn dort gab es im November von linker Seite Gegenwind gegen die städtischen Pläne. Ein Vorstoss von SP, Grünen und GLP verlangte, ein Jahr nach der Entscheidung für das Kraftwerk noch einmal nach alternativen Standorten für die Energiezentrale zu suchen und sich dafür insbesondere auch im Untergrund umzuschauen, statt die oberirdische Liegenschaft zu nutzen. 

Ganz im Sinne der IG Selnau: Diese hatte selbst eine Machbarkeitsstudie zu diesem Thema in Auftrag gegeben. Teile dieser wurden bereits vorgestellt, Anfang nächstes Jahr soll sie veröffentlicht werden. Die Expert:innen meinten in einem ersten Zwischenresultat, dass es durchaus Alternativen zum Kraftwerk gebe, etwa unterirdisch unter dem Lindenhof oder im Lettentunnel. 

Mit dem Wegzug des Impact Hubs gehe ein wichtiger Kulturort in der Innenstadt verloren, beteuern die Betreiber:innen des Coworking-Spaces und das finden auch linke Politiker:innen. Auffallend: Im Fall X-Tra im Limmathaus wurde dem Impact Hub vorgeworfen, Kultur zu verdrängen. Im Kraftwerk verdränge nun die Stadt einen wichtigen Kulturort, den Impact Hub. Das Narrativ rund um den Impact Hub hat sich geändert. Wie haben die Macher:innen das hingekriegt? Wir haben den Gründer Christoph Birkholz getroffen. 

Ähnlich wie Ihnen im Kraftwerk geht es dem Club X-Tra im Limmathaus. Sie kämpfen für ihr Kulturlokal. Im Diskurs ums X-Tra hiess es immer wieder, dass die Start-up-Szene Kultur verdränge. Wer macht denn jetzt Kultur, das X-Tra oder der Impact Hub?

Beide. Ich habe es satt, dass wir gegeneinander ausgespielt werden. Denn schlussendlich sind der fehlende Raum für Kultur und die hohen Mieten in Zürich das Problem. Aber im Endeffekt haben wir den Zuschlag fürs Limmathaus bekommen und in unserem Konzept kann man lesen, worum es uns geht. 

Kultur?

Ja. Wir haben das Quartier in die Planung miteinbezogen und ein breites kulturelles Programm ist geplant. Die Idee des Impact Hubs ist gesellschaftlicher Wandel, sowohl mit Social Entrepreneurship als auch mit Kultur. Aber mit der Behauptung, dass bei uns nur HSG-Stundent:innen ihre Karrierepläne schmieden, lässt sich eben besser gegen uns kämpfen. Ganz ehrlich: Das war eine reine Kampagne. Wir selbst haben die Kommunikation unterschätzt. Uns ist es noch nicht gut gelungen, unser Kulturprogramm zentral zu kommunizieren. Daran müssen wir arbeiten. Die Stiftung Limmathaus hat sich schon 2020 für uns als künftige Pächterin entschieden, weil wir Arbeit, Kultur und Gemeinschaft verbinden, das Limmathaus von früh bis spät beleben und soziale Verantwortung im Quartier übernehmen.

Im Kraftwerk Selnau soll die Energiezentrale «Cool City» entstehen. (Foto: Lara Blatter)

Der Tages-Anzeiger titelte im November als es ums Kraftwerk ging «so soll der Arbeitsplatzvermittler gerettet werden», die NZZ sprach von «linker Kritik an einem Projekt für eine klimaneutrale Stadt». Und in der Diskussion ums X-Tra könnte man behaupten: Die kapitalistische Start-up-Schmiede verdrängt einen Club, wo viele Zürcher:innen ihren ersten Kuss erlebten. Nerven Sie diese Darstellungsformen?

Ich will keine öffentliche Schlammschlacht. Und nochmals: Dieses Narrativ stimmt nicht. Aber klar, es funktioniert. Ich wuchs in Bochum auf, würde dort jener Club verschwinden, wo wir früher alle auf Partys waren, unseren ersten Suff und Kuss hatten, dann wäre ich auch traurig. Erst recht, wenn dieser einem Bürogebäude weichen müsste. Aber das ist im Limmathaus nicht der Fall. Wir planen vielleicht eine andere Gewichtung von Kultur. Wir sehen Kultur als Auftrag, einen Ort mit gesellschaftlichen Themen zu bespielen. Ein Beispiel: Auch an einem Rave sollen kulturelle oder politische Themen wie beispielsweise das Klima Platz bekommen. 

Wie muss man sich das vorstellen, lokales fairtrade Koks aus Zürich an Ihren Partys? 

Auf illegale Äste wagen wir uns natürlich nicht raus. Das geht viel subtiler und fängt beim Booking von Acts an und hört in der Gastronomie auf, wo wir anfangen müssen, Lieferketten zu hinterfragen. 

In der Causa Kraftwerk werden Sie ja nun sehr wohl als Ort für Kultur wahrgenommen. Mit Ihrem Wegzug gehe ein wichtiger Kulturort in der Innenstadt verloren, fanden auch SP, Grüne und GLP im Gemeinderat. Wie haben Sie es geschafft, dass die Linken hinter dem Impact Hub stehen?

Im Kraftwerk Selnau und im Auer&Co., unserem Café am Sihlquai finden jährlich über 100 Kulturveranstaltungen statt. Wir haben fast jedes Wochenende Raves oder Ausstellungen hier. Zwei Drittel von unserem fast 120-köpfigen Team im Impact Hub arbeitet im Bereich Gastronomie und Veranstaltung. Das haben wir einfach mal erklärt und wir haben den Politiker:innen aufgezeigt, wer wir sind.

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Heisst, es lässt sich einfacher für einen Kulturraum kämpfen als für einen Coworking-Space?

Ich weiss es nicht. Es lässt sich am einfachsten kämpfen, wenn man authentisch ist und zeigt, was man macht. Und das haben wir definitiv unterschätzt und in Bezug auf unsere Kulturtätigkeit in den letzten Jahren zu wenig gemacht. 

Die AL haben Sie aber nicht überzeugen können. AL-Gemeinderat Andreas Kirstein wirft Ihnen vor, dass Sie ein laufendes Projekt blockieren und Ratsmitglieder beeinflussen wollen. 

Klar, wir treten mit Politiker:innen in Kontakt. Der Gemeinderat soll sich ein Bild vom Impact Hub machen und verstehen, worum es geht. Verschwindet das Kraftwerk, dann verschwinden nicht einfach Coworking-Plätze, es geht ein Ort für Austausch und Kultur verloren. Das aufzuzeigen, finden wir wichtig.

Kultur hin oder her. Das Netto-Null-Ziel 2040 der Stadt ist ambitioniert. Wieso stellen Sie sich mit der IG Selnau gegen das klimaneutrales Projekt «Cool City» und bremsen dieses aus? 

Das machen wir nicht. Weder der Impact Hub noch die IG Selnau stellen sich gegen ein klimaneutrales Projekt. Wir wollen unbedingt eine Netto-Null-Infrastruktur und das so schnell wie möglich. Aber dass es für einen Standort keine Alternativen gibt, machte uns skeptisch. Es kann doch nicht sein, dass das Kraftwerk der einzige Standort für eine Energiezentrale im Kreis 1 ist. 

«Das Unterwerk nun wieder für Energieinfrastruktur statt für Menschen zu nutzen, erscheint mir nicht nachhaltig.»

Christoph Birkholz über das Projekt «Cool City»

Das Projekt laufe bereits, einzelne Leitungen seien im Bau. Laut Stadtrat Michael Baumer habe man über 30 Alternativen geprüft. 

Das hat er in der Tat gesagt. Aber unterirdische Lösungen wurden fast ignoriert. Anfang Jahr kamen wir mit Leuten in Kontakt, die sich für unsere Nachbar:innen, das Haus Konstruktiv, stark machten. In Gesprächen meinten erfahrene Ingenieur:innen und Architekt:innen, dass aus technischer Sicht so ein Projekt nie alternativlos ist. Es gibt also immer mehrere mögliche Standorte. 

Darum haben Sie selbst eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben?

Ja. Mit dem Swiss Center of Applied Underground Technologies, einem Verbund von rund 50 führenden Schweizer Ingenieurbüros, Energie- und Bauunternehmen, konnten wir ein Team von Ingenieur:innen für Tiefbau und Fernwärme beauftragen, die gemeinsam mit Expert:innen der ETH Zürich eine Machbarkeitsstudie für alternative Standorte der Energiezentrale durchführen. Im Januar wird die Studie erscheinen.

Erste Zwischenresultate haben Sie mit der IG Selnau schon im November veröffentlicht. Sie räumten ein, dass die Suche nach einem geeigneten Standort für die Energiezentrale in einer dicht besiedelten Stadt wie Zürich eine Herausforderung sei. Die einfachste Lösung scheint das Kraftwerk zu sein. Also stellen Sie sich doch gegen ein Energieprojekt?

Nein. Wir werden weder ein Klimavorhaben stören, noch unnötig verlangsamen. Wenn herauskommt, dass das Kraftwerk wirklich der einzige Standort ist, sind wir am Tag, wenn der Vertrag ausläuft, draussen. Gar keine Diskussion. Wenn ich meinen Impact-Hub-Hut aufhabe, hoffe ich natürlich, dass wir noch möglichst lange bleiben können. Aber im Endeffekt geht es mir darum, gemeinsam Netto Null zu erreichen und lebendige Orte für Kultur und Gesellschaft zu erhalten. Das Selnau Quartier war früher kaum attraktiv. Einen derart einmaligen und zentralen Bau wie das Unterwerk nun wieder für Energieinfrastruktur statt für Menschen zu nutzen, erscheint mir weder nachhaltig noch sinnvoll für die Stadtentwicklung und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

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