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Von Rahel Bains

Redaktionsleiterin

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1. September 2021 um 04:00

«An diesem Tresen sind alle gleich»

In Zürich waren wir noch nie…im Meyer’s. Zeit also, der legendären Bar, in der man auch unter der Woche bis 4 Uhr morgens hinter dem Tresen sitzen kann, einen Besuch abzustatten. Das Fazit dieses letzten Sommerserie-Beitrags: Einen Drink im Meyer’s sollte man nicht planen.

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Kaum eine Bar hat so lange geöffnet wie das Meyers. (Alle Fotos: Elio Donauer)

Tauchen im Zürichsee, die Stadtgrenze abwandern, in jeder Bar an der Langstrasse ein Bier trinken: Für die aktuelle Sommerserie haben wir uns an Dinge herangewagt, die wir in dieser Stadt noch nie gemacht haben.

«Und hier um die Ecke ist das «Meyer’s». Entzückend, um nach dem Helsinki die Zeit zu überbrücken bis die Sonne aufgeht», sagte mir neulich Jürg Halter, Lyriker und Schriftsteller, in einem Interview. Fast schon ein wenig beschämt musste ich zugeben, dort noch nie eingekehrt zu sein. «Ein Berner erklärt einer Zürcherin, wo die legendärsten Bars sind», lachte unser Chefredaktor tags darauf im Tsüri-Büro.

Grund genug, das zu ändern, fanden unser Civic-Media-Leiter Elio und ich. Auch er, der nur einen Steinwurf entfernt wohnt, hat den Sonnenaufgang noch nie in besagter Bar erlebt, ist immer nur mit dem Velo an der «letzte Zapfsäule vor dem Schnarchen» mit den bunten Lämpchen vorbeigefahren.

Das Meyer’s scheint bei näherer Betrachtung in der Tat eine der wenigen Bars dieser Stadt zu sein, der etwas Verruchtes, Legendäres, wilde Geschichten von früher anhaftet. In der man zu jeder Nacht- und Tageszeit einkehren kann, weil sie auch unter der Woche bis 4 Uhr offen steht, man an der Bartheke immer einen Menschen für tiefgründige Gespräche auffindet.

«Wer jemals um drei Uhr morgens plötzlich eine trockene Kehle hatte, landete im Meyer's. Wer in der letzten Bar den metaphorischen Stiefeltritt empfangen hatte, aber immer noch durstig war, landete im Meyer's. Und alle anderen Nachtschwärmer:innen schwemmte es früher oder später auch hier rein», schrieb einst unser neuer Briefing-Redaktor William Stern in einem SRF-Beitrag. Etwas trockener wird auf Trip Advisor geschrieben: «Freundliche bedienung, super Service – immer einen Besuch wert. Macht’s euch gemütlich, da kann man eine Zeit verweilen».

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Blick aus dem Meyer's auf die Badenerstrasse und das Lochergut.

Am Donnerstag vor zwei Wochen treffen Elio und ich uns schliesslich um 23 Uhr, eigentlich viel zu früh, vor dieser «Institution des Zürcher Nachtlebens». Er unseren Projektleiter Emilio, ich meine Freundin Sophie im Schlepptau. Letztere fragt kritisch, ob wir nicht zuerst noch woanders einkehren wollen. Dort, wo die Menschen noch gemütlich draussen sitzen. Ich verneine mit den Worten, das sei ja schliesslich keine Bartour hier, sondern Arbeit.

Wir treten ein. Trotz des ausnahmsweise trockenen und warmen Wetters ist das Lokal schon ziemlich gut gefüllt. Farbige Lämpchen und gülden leuchtende Lichterketten tauchen den kleinen Raum in ein wohliges Schummerlicht. In der einen Ecke baumelt von der Decke eine Einhorn-Piñata, auf den Ablageflächen stehen Vasen mit Kunstblumen und getrocknete Rosen. Wir nehmen Platz in einer der Sitznischen am Rand. Diese sind coronakonform mit Duschvorhängen unterteilt, von denen Giraffen und Zebras auf uns hinunter starrten. Es läuft Rock. «Ein Aperol Spritz kostet hier nur acht Franken», ruft uns Emilio freudestrahlend über das kleine Tischen zu.

Wir überlegen kurz, zu den Drinks einen «Bambi»-Toast mit Ajvar, Hummus, Cornichons und getrockneten Tomaten zu bestellen, der auf einem Aushang an der Wand angepriesen wird. Interessant. Ich hätte hier Fleischkäse-Sandwiches erwartet, wie sie hinter der Theke des ebenfalls legendären Kiosk Café Röschibach verkauft werden. Emilio kommt von der Bar zurück, mit unseren Drinks in der Hand und den Worten: «Die Barkeeperin hat den Rest des Proseccos gleich selbst aus der Flasche hinuntergestürzt». Elio blickt sich indes um und findet: «Das Meyers erinnert mich an Spelunken auf der Hamburger Reeperbahn. An diesem Tresen sind alle gleich.»

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Tropisch bedruckte Duschvorhänge schützen vor Corona.

Wir schaffen es nicht bis 4 Uhr. Zwei Stunden vor Barschluss stehen wir bereits wieder vor dem Lochergut. Wir merkten: Ein Besuch im Meyer’s darf nicht geplant sein, sondern muss einfach passieren. So wie nach jener ausgelassener Party diesen Sommer, als einige letzten «Standhaften» des Tsüri-Teams in der nicht weit entfernten Playbar gestrandet sind.

Wo man sich über den Tresen gelehnt und wild gestikulierend lebhafte Gespräche mit Geschäftsführerin Vera geführt hat. Man im Takt des Prince-Songs «Little Red Corvette» hin und her gewiegt, sein Spiegelbild von der verglasten Decke betrachtet hat – und alles einfach grossartig fand. Meyer’s: Wir kommen wieder. Das nächste Mal einfach ein bisschen später.

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Diese Tür verlässt kaum jemand nüchtern.

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