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7. Dezember 2017 um 15:54

Die Hardbrücke im Wandel der Zeit

Morgen wird die Erweiterung der Tramlinie 8 über die Hardbrücke feierlich eröffnet. Jene Brücke prägt unsere Stadt seit dem Anbruch der Moderne – wie ein Blick zurück zeigt.

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Die Hardbrücke gehört zu unserer Stadt wie der See, die Limmat oder der Uetliberg. Aus der Landschaft der Stadt Zürich ist sie nicht mehr weg zu denken. Sie verbindet Flussufer, Quartiere, ja gesamte Kreise. Mit dem Bahnhof Hardbrücke gar die Agglomeration und das Land mit dem Herzen des Kantons. Mit der Eröffnung der neuen Tramlinie 8 schaffen die Verkehrsbetriebe Zürich VBZ nun zusätzlich eine direkte Verbindung zwischen Zürich-West und dem Raum Helvetiaplatz und Stauffacher sowie dem Paradeplatz. Doch die Hardbrücke ist viel mehr als bloss einer der wichtigsten Verbindungsknoten unserer Stadt. Sie ist eine Zeitzeugin der Stadtentwicklung, ein Abbild der Bau- und Verkehrspolitiken der Moderne und somit ein Abbild der Gesellschaft.

Aussersihler Spaltung

Es war der Bau der «Spanisch-Brötli-Bahn» von Zürich nach Baden, welcher 1847 die Zweiteilung des gesamten Limmattals eingeleitet hat. Damals muss sich das Tal noch idyllisch präsentiert haben. Eine kleine Eisenbahnstrecke führt westwärts – in gemächlichem Tempo, denn Züge fahren zu dieser Zeit nicht schneller als 30 Kilometer pro Stunde. Die Industrialisierung ist zwar im Aufwind, hat aber ihren Zenit noch lange nicht erreicht. Aussersihl bildet noch eine kleine Gemeinde mit kleinen Fabriken. Die grosse Einwanderungswelle der Arbeiter*innen lässt noch auf sich warten. Wohl möglich, dass man zu diesem Zeitpunkt noch die Vögel pfeifen und die Kühe muhen hört. Noch nichts deutet darauf hin, dass hier bald ein Moloch von Beton und Gleisen entstehen wird.

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Nicht wieder zu erkennen: Die Hardstrasse um 1898

Doch es ist in jenen Jahren, in denen geteilt wird, was später wieder verbunden werden muss – so auch die Gemeinde Aussersihl, die heutigen Kreise 4 und 5. Denn aus einem einzelnen Gleis ist ein ganzes Feld entstanden. Eines, das sich bis heute schier unüberwindbar bis über Schlieren hinaus zieht. Brücken und Unterführungen müssen her. Aussersihl, 1893 eingemeindet, muss wieder verbunden werden. Dies wird ermöglicht durch die Langstrassen-Unterführung und weiter westwärts durch die Hardbrücke in ihrer Urform.

Blick von der Hardbrücke in Richtung Kreis 5 um 1918

Die Zeit vor dem Schatten der Hardbrücke

Damals ist die Hardbrücke vergleichsweise eine kleine Brücke. Sie steigt beim Hardplatz über die Gleise und senkt sich bereits beim heutigen Bahnhof Hardbrücke wieder hinab. Die direkte Anbindung an die Rosengartenstrasse existiert lediglich ebenerdig. Der Abschnitt der Hardstrasse zwischen dem nördlichen Ende des Gleisfelds und dem Escher-Wyss- bis hin zum Wipkingerplatz ist noch nicht mit einer Betonbrücke überdacht.

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Luftaufnahme 1933: Die Hardstrasse in voller Länge vom Albisriederplatz bis zum Escher-Wyss-Platz (rechts)

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Die Hardstrasse 235 im Kreis 5 um 1939

Bis es zum Bau des grauen Giganten kommt, vergehen noch einige Jahre. Doch mit dem Einzug des Automobils in den Alltag der Stadtzürcher*innen und dem enormen Bevölkerungswachstums steigen auch die Anforderungen an die Hardbrücke. In den ersten 33 Jahren des 20. Jahrhunderts verdoppelt sich die Bevölkerung der Stadt Zürich auf 300’000 Einwohner*innen. Bis in die 60er Jahre ist mit 440’000 Einwohner*innen gar eine Verdreifachung festzustellen. Eine Zahl, welche die Stadt Zürich bis heute nicht mehr erreicht hat.

Bevölkerungsentwicklung

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Bevölkerungswachstum seit 1901 (Quelle: Stadt Zürich)

Der Autowahn der 60er

Es ist dann auch in den 60ern, dass die Planung für den Ausbau der Hardbrücke beginnt. Mit dem starken Bevölkerungswachstum in der Nachkriegszeit und dem Auto im alltäglichen Gebrauch muss die Infrastruktur dringend angepasst werden. Verschiedene Strassenbauprojekte aus dieser Zeit prägen unsere Stadt noch heute.

So genehmigt der Bundesrat beispielsweise 1962 das «Zürcher Expressstrassen-Y». Es sieht vor, eine Nord-Süd-Autobahn über die Sihl an den Hauptbahnhof und durch den Milchbuck mit einer West-Abzweigung in Richtung Hardturm und Bern zu bauen. So entsteht unter anderem die Sihlhochstrasse in Wiedikon, die heute noch den Fluss überdacht. Weil schon damals bekannt ist, dass das Projekt dem Verkehr nicht gewachsen sein wird, wird es aufgrund regen Widerstandes nicht komplett realisiert.

Die Hardbrücke, wie wir sie heute kennen

Umfahrungsstrassen gibt es noch keine. Demnach muss, wer von Bern nach St. Gallen fahren will, über die Rosengartenstrasse in die Stadt und dann westwärts Richtung Hardturm auf die A1. Der Nord-Süd-Verkehr ist lediglich über die Rosengartenstrasse und die Hardbrücke, durch Aussersihl und Wiedikon auf die Sihlhochstrasse möglich. Ein Verkehrsaufkommen, mit welchem die alte Hardbrücke nicht mehr klar kommt. Eine Neue muss her.

Die Hardbrücke während dem Bau 1971 (Fotograf: Schmied)

1969 beginnt der Bau der Brücke, wie wir sie heute kennen. Sie ist direkt an die Rosengartenstrasse angeschlossen und überdacht die Hardstrasse bis zum Hardplatz. Der Bau der fast 1.5 Kilometer lange Brücke dauert drei Jahre. 1972 ist Eröffnung.

Die alte Hardbrücke und die Betonpfeiler der neuen um 1972

Umdenken in Sachen Verkehr

Die Hardbrücke kann zwar nun die Autobahnanbindungen gewährleisten, doch für die Stadtzürcher*innen ändert es nichts an der Tatsache, dass der gesamte Verkehr durch die Stadt verläuft. Es ist erst mit der Fertigstellung der Westtangente 2009 und der zuvor gebauten Nordumfahrung (1985), dass der grosse Durchgangsverkehr mehr oder minder aus den Quartieren verbannt werden kann.

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Die Hardbrücke im Jahr 2006

Damit bricht auch eine neue Ära für die Hardbrücke an. Nicht länger direkt ins Autobahnnetz eingebunden, ändert sich ihre Aufgabe. Sie muss nicht länger dem Durchgangs-, sondern dem Binnen- und Zielverkehr gerecht werden. 2011 wird die Brücke – massiv geschädigt durch die zahlreichen LKWs – saniert und den neuen Anforderungen angepasst. So entstehen eine eigene Spur für Busse und breitere Fuss- und Velowege zwischen Hardbrücke und Hardplatz.

Die letzte Konsequenz: Das Tram

Nun erfährt die Hardbrücke erneut einen Wandel – den wohl letzten für längere Zeit. Morgen wird die Tramverbindung über die Hardbrücke eingeweiht und ab Sonntag fährt das Tram im Normaltakt. Die Brücke hat eine lange Geschichte mit verschiedenen Aufgaben: vom einfachen Überwinden eines Gleisfelds, über die Verkehrsbewältigung von nationalem Interesse, hin zu Nahverkehr mit ÖV, Fuss- und Velowegen. Das nächste grosse Verkehrsbauprojekt wird wohl die Rosengartenstrasse sein. Der Durchgangsverkehr soll ein Stockwerk tiefer verlegt werden, wobei oben eine Quartierstrasse mit einem Tramtrasse entstehen soll.

In den 60ern und 70er setzte die Verkehrsplanung gänzlich aufs Auto – in der Stadt von heute fördert man den ÖV und vor allem das Tram. Doch mit der Inbetriebnahme der Linie 8 endet nicht etwa die Geschichte der Hardbrücke. Wer weiss wie es in 50 Jahren aussehen wird? Vielleicht wird sie gänzlich frei vom Autoverkehr. Vielleicht wird sie zur Fussgänger*innenbrücke erklärt. Vielleicht entstehen Pärke. Vielleicht wird sie gänzlich abgerissen, weil Jetpacks und Drohnen Einzug in den Alltag gehalten haben. Die Hardbrücke ist Teil der Geschichte unserer Stadt und Sinnbild verschiedenster Verkehrspolitiken – und wird es wohl auch in Zukunft bleiben.

Alle Bilder gefunden im Bildarchiv der ETH.

Titelbild: Escher-Wyss-Platz, Rosengartenstrasse, Comet Photo AG (Zürich)

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